Die Pflicht zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses ist eine der wichtigsten Pflichten des Testamentsvollstreckers. Das Gesetz sieht vor, dass der Testamentsvollstrecker das Nachlassverzeichnis unverzüglich nach Amtsannahme erstellen und dem Erben übermitteln muss. Doch was heißt das genau? Wie das OLG Düsseldorf in einer aktuellen Entscheidung klargestellt hat, kommt es – wie so oft – auf den Einzelfall an.

Die Bedeutung des Nachlassverzeichnisses 
§ 2215 BGB sieht vor, dass der Testamentsvollstrecker das Nachlassverzeichnis unverzüglich nach Amtsannahme erstellen muss. Dies ist deswegen so wichtig, weil allein der Testamentsvollstrecker über den Nachlass verfügen kann, nicht aber die Erben. Die Erben sind deshalb im Regelfall für eine genaue Kenntnis des Nachlasses auf das Nachlassverzeichnis angewiesen. Auch können sie nur anhand des Nachlassverzeichnisses später kontrollieren, ob der Testamentsvollstrecker seine Tätigkeit ordnungsgemäß ausgeführt hat oder z.B. Schadensersatzansprüche in Frage kommen. Deshalb gilt die Erstellung des Nachlassverzeichnisses als eine der zentralen Pflichten des Testamentsvollstreckers. Verletzt er diese, kann dies sogar seine Entlassung aus dem Amt zur Folge haben. 

Sachverhalt 
Mit näheren Einzelheiten der Pflicht des Testamentsvollstreckers zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses insbesondere in zeitlicher Hinsicht hat sich kürzlich das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 24.01.2023 – I-3 Wx 105/22) auseinandergesetzt. Im zugrundeliegenden Fall hatte die Erblasserin ihren Nachlass ihren beiden Enkeln zugedacht und Testamentsvollstreckung angeordnet. Zum Nachlass gehörten u.a. Immobilien und Unternehmensanteile. Der Testamentsvollstrecker gab sechs bzw. acht Wochen nach der Amtsannahme Sachverständigengutachten zur Bewertung einzelner Nachlassgegenstände in Auftrag und legte rund zweieinhalb Monate nach Amtsannahme das (später noch vervollständigte) Nachlassverzeichnis vor. Die Erben sahen in diesem Vorgehen grobe Pflichtverletzungen und beantragten die Entlassung des Testamentsvollstreckers aus dem Amt. 

Entscheidung des OLG
Zu Unrecht, entschied das OLG, und betonte, dass die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage des Nachlassverzeichnisses nicht bedeute, dass der Testamentsvollstrecker das Nachlassverzeichnis innerhalb weniger Wochen nach Amtsannahme vorlegen müsse. Bei der Frage, wie schnell das Nachlassverzeichnis erstellt werden muss, seien Umfang und Komplexität des Nachlasses und auch die persönlichen Verhältnisse des Testamentsvollstreckers, insbesondere z.B. beruflich bedingte Vorkenntnisse, zu berücksichtigen. Auch müsse einbezogen werden, wie zeitnah vom Testamentsvollstrecker unter Berücksichtigung seiner anderweitigen Verpflichtungen (z.B. beruflicher Art) ein Tätigwerden erwartet werden könne. Im Übrigen stelle auch eine vermeidbare zeitliche Verzögerung bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses nicht zwangsläufig einen Entlassungsgrund dar, da eine gewisse Schwere des Pflichtverstoßes zu fordern sei. Für sachliche Fehler des Nachlassverzeichnisses (hier: einige Nachlassgegenstände wurden erst später nachgetragen) gelte Entsprechendes; sie führten nur dann zu einer Entlassung, wenn sie Ausdruck einer grob nachlässigen oder gar böswillig fehlerhaften Amtsführung seien. All dies sei hier nicht anzunehmen. 

Einordnung der Entscheidung
Die Entscheidung orientiert sich an der Praxis, in der es ganz regelmäßig einiger Zeit bedarf, um den Nachlass und den Wert einzelner Nachlassgegenstände mit der entsprechenden Sorgfalt zu ermitteln. Die Vorlage eines Nachlassverzeichnisses binnen weniger Wochen nach der Amtsannahme ist gerade dann, wenn Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen, oft kaum möglich. Die Entscheidung belegt aber auch, dass sich Testamentsvollstrecker über den Umfang ihrer Pflichten informieren und sich bei fehlenden Vorkenntnissen im Zweifel dazu beraten lassen sollten, gerade weil die jeweiligen Anforderungen an ihre Amtsführung vom Einzelfall abhängen. Dass nach dem OLG auch die anderweitigen beruflichen oder sonstigen Verpflichtungen des Testamentsvollstreckers bei der Bestimmung seines Pflichtenprogramms zu berücksichtigen sind, bedeutet nicht, dass der Erstellung des Nachlassverzeichnisses eine gegenüber diesen sonstigen Verpflichtungen generell nachrangige Bedeutung zukommt. Der Testamentsvollstrecker sollte daher in jedem Fall möglichst kurzfristig alle erforderlichen Veranlassungen zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses treffen. Wenn die Erstellung des Nachlassverzeichnisses dann gleichwohl viel Zeit in Anspruch nimmt, kann es sinnvoll sein, den Erben bereits ein vorläufiges Verzeichnis zu übermitteln, was in der Praxis häufig geschieht. 

Die Bestimmung des maßgeblichen Zeitrahmens für die Vorlage des Nachlassverzeichnisses ist nur einer von vielen Aspekten im Recht der Testamentsvollstreckung, die erst durch die Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur konkretisiert werden. Für juristische Laien sind die Anforderungen einer Testamentsvollstreckung daher oft nicht einfach zu erkennen. Das gilt auch für die Erben, denen gegenüber dem Testamentsvollstrecker zusätzlich zum Anspruch auf Vorlage eines Nachlassverzeichnisses weitere Ansprüche zustehen können, z.B. auf Auskunft über die Amtsführung und Rechnungslegung, damit sie den Testamentsvollstrecker gerade bei längerfristiger Tätigkeit wirksam überwachen können. 

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