Der EuGH legte in seinen Entscheidungen Courage/Crehan (20.09.200,1 C-453-99) und Manfredi (13.07.2006, C-295/04) fest, dass jedermann für den Schaden, der ihm durch wettbewerbshindernde Absprachen eines Kartells (vgl. Art. 101 oder 102 AEUV ) entstanden ist, Ersatz verlangen kann. Seit dieser Neuerung hat sich die Zahl der Schadensersatzklagen im Anschluss an ein Kartellordnungswidrigkeitenverfahren enorm erhöht. Das liegt insbesondere daran, dass die Zivilgerichte an die Feststellung des Kartellverstoßes durch die Kartellbehörden gebunden sind. Damit steht die Grundlage des Schadensersatzprozesses fest.

Ein Anspruch auf Schadensersatz besteht aber nach wie vor nur, sofern ein Schaden tatsächlich entstanden ist. Den Schaden zu beweisen stellt in der Praxis bereits eine Schwierigkeit dar. Noch schwieriger ist es, die konkrete Höhe des Schadens zu ermitteln. In einem Urteil vom 17.11.2015 (11 U 73/11) hat das OLG Frankfurt entschieden, dass zur Ermittlung des hypothetischen Marktpreises u. U. ein im Rahmen eines Kartellordnungswidrigkeitenverfahrens eingeholtes Gutachten eine eigenständige sachverständige Begutachtung ersetzen kann. Maßgeblich für die Verwendung sei allerdings stets eine Abwägung im Einzelfall.

Dies bedeutet für die Praxis eine erhebliche Erleichterung bei der Ermittlung des hypothetischen Marktpreises, da der Kläger meist nicht selbst an die nötigen unternehmensinternen Daten der Kartellanten herankommt. Der hypothetische Marktpreis ist der Preis, der unter Wettbewerbsbedingungen auf dem bestimmten Markt gelten würde. Aus diesem ergibt sich dann zusammen mit dem tatsächlich gezahlten Preis (gezahlter Preis abzüglich Rabatte, Skonti, etc.) am Ende die Schadenshöhe.

Allein aus dem Gutachten lässt sich der hypothetische Marktpreis in der Regel jedoch nicht bestimmen. Vielmehr sind dann zusätzliche Methoden erforderlich, wobei ein Teil der Werte stets nur geschätzt werden kann. Nach der Ansicht des OLG Frankfurt hätte das Gericht bei der Wahl der Schätzungsmethode zur Ermittlung des hypothetischen Marktpreises, sowie der vom Gericht mit einem Gutachten beauftrage Sachverständige, einen Ermessenspielraum. Anbieten würde sich eine Betrachtung der Marktpreise vor und/oder nach der Kartellbildung (Zeitreihenanalyse) oder der Vergleich mit einem ähnlich strukturierten Markt (Vergleichsmarktkonzept).

Praxistipp:

Durch die Änderungen in der Rechtsprechung und die neue Richtlinie 2014/104/EU, die bis zum Ende des Jahres von den EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss, wird die Möglichkeit verbessert einen durch Preisabsprachen entstanden Schaden ersetzt zu bekommen. Nach wie vor ist jedoch die Schadensberechnung mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Sofern Kartellabsprachen in einem bestimmten Bereich bekannt werden, sollten sich auch mittelbar Betroffenen in jedem Fall beraten lassen. Die Schadensersatzansprüche unterliegen der Verjährung und müssen schnell geltend gemacht werden.

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