Es ist ein Dauerbrenner des Betriebsverfassungsrechts: Der Auskunftsanspruch des Betriebsrates zu den Arbeitsentgelten der Arbeitnehmer. Nicht selten sind es gerade Arbeitnehmer, die nicht wollen, dass der Betriebsrat Informationen über ihre Arbeitsentgelte, insbesondere über leistungsabhängige Arbeitsentgelte, erhält. Deren Hoffnung liegt auf der Datenschutz-Grundverordnung. Aber diese Hoffnung wird wohl enttäuscht werden.

Geht es um das eigene Einkommen, neigt man hierzulande zur Diskretion. Das individuelle Arbeitsentgelt wird – insbesondere wenn es um Prämien, Provisionen oder sonstige Sonderzahlungen geht – in der Regel vertraulich behandelt. Insofern sind sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Regel einig. Als personenbezogene Daten sind individuelle Gehaltsdaten zudem datenschutzrechtlich geschützt und die rechtswidrige Übermittlung ist bußgeldbewehrt.

Betriebsverfassung geht vor Datenschutz?
Das Hessische Landesarbeitsgericht hatte jüngst darüber zu entscheiden, ob ein Betriebsrat – auch vor dem Hintergrund der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) – einen Anspruch auf Auskunft über Zulagen, Prämien, Gratifikationen, Provisionen oder sonstige Sonderzahlungen habe (Beschluss vom 10.12.2018, Aktenzeichen: 16 TaBV 130/18).

Einen solchen Anspruch hat das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG Hessen) auch unter Berücksichtigung der DS-GVO bestätigt. Der Betriebsrat könne diese Auskünfte auf Basis seines allgemeinen Unterrichtungsanspruchs nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG verlangen. Dies folge daraus, dass diese Angaben für die Durchführung seiner Aufgaben erforderlich seien. Zu den Aufgaben des Betriebsrates zähle nämlich, die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu überwachen. Um insofern auf die Herstellung innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit hinwirken zu können, benötige der Betriebsrat Kenntnis der effektiv gezahlten Vergütung.

Verhältnis zum Recht auf Einsicht in Lohn- und Gehaltslisten
Das LAG Hessen stellt dabei heraus, dass dieser Auskunftsanspruch nicht durch das Recht des Betriebsrates auf Einsicht in Bruttolohn- und Bruttogehaltslisten zu nehmen (§ 80 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 Betriebsverfassungsgesetz-BetrVG), verdrängt werde. Das Recht des Betriebsrates, Auskunft über einzelne Vergütungsbestandteile zu verlangen, komme der Einsicht in eine Bruttolohn- bzw. Bruttogehaltsliste nicht gleich, da die Auskunft nur auf einen abgrenzbaren Teil der Vergütung in Form einzelner Gehaltsbestandteile der Arbeitnehmer bezogen sei. Deshalb sei das Auskunftsrecht auch nicht nur auf die Einsicht in eine Unterlage beschränkt, sondern diese Auskunft müsse vom Arbeitgeber schriftlich erteilt werden. Die Form der Auskunftserteilung sei zwar in § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG nicht ausdrücklich geregelt, ein Arbeitgeber sei jedoch bei umfangreichen und komplexen Angaben regelmäßig gehalten, die Auskünfte schriftlich zu erteilen.

Damit weicht das LAG Hessen die Beschränkung auf „Einsicht“ in Listen über Bruttolöhne und -gehälter auf. Will der Betriebsrat sich nicht mit einer Einsicht in eine Liste zufrieden geben, sondern alle Informationen schriftlich erhalten, müsste er infolge der Auffassung des LAG Hessen nur mehrfach einzelne Vergütungsbestandteile abfragen.  

Kein Paradigmenwechsel durch die DS-GVO
Das LAG Hessen setzt sich ausführlich mit der Rechtslage nach Inkrafttreten der DS-GVO auseinander, stellt jedoch fest, dass die Regelungen der DS-GVO und die diese ergänzenden Bestimmungen zum Beschäftigtendatenschutz in § 26 des neuen Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) die Auskunftsansprüche des Betriebsrates nicht weiter einschränken, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Dies leitet das LAG Hessen insbesondere daraus her, dass nach § 26 Abs. 6 BDSG die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen der Beschäftigten weiterhin unberührt bleiben. Einer Datenweitergabe an den Betriebsrat stünde auch nicht der Grundsatz der Datenminimierung entgegen. Nicht vom LAG Hessen erwähnt wird, dass in § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG seit dem 28.05.2018 sogar ausdrücklich hervorgehoben wird, dass eine Verarbeitung von Beschäftigtendaten auch zur Ausübung oder Erfüllung der Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten zulässig ist. Insoweit besteht eine Rechtsgrundlage für die Offenlegung personenbezogener Entgeltdaten gegenüber dem Betriebsrat in Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. c DS-GVO i.V.m. § 26 Abs. 1 BDSG.

Interessant ist zudem, dass das LAG Hessen sich in der Entscheidung – wenn auch ohne nähere Begründung – zur Erläuterung seiner Auffassung ergänzend auf den Standpunkt stellt, dass der Betriebsrat selbst Teil des Arbeitgebers als Verantwortlichen i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DS-GVO sei, was durchaus kontrovers diskutiert wird. Da der Betriebsrat in die arbeitsvertragliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unmittelbar eingebunden sei, entspräche die Datenverarbeitung der Zweckbestimmung des Arbeitsvertrags, wenn der Umgang mit Arbeitnehmerdaten zur Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben erforderlich sei.

Die Entscheidung des LAG Hessen ist rechtskräftig. Eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht war ohne Erfolg. 

Fazit
Die Entscheidung zeigt auf, dass die DS-GVO grundsätzlich nichts daran ändert, dass Datenschutzinteressen der Betroffenen und deren Persönlichkeitsrechte zurückstehen müssen, wenn es für die Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrates nach dem BetrVG erforderlich ist.

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