Geschäftsgeheimnisse sind das Rückgrat vieler Unternehmen – ein gut gehüteter Schatz, dessen Verlust schwerwiegende wirtschaftliche Folgen haben kann. Doch sobald ein Streit vor Gericht landet, geraten diese sensiblen Informationen oft in Gefahr, offengelegt zu werden. Bisher bot das Zivilprozessrecht nur unzureichende Schutzmechanismen. Genau hier setzt das Justizstandort-Stärkungsgesetz an, das am 1. April 2025 in Kraft tritt. Insbesondere durch die Neuregelung des § 273a ZPO wird ein neuer Standard geschaffen, der Geschäftsgeheimnisse auch im Gerichtssaal effektiv schützt und Unternehmen ein Stück mehr Sicherheit gibt.
Status quo des Geheimnisschutzes nach dem GeschGehG
Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen wird maßgeblich durch das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) geregelt, das im Jahr 2019 in Kraft getreten ist. Es setzt die EU-Richtlinie 2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen um und hat erstmals eine eigenständige, umfassende gesetzliche Grundlage für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen geschaffen.
Der Begriff des Geschäftsgeheimnisses ist in § 2 Nr. 1 GeschGehG legaldefiniert. Demnach ist ein Geschäftsgeheimnis eine Information, (a) die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und (b) die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und (c) bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.
Nach den §§ 16 ff. GeschGehG kann ein Gericht in einer Geschäftsgeheimnisstreitsache auf Antrag einer Partei streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise als schutzbedürftig einstufen, sofern es sich dabei um ein Geschäftsgeheimnis handelt. Gibt das Gericht dem Antrag statt, unterliegen alle Verfahrensbeteiligten einer Geheimhaltungspflicht im und außerhalb des Verfahrens, auch über den Verfahrensabschluss hinaus. Bei Zuwiderhandlungen kann das Gericht Ordnungsmittel anordnen. Außerdem wird den Parteien ermöglicht, den Ausschluss der Öffentlichkeit oder Zugangsbeschränkungen im Rahmen der Gerichtsverhandlungen zu beantragen.
Solche Anträge sind bisher jedoch nur in ausdrücklich definierten Geschäftsgeheimnis-streitsachen zulässig, also in Verfahren, in denen Ansprüche direkt auf Grundlage des GeschGehG geltend gemacht werden. Gesetzlich erweitert wurde der Anwendungsbereich der §§ 16 ff. GeschGehG lediglich für Patentstreitverfahren (§ 145a PatG), Gebrauchsmusterstreitverfahren (§ 26a GebrMG) und Verfahren zum Schutz von Halbleitertopographien (§ 11 Abs. 3 HalblSchG).
Bedürfnis nach Geheimnisschutz im Arbeitsgerichtsprozess
Eine analoge Anwendung der §§ 16 ff. GeschGehG auf arbeitsgerichtliche Verfahren hat die Rechtsprechung bisher abgelehnt. Einen nur unzureichenden Schutz boten allein die Vorschriften §§ 172 Nr. 2, 174 Abs. 2 GVG, welche den Ausschluss der Öffentlichkeit von der mündlichen Verhandlung im Zivilprozess ermöglichen. Die Vorschriften gewährleisten jedoch keine Geheimhaltung von schriftsätzlich oder als Beweismittel vorgetragenen Geschäftsgeheimnissen.
Vor den Arbeitsgerichten sind jedoch häufig Verfahren anhängig, bei denen entweder ein Geschäftsgeheimnis selbst im Zentrum der Streitigkeit steht oder in denen ein solches zumindest im Zusammenhang mit anderen relevanten Umständen eine entscheidende Rolle spielt. Ein häufiger Fall wäre etwa eine Kündigungsschutzklage gegen eine verhaltensbedingte Kündigung, die der Arbeitgeber mit der unbefugten Nutzung von Geschäftsgeheimnissen begründen möchte. In solchen Fällen stehen Arbeitgeber oft vor der schwierigen Wahl: Entweder legen sie das Geschäftsgeheimnis offen, um ihre Position vor Gericht zu stärken, riskieren dabei jedoch, die Vertraulichkeit zu verlieren, oder sie bewahren das Geheimnis und verzichten damit möglicherweise auf den Erfolg im Verfahren – ein Dilemma, das als „disclose or lose it“-Problem bekannt ist.
Neue Regelung des § 273a ZPO
Die derzeitigen Regelungslücken zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen werden nun mit dem neuen § 273a ZPO geschlossen. Die Vorschrift tritt am 1. April 2025 in Kraft und lautet:
„Das Gericht kann auf Antrag einer Partei streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen, wenn diese ein Geschäftsgeheimnis nach § 2 Nummer 1 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen sein können; die §§ 16 bis 20 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen sind entsprechend anzuwenden.
Geschützt werden soll damit jede verfahrensbezogene Information, die eine Partei in das Verfahren einbringt, sofern diese einen Bezug zum Streitgegenstand hat.
Durch die Verweisungsnorm in § 46 Abs. 2 ArbGG wird § 273a ZPO auch für Arbeitsgerichtsprozesse anwendbar sein.
Praxishinweis
Die neue Regelung des § 273a ZPO beendet die Diskussionen um eine analoge Anwendung der Vorschriften des GeschGehG und bietet zukünftig einen umfassenderen Schutz von Geschäftsgeheimnissen in allen Zivilverfahren. Die Einführung der Norm stärkt vor allem die Rechtsposition der Arbeitgeber vor den Arbeitsgerichten und ist daher sehr zu begrüßen. Besonders hervorzuheben ist, dass § 273a ZPO rückwirkend auf bereits begonnene Verfahren Anwendung findet. Somit können auch in laufenden Prozessen Geschäftsgeheimnisse durch gerichtliche Anordnung geschützt werden.
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