Unternehmen achten in Lieferbeziehungen zunehmend selbstständig auf Verdachtsmomente, die auf ein Kartell zwischen Lieferanten hindeuten können („Monitoring“). Zeigen sich verdichtete Anhaltspunkte hierfür, ist eine zügige Anspruchsverfolgung sinnvoll, weil eine kurze Verjährung droht.
Der Beginn der dreijährigen Verjährung von Kartellschadensersatzansprüchen setzt unter anderem voraus, dass das geschädigte Unternehmen weiß oder ohne grobe Fahrlässigkeit wissen müsste, welche seiner Lieferanten konkret ein Kartell gebildet haben und ihm daher kartellbedingt überhöhte Preise in Rechnung stellen. Das Landgericht Frankfurt (Main) erinnert uns aktuell (3.8.2022, Az. 2-06 O 649/12, nicht rechtskräftig) daran, dass hierbei auch Erkenntnisse zu berücksichtigen sind, die das geschädigte Unternehmen im Rahmen eigener Überwachungsmaßnahmen erlangt hat. Obwohl geschädigte Unternehmen rechtlich zu solchen Überwachungs- oder Nachforschungsmaßnahmen in der Regel nicht gehalten sind, dürfen sie die Geltendmachung von Kartellschadensersatzansprüchen, die sich daraus ergeben, nicht auf die lange Bank schieben.
Kenntnisnahmemöglichkeit durch eigene Überwachungsmaßnahmen
Im entschiedenen Fall hatte das geschädigte Unternehmen verschiedene Quellen, aus denen sich Anhaltspunkte für ein kartellrechtswidriges und schädigendes Verhalten seiner Lieferanten ergaben. Hierzu zählten ein Monitoring der Lieferbeziehungen auf Auffälligkeiten, die auf ein Lieferantenkartell hindeuteten, die Feststellung über längere Zeit stabiler Lieferantenmarktanteile und deren Erfassung in einer Excel-Tabelle sowie weitere Korrespondenz, die Hinweise auf Lieferantenpreisabsprachen in der Vergangenheit enthielt und die die Rechtsabteilung des geschädigten Unternehmens geprüft hatte. Derart verdichtete Anzeichen für kartellrechtswidriges Verhalten auf Lieferantenseite dürfte in der Praxis jedenfalls die Vielzahl derjenigen Unternehmen haben können, die insoweit auf Auffälligkeiten achten.
Verjährungsrechtlich relevante grob fahrlässige Unkenntnis
Für die Frage, wann die Verjährung eines Kartellschadensersatzanspruchs beginnt, kommt es nicht darauf an, ob das geschädigte Unternehmen seine Kenntnis von Umständen, die auf kartellrechtswidriges Verhalten der Lieferanten hindeuten, durch die Erfüllung einer Überwachungspflicht erlangt hat oder hätte erlangen können, oder – sozusagen „überobligatorisch“ – durch eigenständige Überwachungsmaßnahmen. Schon dass die Möglichkeit zur Erlangung einer solchen Kenntnis entsteht, ist für die Verjährung beachtlich. Darauf, wie diese Möglichkeit entsteht und ob das geschädigte Unternehmen zur Schaffung dieser Kenntnisnahmemöglichkeit verpflichtet ist, kommt es nicht an. Maßgeblich ist allein, dass die Möglichkeit besteht, aussichtsreich (das heißt nicht: risikolos) Klage zur Anspruchsdurchsetzung zu erheben.
Scharfe Konsequenz: Verjährung
Geht das geschädigte Unternehmen hinreichenden Anhaltspunkten, die für kartellrechtswidriges Verhalten seiner Lieferanten sprechen, nicht rechtzeitig nach, droht die Verjährung von Kartellschadensersatzansprüchen innerhalb der dreijährigen Regelverjährung. Hieran lässt auch das Landgericht Frankfurt (Main) in seiner aktuellen Entscheidung Ansprüche des geschädigten Unternehmens scheitern, obwohl das Bundeskartellamt das Kartell mit Bußgeldbescheiden im Jahr 2012 bestandskräftig festgestellt und sanktioniert hatte.