Im Zuge der Umsetzung der Investmentfirm-Regulation (IFR) als unmittelbar geltende europäische Rechtsverordnung (EU 2019/2033) und des hiesigen Wertpapierinstitutsgesetzes (WpIG) hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nunmehr die Weichen für eine Befreiung sog. kleiner Wertpapierinstitute von den Liquiditätsanforderungen der IFR gestellt.

Mit aktuellen Rundschreiben vom 2. März 2023 hat die BaFin die Kriterien und Verfahrensabläufe normiert, nach denen sog. keine Wertpapierinstitute beantragen können, von den Liquiditätsanforderungen des IFR-Regimes befreit zu werden. Die BaFin setzt damit die Vorgaben des Artikel 43 Absatz 1 Unterabsatz 2 IFR und der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) für ein entsprechendes Befreiungsregime um. Als kleine Wertpapierinstitute werden in diesem Zusammenhang Wertpapierinstitute mit einer Erlaubnis nach Maßgabe des WpIG erfasst, soweit sich deren Erlaubnis auf einen lediglich eingeschränkten Kreis von Wertpapierdienstleistungen erstreckt. Hierzu gehören insbesondere die Wertpapierdienstleistungen der Anlage- und Abschlussvermittlung, der Anlageberatung, des Platzierungsgeschäfts, der Finanzportfolioverwaltung sowie eingeschränkte Arten von Kredit- bzw. Darlehensgewährungen und Devisengeschäfte.

Grundsätzlich keinen Anspruch auf die genannten Befreiungsregelungen haben hingegen sog. große und mittlere Wertpapierinstitute i.S.v. IFR und WpIG. Deren Erfassung als große und mittlere Wertpapierinstitute beruht im Wesentlichen auf einem Erlaubnisumfang, der sich insbesondere auf die Wertpapierdienstleitungen des Finanzkommissionsgeschäfts, des Emissionsgeschäfts, des Eigenhandels, der Verwahrung und Verwaltung von Finanzinstrumenten oder den Betrieb multilateraler oder organisierter Handelssysteme erstreckt.

Wertpapierinstitute, für die danach eine Befreiung von den Liquiditätskriterien in Betracht kommt, müssen einen schriftlichen Befreiungsantrag bei der BaFin stellen und die zuständige Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank entsprechend informieren. In diesem Rahmen hat das Wertpapierinstitut eine Reihe von Daten und Informationen beizubringen, die eine aufsichtsrechtliche Beurteilung zur Gewährung der beantragten Befreiung ermöglichen. Hierzu zählen namentlich eine Darstellung der institutsinternen Prozesse zur Sicherstellung einer angemessenen Liquiditäts- und Kapitalausstattung sowie ein Abwicklungsplan und Nachweise zu den dortigen Mittelzu- und –abflüssen. Liegen die materiellen Voraussetzungen für eine entsprechende Befreiung vor, erlässt die BaFin einen Befreiungsbescheid, der regelmäßig mit Auflagen und einem Widerrufsvorbehalt versehen sein dürfte. Bestehen spezifische Liquiditätsrisiken, so hat die BaFin einen Beurteilungsspielraum zur Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens und kann einen Befreiungsantrag ggf. auch abschlägig bescheiden. 

Praxistipp
Kleine Wertpapierinstitute sollten sich zeitnah mit den Voraussetzungen der nunmehr in die aufsichtsrechtliche Verwaltungspraxis überführten Befreiungsvorschriften vertraut machen, die dortigen Anforderungen anhand der relevanten Unternehmensgegebenheiten abgleichen und ggf. einen entsprechenden Antrag auf Befreiung von den Liquiditätserfordernissen des Investmentfirm-Regimes bei der BaFin stellen. – Für mittlere Wertpapierinstitute könnte die Besonderheit bestehen, zwar eine WpIG-Erlaubnis für den Eigenhandel und die Erbringung von Finanzkommissionsgeschäften zu besitzen, aber in diesen Geschäftsbereichen keine Erträge zu generieren. Beläuft sich deren sog. täglicher Handelsstrom („daily trading flow“) nämlich „auf Null“, hätte man es – abgesehen von der genannten Erlaubnis – materiell bzw. wertungsmäßig mit kleinen Wertpapierinstituten zu tun, so dass auch hier ggf. eine Befreiung von den in Rede stehenden Liquiditätsanforderungen in Betracht käme.

Ansonsten sei der Hinweis erlaubt, dass zahlreiche nachrangige Regelungswerke zum Investmentfirm-Regime von IFR und WpIG, das bereits Mitte 2021 materiell-rechtlich in Kraft getreten ist, noch immer nicht veröffentlicht worden sind und der Ausarbeitung der BaFin „harren“. Dies bezieht sich insbesondere auf die Mindestanforderungen für das Risikomanagement und die IT der Wertpapierinstitute sowie deren neues Anzeigewesen nebst Auslagerungs- und Vergütungsregime. 
 

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