Seit der „Geburtstagszug“-Entscheidung des Bundesgerichtshofes (s. ESCHE blog v. 10.07.2015) genügt es für den urheberrechtlichen Schutz von Industriedesigns (wie z. B. Möbel, Lampen, Modekreationen oder Produktverpackungen), dass dieses eine Gestaltungshöhe erreicht, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen Leistung“ zu sprechen (BGH GRUR 2015, 175 – Geburtstagszug).

In einer aktuellen Entscheidung des Landgerichts Köln hat das Gericht unter Anwendung dieser Grundsätze zwei Sandalen-Modellen urheberrechtlichen Schutz zugesprochen (LG Köln, Az. 14 O 366/2, Urteil vom 03.03.2022).

Worum geht es?

In dem vom LG Köln zu entscheidenden einstweiligen Verfügungsverfahren stritten die Parteien um zwei von der Verfügungsbeklagten hergestellte Sandalen-Modelle, welche nach Ansicht der Verfügungsklägerin die ihr zustehenden Urheberrechte an den von ihr entwickelten Sandalen-Modellen verletzten. Die Verfügungsklägerin begehrte insoweit die Unterlassung des weiteren Vertriebs der nachgeahmten Modelle.

Die Entscheidung

Das LG Köln gab der Verfügungsklägerin unter Berücksichtigung der vom BGH entwickelten Grundsätze Recht.

Das Vorhandensein einer Schöpfung, von Individualität und Originalität lasse sich nicht allein aus den objektiven Eigenschaften des jeweiligen Werkes herleiten. Vielmehr seien diese Merkmale anhand ihrer Relation zum konkreten Schaffensprozess zu betrachten. Die rein handwerkliche oder routinemäßige Leistung trage nicht den Stempel der Individualität, mag sie auch noch so solide und fachmännisch erbracht sein Der Hersteller müsse vielmehr den bestehenden Gestaltungsspielraum auch durch eigene kreative Entscheidungen ausfüllen, um zum Urheber zu werden. Technische Regeln und Gesetzmäßigkeiten stünden einer schöpferischen Gestaltung dagegen nur dann entgegen, wenn sie zwingende Wirkung entfalten, indem der Gestalter sich an bestehende Konventionen halte und diese befolge, ohne von ihnen abzuweichen, sie zu modifizieren oder sich über sie hinwegzusetzen. 

Nach Maßgabe dieser Grundsätze bejahte das LG Köln im konkreten Fall anhand einer umfassenden Analyse der Gestaltungsmerkmale der klägerischen Sandalen-Modelle unter Berücksichtigung der entgegengehaltenen älteren Sandalen-Modelle einen urheberrechtlichen Schutz und verfügte den beantragten sofortigen Verkaufsstopp.

Praxistipp/Fazit

Die Entscheidung zeigt, dass auch bei Industriedesigns der urheberrechtliche Schutz nicht außer Acht gelassen werden sollte. Denn gerade im Falle eines versäumten designrechtlichen Schutzes, kann im Einzelfall ein urheberrechtlicher Schutz zum Ziel führen.

Da die Hürden – und insbesondere der Aufwand und die Kosten für den Nachweis der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit eines Industriedesigns – trotz der Geburtstagszug-Entscheidung des BGH hoch sind, bleibt die Registrierung von EU-Designs (auch „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ genannt) das primär empfehlenswerte Mittel, um Industriedesigns effektiv zu schützen.

Vorteile des EU-Designs 

Mit einem EU-Design kann binnen weniger Wochen schnell und kostengünstig ein europaweites Ausschließlichkeitsrecht begründet und potentielle Nachahmer abgeschreckt werden. Hinzu kommt, dass man bei der europaweiten Durchsetzung eines EU-Designs nicht mit dem in Europa existierenden Urheberrechtsgefälle zu kämpfen hat, sondern ein einheitlicher Schutz gewährleistet ist. Weiterer wichtiger Vorteil bei der Rechtsdurchsetzung von EU-Designs ist die im Prozess von Gesetzes wegen vermutete Rechtsgültigkeit des EU-Designs. Der Begründungsaufwand für den Rechtsinhaber eines EU-Designs ist damit im Prozess deutlich niedriger und kostengünstiger als bei einer auf Urheberrechtsschutz gestützten  Klage. 

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