Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in einer jüngeren Entscheidung (Urteil vom 15.11.2023 – 10 AZR 288/22) mit der Frage befasst und seine diesbezügliche Rechtsprechung bestätigt, ob ein Bonusanspruch – vorliegend in einer Betriebsvereinbarung – vollständig ausgeschlossen werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis während des Bezugszeitraumes endet.
Regelungsinhalt
Zusammenfassend hatte sich das BAG damit zu befassen, ob eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung wirksam war, die einen Bonusanspruch in Abhängigkeit von der Höhe des Geschäftsergebnisses vorsah. Der Bonusanspruch sollte jedoch nicht – auch nicht anteilig – entstehen, wenn das Arbeitsverhältnis während des Geschäftsjahres endet.
Interessenlage
Mit einer solchen Regelung bezweckt der Arbeitgeber, Fluktuation zu begrenzen, indem kein – und damit auch kein anteiliger – Anspruch auf den Bonus entsteht, wenn Mitarbeitende nicht während des gesamten Geschäftsjahres im Arbeitsverhältnis verbleiben.
Umgekehrt kann eine solche Regelung für jeweilige Mitarbeitende mit zunehmenden Verlaufe des Geschäftsjahres misslich sein, wenn sie ggf. bereits erhebliche Zeit des Geschäftsjahres im Arbeitsverhältnis standen und beispielsweise das Ausscheiden nur einen Monat vor Ende des Geschäftsjahres bewirkt, dass sie jeweilig vollständig „leer ausgehen“.
Entscheidung des BAG
Das BAG bestätigt seine bisherige Rechtsprechung (Urteil vom 07.06.2011 – 1 AZR 807/09; Urteil vom 05.07.2011 – 1 AZR 94/10), wonach auch Einmalzahlungen wie Boni oder Tantiemen zum Arbeitsentgelt zählen, das in unmittelbaren Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung steht (so genanntes Synallagma).
Dafür muss es sich nicht um eine Bemessung von Boni etc. handeln, die an individuelle Ziele und damit individualisierte Arbeitsleistung knüpft. Das BAG betrachtet auch an das Geschäftsergebnis (gewissermaßen als Betrachtung unter Einbeziehung der Summe aller Arbeitsleistungen) anknüpfende Leistungen wie Tantiemen als solches Arbeitsentgelt, das im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis steht.
Bei diesem, im Austauschverhältnis stehenden Arbeitsentgelt verdient der Arbeitnehmer stetig durch die Erbringung seiner Arbeitsleistung den anteiligen Anspruch auf die Einmalzahlung, die lediglich zu einem späteren Zeitpunkt insgesamt fällig wird. In der Folge nimmt das BAG an, dass eine Regelung, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses im gesamten Bezugszeitpunkt (z.B. Geschäftsjahr) verlangt, in das arbeitsvertragliche Austauschverhältnis (unzulässig) eingreift, wenn sie zu einem vollständigen Anspruchsverlust führt. Der Arbeitnehmer verliert hierdurch bereits (anteilig) erdientes Arbeitsentgelt.
Auch wenn bei Betriebsvereinbarungen nicht die strengen Maßstäbe einer AGB-Kontrolle nach § 305 ff. BGB gelten, sind Arbeitgeber und Betriebsrat dennoch gem. § 75 BetrVG an Gesetz und Recht und damit das in § 611 a Abs. 2 BGB geregelte Austauschverhältnis von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt gebunden. Eine entgegenstehende Vereinbarung in einer Betriebsvereinbarung ist – wie in einem Arbeitsvertrag – deshalb unwirksam.
Zulässig ist demgegenüber eine anteilige Bemessung der Einmalzahlung pro rata temporis anhand der tatsächlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses im Bezugszeitraum.
Keine Regel ohne Ausnahme
Eine Ausnahme erkennt das BAG unter Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung (Urteil vom 13.11.2013 – 10 AZR 848/12) an, wenn die Arbeitsleistung von Mitarbeitenden gerade in einem bestimmten Zeitraum vor einem Stichtag besonderen Wert hat.
Dies könnte beispielsweise anzunehmen sein bei Mitarbeitenden in Finanzabteilungen im zeitlichen Zusammenhang mit der Erstellung des Jahresabschlusses oder generell bei Saisonbetrieben etc.
Außerhalbe einer solchen – zu begründenden – Ausnahme wird ein insgesamter Anspruchsverlust bei unterjährigem Ausscheiden jedoch nicht in Betracht kommen.
Fazit
Arbeitgeber sollten bestehende Entgeltsysteme auf Vereinbarkeit mit den rechtlichen Gestaltungsgrenzen prüfen. Bei Eingriffen in das erdiente Arbeitsentgelt sind die Maßstäbe für die (strenge) Arbeitsvertragskontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB materiell teilweise als gesetzliches Leitbild über § 75 BetrVG in ähnlicher Weise für Betriebsvereinbarungen heranzuziehen.
Eine zulässige Gestaltung ist es, solche Leistungen insoweit (also anteilig) auszuschließen, wie sich Arbeitsverhältnisse in gekündigtem oder ruhendem Zustand befinden. Für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ist jedoch zudem die Sonderregelung des § 4 a EFZG zu bedenken, wonach bei Sondervergütungen eine Kürzung für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit im Bezugszeitraum nicht mehr als 25% des im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfallenden Arbeitsentgelts der jeweiligen Mitarbeitenden betragen darf.
Ein weiter gehender Anspruchsausschluss bedarf der Begründung anhand Besonderheiten, die gerade dem Arbeitsverhältnis in einem bestimmten Zeitraum besondere Bedeutung beimessen. Im Übrigen bleibt es nur möglich, Leistungen anteilig an den Bestand des Arbeitsverhältnisses (beispielsweise bei unterjährigem Eintritt oder Ausscheiden) oder Ruhenstatbestände zu knüpfen.