Ein Wohnsitzwechsel ins Ausland kann bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften zur Besteuerung ohne Zufluss von Liquidität führen – die Regelungen hierzu wurden aktuell verschärft!   

Im Rahmen einer steuerlich strukturierten Unternehmensnachfolge werden oft Unternehmensanteile frühzeitig auf die Nachfolgegeneration übertragen. Diese jungen Unternehmer richten ihren Blick häufig ins Ausland, beispielsweise für ein Auslandsstudium. Nicht selten ergeben sich soziale oder berufliche Verbindungen und so bleiben die bereits am Unternehmen beteiligten Nachkommen möglicherweise für längere Zeit im Ausland. Durch die  Aufgabe des inländischen Wohnsitzes droht indes die Aufdeckung stiller Reserven, soweit die Nachkommen eine Beteiligung von mindestens 1% an der Unternehmenskapitalgesellschaft halten (sogenannte Wegzugsbesteuerung im Sinne des § 6 Außensteuergesetz - AStG). 

Geringe Voraussetzungen für die Annahme eines Wegzugs – Beibehalten einer Wohnung im Elternhaus häufig unzureichend

Die Wegzugsbesteuerung wird durch die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht ausgelöst, was in der Regel mit einer Verlagerung des Wohnsitzes ins Ausland einhergeht. Wobei die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht die Aufgabe des Wohnortes und des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland voraussetzt. Die Voraussetzungen sind schnell erfüllt. Das Risiko ungeplant stille Reserven der Unternehmensbeteiligung zu realisieren ist hoch. Eine Sensibilisierung dafür, wie schnell bei Wegzug ins Ausland eine Besteuerung nach § 6 AStG ausgelöst sein kann, ist daher geboten. Der inländische Wohnsitz bleibt nicht allein deshalb bestehen, weil die elterliche Wohnung dem Nachkommen weiterhin zur Verfügung steht. Die Beziehung zum Elternhaus muss über die durch das Familienverhältnis begründete Beziehung hinausgehen (vgl. bereits BFH-Urteil vom 17.3.1961, VI 185/60 U, BStBl. III S. 298). Für die Frage, ob der inländische Wohnsitz fortbesteht, sind Kriterien wie die Dauer des Auslandsaufenthalts, Alter des Kindes, die Unterbringung im Ausland und im Elternhaus, die Häufigkeit und die Dauer der Aufenthalte im Inland, sowie die persönlichen Beziehungen im In- und Ausland in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Bei Auslandsaufenthalten, die von vornherein für einen begrenzten Zeitraum von bis zu einem Jahr geplant sind, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der inländische Wohnsitz beibehalten wird, sofern er vorher im Elternhaus lag. 

Neuerungen des § 6 AStG ab 01. Januar 2022

Die aktuelle Reform der Wegzugsbesteuerung verschärft deren Wirkungsweise. Ein Vergleich der Regelungen findet sich in der Anlage. Die wesentlichsten Aspekte sind:

Die bisherige Privilegierung bei einem Wegzug in EU-/EWR-Staaten in Form einer unbefristeten, zinslosen und ohne Sicherheitsleistung zu gewährenden Stundung entfällt nach dem ATAD-Umsetzungsgesetz. Bei einem Wegzug nach dem 1.1.2022 kommt es damit unabhängig vom Zuzugsstaat zu einer Zahlungspflicht (Besteuerung der im Zeitpunkt des Wegzugs vorhandenen stillen Reserven im Kapitalgesellschaftsanteil nach dem Teileinkünfteverfahren). Gegen Sicherheitsleistung – aber auch nur dann – kann die Zahlung der Wegzugsteuer zinslos über sieben Jahre gestreckt werden. Da der Besteuerung kein Zufluss von Liquidität gegenübersteht, muss die Steuer aus vorhandenem Vermögen bestritten werden, was in Bezug auf die Nachfolgegeneration häufig nicht ohne weiteres möglich sein dürfte. 

Im Rahmen von Aufenthalten im Ausland zu Ausbildungszwecken ist die sog. Rückkehrregelegung von großer Bedeutung. Bei Wiederbegründung der unbeschränkten Steuerpflicht durch (Rück-)Verlegung des Wohnsitzes (bspw. nach Beendigung des Auslandstudiums), entfällt die Besteuerung unter bestimmten Voraussetzungen rückwirkend. Auf Antrag kann im Fall der Rückkehrabsicht die Ratenzahlung ausgesetzt werden, was die Liquidität schont. Die Aussetzung der Ratenzahlung ist nur zu empfehlen, wenn mit einer Rückkehr tatsächlich zu rechnen ist, da andernfalls eine Verzinsung erfolgt.

Der Rückkehrzeitraum wurde von bisher fünf auf sieben Jahre verlängert, was längere Auslandsaufenthalte möglich macht. Sofern die Absicht zur Rückkehr weiterhin besteht, kann künftig auch ohne berufliche Gründe auf Antrag die Frist um weitere fünf Jahre verlängert werden. Allerdings: In der Neufassung des Gesetzes entfällt für Rückkehrer die Wegzugsbesteuerung nur, soweit keine Gewinnausschüttungen oder eine Einlagenrückgewähr von insgesamt mehr als 25 % des gemeinen Wertes i.S.d. § 6 Abs. 1 AStG n.F. erfolgt sind. Dies ist eine drastische Verschärfung zur bisherigen Regelung. Daher sollten bei umfänglichen Gewinnverwendungsbeschlüssen und Einlagenrückgewährungen stets die mit Kleinstanteilen beteiligten, im Ausland lebenden Gesellschafter im Blick behalten werden.

Praxishinweis

Ab dem 01. Januar 2022 wird durch das ATAD-Umsetzungsgesetz die Wegzugsbesteuerung des § 6 AStG deutlich verschärft, insbesondere entfällt die bisherige dauerhafte und zinslose Stundung der Steuer bei Wegzug in einen EU/EWR-Staat. Damit die neue Regelung nicht wie eine „Inlands-Fußfessel“ für junge Menschen mit Unternehmensanteilen wirkt, sollte bei der Unternehmensnachfolge die Wegzugsbesteuerung mit bedacht werden. 

Autoren: Thomas Schäffer, Victoria Kraß

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