Häufig hängen wichtige Rechtsfolgen davon ab, wie viele Arbeitnehmer in einem Betrieb oder von einem Unternehmen beschäftigt werden. Dies gilt auch für die Frage, ob bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat eine unmittelbare Wahl oder eine Delegiertenwahl durchzuführen ist. Ab einem „Schwellenwert“ von 8.000 Arbeitnehmern ist grundsätzlich die Delegiertenwahl vorgesehen. Das Bundesarbeitsgericht hat am 04.11.2015 entschieden, dass Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen bei der Frage, ob dieser „Schwellenwert“ erreicht wird, mitzuzählen sind (Az. 7 ABR 42/13).
Ausgangsfall
Der für die Wahl zuständige Hauptwahlvorstand kam zu dem Ergebnis, das die Wahl der Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat im Wege der Delegiertenwahl durchzuführen ist. Bei der Delegiertenwahl wählen die Arbeitnehmer nicht unmittelbar die Kandidaten. Sie wählen Delegierte, die später im Rahmen einer Delegiertenversammlung die Arbeitnehmervertreter wählen. Die Entscheidung des Hauptwahlvorstandes für die Delegiertenwahl beruhte darauf, dass nach seiner Feststellung 8.341 Arbeitnehmer beschäftigt wurden. Dabei hatte er die 444 Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen mitgezählt. Daraufhin beantragten 14 in dem Unternehmen beschäftigte Arbeitnehmer, die Wahl als unmittelbare Wahl durchzuführen, weil nach ihrer Auffassung Leiharbeitnehmer nicht bei der Feststellung, ob 8.000 Arbeitnehmer beschäftigt werden, zu berücksichtigen seien.
Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Delegiertenwahl durchzuführen war, weil der Hauptwahlvorstand zu Recht die 444 Arbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen bei der Bestimmung des Schwellenwertes nach § 9 MitbestG als Arbeitnehmer des Unternehmens bewertet hatte.
Dies ist alles andere als selbstverständlich, denn ein Leiharbeitnehmer steht in einem Arbeitsverhältnis zum Verleiher und gerade nicht in einem Arbeitsverhältnis zu dem Unternehmen, für dessen Belegschaft Arbeitnehmervertreter zu wählen sind. Aus diesem Grund hatte in der Vergangenheit z.B. das OLG Hamburg (Beschluss vom 31.01.2014, Az.: 11 W 89/13) entschieden, dass bei einer vergleichbaren Frage (Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Bestimmung des Schwellenwertes in § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG) Leiharbeitnehmern nicht mitberücksichtigt werden.
Das Bundesarbeitsgericht hatte diese Frage bisher noch nicht in Bezug auf die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes zu entscheiden. Im Bereich des Betriebsverfassungsrechts hatte das Bundesarbeitsgericht allerdings schon wiederholt Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung von Schwellenwerten mit eigenen Arbeitnehmern des Entleihers gleichgesetzt. Dies betraf die Ermittlungen der maßgeblichen Unternehmensgröße nach § 111 Satz 1 BetrVG (Vorliegen einer Betriebsänderung) sowie die Schwellenwerte nach § 9 BetrVG, aus welchen sich die Zahl der Betriebsratsmitglieder ergibt. Mit der aktuellen Entscheidung zum Schwellenwert des § 9 MitbestG hat das Bundesarbeitsgericht diesen Weg fortgesetzt.
Die Begründung des Bundesarbeitsgerichts wurde noch nicht veröffentlicht, man kann jedoch davon ausgehen, dass das Bundesarbeitsgericht erneut dahingehend argumentiert, dass es bei einem drittbezogenen Personaleinsatz und einer „aufgespaltenen Arbeitgeberstellung“ (Arbeitsvertrag zu dem Verleiher und Arbeitsleistung bei dem Entleiher) primär auf die Eingliederung in den Betrieb und weniger auf die vertragliche Beziehung ankomme.
Fazit
Das Bundesarbeitsgericht setzt mit diesem Beschluss seinen Trend fort, Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen in Bezug auf die Prüfung von Schwellenwerten den Arbeitnehmern des Unternehmens bzw. des Entleiher-betriebs gleichzustellen. Dieser Trend hat nun das Mitbestimmungsgesetz erreicht. Das BAG hatte zwar nur über den Schwellenwert nach § 9 Abs. 1 MitbestG zu entscheiden, es ist nun allerdings – sofern man dies auf Basis der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts beurteilen kann – wahrscheinlicher geworden, dass entsprechende Entscheidungen zu anderen Schwellenwerten im Bereich der Unternehmensmitbestimmung zu erwarten sind.