Cannabis wird zwar nicht erst seit dem 1. April 2024 konsumiert. Mit der Cannabislegalisierung zum Zwecke des Eigengebrauchs mit Wirkung ab dem 1. April 2024 rückt aber der Umgang mit Cannabis als Suchtmittel noch stärker in den Fokus der Öffentlichkeit und Arbeitgeber und stellen sich Fragen, wie mit Fällen von Cannabiskonsum am Arbeitsplatz und im Betrieb umgegangen werden muss.  (…)

Cannabiskonsum und Arbeitsschutz – Kein absolutes Verbot 
Im Arbeitsverhältnis gilt grundsätzlich kein absolutes Cannabisverbot. Der Arbeitgeber hat jedoch nach §§ 3 ff. ArbSchG alle notwendigen Maßnahmen zur Prävention von Unfällen zu treffen. Die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes werden durch die Unfallverhütungsvorschriften DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ (DGUV Vorschrift 1) konkretisiert, enthalten aber ebenfalls kein absolutes Suchtmittelverbot. 

Nur im Einzelfall kommen Cannabisverbote in Betracht, die für bestimmte sicherheitsrelevante Tätigkeiten teilweise jedwedes Tätigwerden unter Drogeneinfluss untersagen (z.B. in Gefahrenbetrieben). Darüber hinaus ist im Straßenverkehr weiterhin zu beachten, dass das Führen eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung von Cannabis eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG darstellt, sodass insoweit – auch nach Inkrafttreten des CanG – ein absolutes Cannabisverbot besteht. Der Grenzwert liegt nach der Rechtsprechung derzeit bei 1,0 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) pro Milliliter Blutserum, wobei unerheblich ist, ob der Fahrzeugführer Ausfallerscheinungen aufweist. Eine gesetzliche Erhöhung des Grenzwertes auf 3,5 Nanogramm THC in § 24a StVG wird diskutiert. Ansonsten sind der Besitz und der Konsum von Cannabis nach Maßgabe der gesetzlichen Einschränkungen grundsätzlich erlaubt, sofern keine entsprechenden Verbote aufgrund betrieblicher Regelungen gelten. Prinzipiell hat damit Cannabis dieselbe rechtliche Qualität wie Alkohol und sonstige Suchtmittel am Arbeitsplatz erlangt (zu Alkohol am Arbeitsplatz und den rechtlichen Rahmenbedingungen siehe Hoppe / Marek im Esche-Blog am 8. März 2023).

Relatives Cannabisverbot aus den DGUV-Vorschriften
Umgekehrt lässt sich ein relatives Cannabisverbot aus § 241 Abs. 2 BGB und § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 herleiten, wonach jeder Beschäftigte verpflichtet ist, sich nicht durch den Genuss von Alkohol oder sonstigen Suchtmitteln (einschließlich Cannabis) vor oder während der Arbeitszeit in einen Zustand zu versetzen, der eine ordnungsgemäße Erfüllung der Arbeitsleistung und der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten nicht mehr zulässt. Hier setzt auch § 7 DGUV Vorschrift 1 an. Danach dürfen Arbeitgeber Personen, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen. Das Beschäftigungsverbot wird in Nr. 2.6.2 der Erläuterungen des DGUV e. V. zu § 7 DGUV Vorschrift 1 konkretisiert, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, erkennbar unter Alkohol- oder Suchtmitteleinfluss stehende Beschäftigte im Regelfall unverzüglich vom Arbeitsplatz zu entfernen bzw. ihnen den Zutritt zum Arbeitsplatz zu verweigern. 

Die Gefahren durch Cannabis und andere Suchtmittel sind am jeweiligen Arbeitsplatz zu beurteilen. Diese sind, soweit erforderlich, in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Cannabiskonsum kann unter Umständen als Gefährdungs- und Belastungsfaktor eingestuft werden. Zu den bekannten Kurzzeitwirkungen, die je nach körperlicher oder geistiger Verfassung und der konsumierten Menge unterschiedlich stark ausgeprägt sein können, gehören u.a.

  • erhöhte Lichtempfindlichkeit; 
  • Euphorisierung; 
  • Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses; 
  • erhöhte Risikobereitschaft oder Gleichgültigkeit gegenüber Gefahren; 
  • verlängerte Reaktionszeit.

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sollte daher zukünftig neben Suchtmitteln wie Alkohol auch Cannabis berücksichtigt und es müssen geeignete und erforderliche Maßnahmen zur Vermeidung von Gefahren – wie etwa Verbote und Aufklärungsmaßnahmen – festgelegt werden. 

Mitbestimmung des Betriebsrats und Drogentests am Arbeitsplatz
Grundsätzlich kann der Arbeitgeber in Ausübung seines Weisungsrechts gem. § 106 S. 2 GewO ein absolutes Cannabisverbot im Betrieb anordnen und damit jeglichen Cannabiskonsum im Betrieb während der Arbeitszeit ebenso untersagen wie das Erscheinen unter Cannabiseinfluss zum Arbeitsbeginn. Die Ausübung des Weisungsrechts muss billigem Ermessen entsprechen. Im Einzelfall hat eine Abwägung mit der allgemeinen Handlungsfreiheit der Beschäftigten stattzufinden. In Betrieben mit gefahrengeneigter Tätigkeit ist ein absolutes Cannabisverbot eher vertretbar. In Betrieben oder Arbeitsbereichen ohne gefahrgeneigte Tätigkeiten bedarf es anderer sachlicher Gründe, die ein Cannabisverbot rechtfertigen. 

Besteht ein Betriebsrat, muss die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Ordnungsverhalten) und § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Arbeits- und Gesundheitsschutz) beachtet werden. Darüber hinaus hat der Betriebsrat gem. § 80 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG über die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften zu wachen und nach § 80 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu fördern. Betriebsvereinbarungen können eine wirksame Maßnahme sein, um den Umgang mit Cannabis und anderen Suchtmitteln am Arbeitsplatz zu regeln und Leitlinien der Prävention aufzustellen. Solche Betriebsvereinbarungen sind in der betrieblichen Praxis insbesondere im Zusammenhang mit Alkohol weit verbreitet und werden in aller Regel auch von den Betriebsräten als sinnvoll erachtet und in ihrer Umsetzung aktiv gefördert. Es bietet sich an, bestehende Betriebsvereinbarungen zum Thema Alkohol und sonstige Suchtmitte zu überprüfen, ob diese sich bereits auf Cannabis erstrecken oder angepasst werden sollten. 

Verpflichtende Drogentests können Arbeitgeber anlassunabhängig im Rahmen von Stichproben als auch im konkreten Verdachtsfall nicht einseitig anordnen. Ein Drogentest, vor allem durch Blutentnahme, greift erheblich in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ein und ist daher nur aufgrund gesetzlicher Ermächtigung zulässig. Im Rahmen von ärztlichen Eignungsuntersuchungen sind Drogentests daher nur in wenigen besonders gefährdeten Bereichen gesetzlich erlaubt. THC-Schnelltests können somit in der betrieblichen Praxis nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Arbeitnehmers durchgeführt werden. Dabei sollte auch die beschränkte Aussagekraft von Schnelltests beachtet werden. Bei Cannabiskonsum fehlen zudem die offensichtlichen Erkennungsmerkmale des übermäßigen Alkoholkonsums (z.B. die berühmte „Fahne“, ein schwankender Gang oder das sogenannte „Lallen“). Hinzu kommt, dass nach medizinischen Erkenntnissen die Wirkdauer von THC deutlich länger und individuell unterschiedlicher ist als bei Alkohol. Ein Konsum am Vorabend oder am Wochenende kann sich u. U. noch auf die anschließende Arbeitszeit am nächsten Morgen oder zu Wochenbeginn auswirken. Dies ist aber nicht zwingend. THC und sein Abbauprodukt lassen sich grundsätzlich in Speichel, Urin, Blut und Haaren nachweisen, jedoch länger als die tatsächliche Wirkung anhält. Ein aktuell bestehender Drogeneinfluss lässt sich hingegen nur durch einen Bluttest feststellen. Eine Dosis-Wirkung-Beziehung sowie ein Grenzwert, der auf eine verminderte Leistungsfähigkeit schließen lässt, existiert bislang – anders als beim Alkohol – nicht. 

Abmahnungen oder Kündigung bei Cannabiskonsum?
Kommt es im Einzelfall zu einem Verstoß gegen betriebliche Suchtmittelverbote, weil beispielsweise entgegen der betrieblichen Regelung im vorgesehenen Raucherbereich während der Pause gekifft wurde, stellt sich die Frage nach angemessenen Disziplinarmaßnahmen. Wie beim Alkoholkonsum ist zuvorderst festzustellen, ob der Arbeitnehmer oder Auszubildende sich in einen Zustand versetzt, der eine ordnungsgemäße Erfüllung der Arbeitsleistung und der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten nicht mehr zulässt. Daneben kann insbesondere im öffentlichen Dienst berücksichtigt werden, ob der Arbeitnehmer oder Auszubildende durch sein Konsumverhalten das Ansehen des Arbeitgebers beschädigt hat. Gerichtsentscheidungen zu Fällen mit Cannabismissbrauch sind bislang kaum vorhanden. Die Rechtsprechung zum Alkoholmissbrauch dürfte aber geeignete Maßstäbe bieten. In jedem Fall wird dabei die Nachweisbarkeit des Cannabiskonsums und die Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Arbeitnehmers den Arbeitgeber vor prozessuale Schwierigkeiten stellen. Die Wirkung von Cannabis auf den Einzelnen lässt sich nicht wie im Fall von Alkoholmissbrauch so eindeutig feststellen. Kommt es zu einem beobachteten Cannabiskonsum oder deutet das Verhalten auf einen Suchtmittelmissbrauch hin, sollten die beobachteten Tatsachen dokumentiert und ggf. Zeugen hinzugezogen werden, so dass für den Fall einer gerichtlichen Überprüfung Beweismittel zur Verfügung stehen. 

Daneben sollten Arbeitgeber im Rahmen der Arbeits- und Gesundheitsschutzstrategie auf präventive Maßnahmen setzen. Die Risiken von Suchterkrankungen oder des auch nur gelegentlichen Einflusses von Suchtmitteln am Arbeitsplatz können Gegenstand der regelmäßigen Arbeitssicherheitsunterweisung sein. Es können sich auch spezielle präventive Aufklärungskampagnen anbieten (z.B. für Auszubildende). Zudem sollten Beschäftigte sensibilisiert werden, dass der gesetzliche Unfallversicherungsschutz bei Konsum von Alkohol und sonstigen Drogen reduziert oder sogar vollständig entfallen kann.

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