Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise einzudämmen, hatte das Bundesfinanzministerium (BMF) bereits mit seinem Schreiben vom 09. April 2020 (IV C 4 -S 2223/19/10003 :003) einen umfangreichen Katalog an steuerlichen Maßnahmen zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen bekannt gegeben. Nun hat das BMF mit Schreiben vom 24. April 2020 (IV C 8 - S 2225/20/10003 :010) nachgelegt und stellt mit einem pauschalen Verlustrücktrag eine weitere Corona-Sofortmaßnahme vor.
Wie funktioniert der Verlustrücktrag?
Nach allgemeinen Grundsätzen gilt, dass einkommen- und körperschaftsteuerliche Verluste unter gewissen Voraussetzungen in das Vorjahr zurückgetragen werden können. Dies führt dann zu einer Minderung des zu versteuernden Einkommens des Vorjahres. Zudem kann ein Verlustvortrag in die Folgejahre vorgenommen werden. Im Bereich der Gewerbesteuer ist hingegen nur ein Verlustvortrag möglich. Da ein Verlustrücktrag grundsätzlich erst mit der Abgabe der Steuererklärungen des jeweiligen Verlustjahres beantragt werden kann, könnte eine Geltendmachung eines im Jahr 2020 entstehenden Verlustes erst mit der Abgabe der Steuererklärung für 2020 (i.d.R. im Jahr 2021 oder 2022) beantragt werden. Somit würde es erst nach Veranlagung und damit vor dem Hintergrund der aktuellen, akuten wirtschaftlichen Belastungen, viel zu spät zu einer wirtschaftlichen Entlastung in Gestalt einer Erstattung der auf den Verlustrücktrag entfallenden Körperschaft- oder Einkommensteuer für 2019 kommen.
Um eine Erstattung der für 2019 geleisteten Vorauszahlungen zur Einkommen- und Körperschaftsteuer zeitnah zu ermöglichen, handelt es sich bei der nun durch das BMF eingeräumten Steuererleichterung um einen pauschalen Verlustrücktrag in Form der Verrechnung von für das Jahr 2020 prognostizierten Verlusten mit den für das Jahr 2019 geleisteten Vorauszahlungen.
Was ist zu tun?
Der pauschale Verlustrücktrag kann auf Antrag von Steuerpflichtigen in Anspruch genommen werden, die nicht unerheblich von der Corona-Pandemie betroffen sind. Von einer nicht unerheblichen Betroffenheit eines Steuerpflichtigen wird ausgegangen, wenn die Steuervorauszahlungen für das Jahr 2020 auf EUR 0,00 herabgesetzt wurden und der Steuerpflichtige versichert, dass für 2020 nicht unerhebliche negative Einkünfte erwartet werden. Eine Größenordnung wird im BMF-Schreiben nicht genannt. Es ist aber davon auszugehen, dass die Handhabung der Finanzbehörden auch in Bezug auf die Genauigkeit einer Prognose für das Jahr 2020 entgegenkommend sein wird.
Wie wird der pauschale Verlustrücktrag ermittelt?
Auf die für die Bemessung der Steuervorauszahlungen für das Jahr 2019 maßgeblichen Einkünfte wird ein 15-prozentiger Abschlag als pauschalierter Verlustrücktrag (bis max. EUR 1,0 Mio. bzw. im Bereich der Einkommensteuer bei Zusammenveranlagung von EUR 2,0 Mio. (§10d Absatz 1 Satz 1 EStG)) gewährt, der bei der Neuberechnung der Steuervorauszahlungen für 2019 berücksichtigt wird. Dieser pauschal ermittelte Verlustrücktrag aus 2020 beträgt 15 Prozent des Saldos der maßgeblichen Gewinneinkünfte und/oder der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, welche der Festsetzung der Vorauszahlungen für das Jahr 2019 bis dahin zugrunde gelegt wurden.
Die so durchgeführte Änderung der Festsetzung der Vorauszahlungen für 2019 führt sodann zu einem Erstattungsanspruch bereits geleisteter Vorauszahlungen für 2019.
Praxishinweis
Werden die Jahressteuererklärungen für 2019 dann eingereicht und veranlagt, ergibt sich im Grundsatz zunächst eine Steuernachzahlung, da der Verlustrücktrag eigentlich erst mit der Veranlagung der Steuererklärungen für das Jahr 2020 erfolgten kann (s.o.).
Die auf den im Vorauszahlungsverfahren berücksichtigten Verlustrücktrag entfallende Steuernachzahlung für das Jahr 2019 wird auf Antrag, befristet bis spätestens einen Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheids für das Jahr 2020, zinslos gestundet. Voraussetzung hierfür ist, dass der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2019 weiterhin von nicht unerheblichen negativen Einkünften für das Jahr 2020 ausgeht.
Ergibt sich nach der Veranlagung 2020 tatsächlich ein Verlustrücktrag, entfällt insoweit die gestundete Steuernachzahlung für 2019. Ist der Verlustrücktrag geringer oder wurde dieser nicht beantragt, ist die Steuernachzahlung für das Jahr 2019 binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheides zu entrichten.
Zur besseren Nachvollziehbarkeit befindet sich auf Seite 4 des BMF-Schreibens ein erläuterndes Zahlenbeispiel.
Fazit
Die durch das BMF-Schreiben vom 24. April 2020 gewährte Möglichkeit eines pauschalen Verlustrücktrags zur Herabsetzung bisher geleisteter Vorauszahlungen im Bereich der Einkommen- und Körperschaftsteuer stellt kein „Steuergeschenk“ dar. Es besteht hierdurch aber die Chance, eine Phase mit akutem Liquiditätsmangel besser durchzustehen.
Autoren: Melanie Weist, Steffen Kurpierz
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