Um eine Vergabesperre zu vermeiden und sich Chancen auf öffentliche Aufträge zu erhalten, greifen Unternehmen nach einem Complianceverstoß oft zum Mittel der „Selbstreinigung“. Was im Hinblick auf den für eine erfolgreiche Selbstreinigung gebotenen Schadensausgleich tatsächlich erforderlich ist, bedarf allerdings einer genauen Prüfung im Einzelfall. Nicht immer ist Schadensersatz zu leisten. 

Eine erfolgreiche vergaberechtliche „Selbstreinigung“ setzt neben einer aktiven Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und dem öffentlichen Auftraggeber bei der Sachverhaltsaufklärung und der Ergreifung wirksamer Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Complianceverstöße voraus, dass für den durch den Complianceverstoß verursachten Schaden ein Ausgleich geleistet wird. Nicht selten führt die Frage, ob und in welcher Höhe ein Schadensausgleich zu leisten ist, zu Streit zwischen Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern. Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (22.6.2022, Verg 36/21) macht jetzt deutlich, dass nicht in allen Fällen Schadensersatz zu leisten ist.

Strafbare Waffenausfuhr als Complianceverstoß

Im entschiedenen Fall ging es um die Frage, welche Maßnahmen ein Unternehmen zur „Selbstreinigung“ ergreifen musste, nachdem es in der Vergangenheit unter strafbarem Verstoß gegen das deutsche Außenwirtschaftsrecht Waffen nach Mexiko ausgeführt hatte. Ein Wettbewerber im Vergabeverfahren forderte, das betreffende Unternehmen dürfe nicht den Zuschlag erhalten, weil ihm keine wirksame „Selbstreinigung“ gelungen sei. Insbesondere habe es keinen Schadensausgleich geleistet.

Wofür ist ein Schadensausgleich zu leisten?

Für eine wirksame Selbstreinigung verlangt das Vergaberecht, dass der durch den Complianceverstoß verursachte Schaden auszugleichen ist. Damit ist zwar einerseits eine umfassende Schadensregulierung nötig. Dies gilt aber andererseits nur, soweit der Complianceverstoß tatsächlich einen ausgleichungsfähigen materiellen Schaden verursacht hat. Fehlt es an einem solchen Schaden, ist auch kein Schadensausgleich zu leisten. Dabei ist nicht pauschal zu unterstellen, dass jedes Fehlverhalten stets einen materiellen Schaden verursacht. Dies ist stattdessen im Einzelfall zu prüfen. Im rechtlichen Ausgangspunkt kommt es dabei darauf an, welche Schäden die verletzte Vorschrift verhindern soll. Das strafbewehrte Ausfuhrverbot, das im entschiedenen Fall verletzt worden war, soll nicht materielle Schäden vermeiden, sondern – vereinfacht gesagt – Frieden und äußere Sicherheit schützen. Seine Verletzung führt daher nicht zu einer Verpflichtung zum Schadensausgleich.

Praktisch eine leichte Entlastung für Unternehmen

Der hier angesprochene Gesichtspunkt ist eigentlich eher ein Randaspekt der Entscheidung, die ein Licht auf zahlreiche vergaberechtlich interessante Fragestellungen wirft. Gleichwohl ist er für die Praxis nicht unwichtig: Unternehmen dürfen Forderungen öffentlicher Auftraggeber nach einem – wie auch immer zu bemessenden – Schadensausgleich infolge vorangegangener Complianceverstöße grundsätzlich entgegenhalten, dass zunächst im Einzelfall festzustellen ist, ob das Fehlverhalten überhaupt einen ausgleichfähigen und -pflichtigen Schaden verursacht hat. Auch ein vollständiger Verzicht auf Schadensersatzleistungen ist somit nicht automatisch ein Hindernis für eine wirksame „Selbstreinigung“. Allerdings: Wenn es hierüber in einem Vergabeverfahren zum Streit kommt, ist es Sache des Unternehmens, seine erfolgreiche „Selbstreinigung“ nachzuweisen.
 

Dazu passende Artikel