Anfang des Jahres hatte die Regierung den Referentenentwurf zum Bürokratieentlastungsgesetz IV vorgestellt und angekündigt, die deutsche Wirtschaft durch Bürokratieabbau um über drei Milliarden Euro entlasten zu wollen. Wesentlicher arbeitsrechtlicher Inhalt war, dass der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen nach dem Nachweisgesetz nicht mehr der wet ink, d.h. der eigenhändigen Unterschrift, bedürfen sollte. Es sollte stattdessen bereits die qualifizierte elektronische Signatur ausreichen. Die deutsche Wirtschaft war enttäuscht und entrüstet: Schließlich ist die praxisferne qualifizierte elektronische Signatur immer noch mit hohem Aufwand und Kosten verbunden und daher mitnichten eine Bürokratieentlastung. Nun hat der Bundesminister für Justiz am 21.03.2024 persönlich verkündet, dass der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen zukünftig per Email möglich sein soll und „Arbeitsverträge künftig vollständig einfach und digital abgeschlossen werden können, beispielsweise per Email“. Letzteres Versprechen ist fragwürdig.

Arbeitsverträge können grundsätzlich formfrei abgeschlossen werden. Eine mündliche Absprache oder die einfache Arbeitsaufnahme können vollkommen ausreichend sein, damit Rechten und Pflichten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber erwachsen. Allerdings gelten für bestimmte Inhalte des Arbeitsvertrages besondere Formerfordernisse. 

Schriftform: Elektronische Form ersetzt wet ink-eigenhändige Unterschrift
So bedarf es für wirksame Befristungen, darunter auch Rentenbefristungen, die in jedem Arbeitsvertrag als übliche Klausel enthalten sind, der Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Unter Schriftform versteht der deutsche Gesetzgeber eine wet ink – eigenhändige Namensunterschrift, die grundsätzlich durch die gleichwertige elektronische Form ersetzt werden kann, d.h. eine Namensnennung gemeinsam mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (q.e.S.; §§ 126 Abs. 1, 3, 126a BGB). Kann die eigenhändige Unterschrift nicht durch die elektronische Form ersetzt werden, so steht dies ausdrücklich im Gesetz – z.B. für Beendigungen von Arbeitsverhältnissen wie Kündigungen und Aufhebungsverträgen (§ 623 BGB), und bislang im NachweisG.

Viele Unternehmen nutzen elektronische Signaturen, aber nicht alle davon auch qualifizierte. Die q.e.S. bedarf einer besonderen Methode, die eine eindeutige Zuordnung und Identifikation durch einen Vertrauensdienstanbieter ermöglicht. Die vertrauenswürdigen Anbieter solcher Signaturen finden sich auf der Liste der Bundesnetzagentur. Auch wenn nicht zwingend eine Signaturkarte notwendig ist, weil cloudbasierte Signaturen zulässig sind, fallen die Kosten höher aus als für einen Kugelschreiber. 

Schriftform für Befristungen weiterhin erforderlich
Bislang ist immer noch nicht endgültig durch die Rechtsprechung bestätigt, ob die q.e.S. für eine Befristung ausreicht (vgl. ArbG Berlin v. 28.09.2021 – 36 Ca 15296/20). Selbst wenn, steht dem die Hürde der Technik entgegen: Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer müssen beide qualifiziert elektronisch unterzeichnen (§ 126a Abs. 2 BGB). Besonders für Arbeitnehmer ist die Nutzung der Technik nicht selbsterklärend. Zudem sind die beweisrechtlichen Anforderungen in einem etwaigen Rechtsstreit bei einer q.e.S. immer noch mit rechtlichen und tatsächlichen Unsicherheiten behaftet, was hingegen bei einer seit Jahrhunderten bewährten wet ink-eigenhändigen Unterschrift nicht der Fall ist.

Eine Rentenbefristungsklausel, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Fall vorsieht, dass der Arbeitnehmer mit dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ist zwar nicht zwingend, aber jedem Arbeitgeber dringend zu empfehlen. Für alle Arbeitgeber, die dieser Empfehlung folgen, bleibt es daher beim Schriftformerfordernis. Wer auf die Unsicherheiten der qualifizierten elektronischen Signatur verzichten will, muss daher bei der altbewährten wet ink- eigenhändigen Unterschrift bleiben. 

Dies gilt genauso für sämtliche Arbeitgeber, die grundsätzlich sachgrundlos oder mit Sachgrund befristete Arbeitsverträge abschließen. Das Risiko eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses sollte unbedingt vermieden werden.

Schriftform für nachvertragliche Wettbewerbsverbote weiterhin erforderlich
Hinzu kommen all jene Arbeitgeber, die nachvertragliche Wettbewerbungsverbote abschließen: Hier ist immer noch streitig, ob die elektronische Form in Form einer q.e.S. verwendet werden darf, da die Urkunde gemäß § 74 Abs. 1 HGB übergeben werden muss. Auch hier ist aufgrund der erheblichen Risiken dringend zu empfehlen, die wet ink-eigenhändige Unterschrift zu verwenden und Urkunde körperlich zu übergeben.

Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in Textform
Seit dem 01.08.2022 gilt nach dem Nachweisgesetz, dass die wesentlichen Vertragsbedingungen unbedingt per wet ink- eigenhändiger Unterschrift unterzeichnet werden müssen, bevor sie dem Arbeitnehmer übermittelt werden. Bei einer Verletzung der Nachweispflichten drohen Bußgelder von bis zu EUR 2.000,00 (§ 4 NachweisG). Die meisten Arbeitgeber haben hierauf reagiert und verschiedene Lösungen gewählt. Manche nehmen die Bedingungen direkt in den Arbeitsvertrag auf, andere setzen ein separates Schreiben auf.

Wer als Arbeitgeber bislang die wesentlichen Vertragsbedingungen nach dem Nachweisgesetz in seinem Arbeitsvertrag inkorporiert hat und diesen ohnehin schriftlich mit wet ink-eigenhändiger Unterschrift abschließt, für den ändert sich nichts.

Wer trotz der oben genannten Risiken seinen Arbeitsvertrag elektronisch oder digital, ob mit oder ohne q.e.S. abschließt und ein extra Schreiben für den Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen mit wet ink-eigenhändiger Unterschrift aufsetzt, der spart zukünftig den letzteren Schritt. Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen kann zukünftig für diese Arbeitgeber direkt gemeinsam mit dem digitalen bzw. elektronischen Abschluss des Arbeitsvertrages erfolgen – es bleibt aber dabei, dass etwaige Befristungsklauseln oder nachvertraglicher Wettbewerbsverbote formunwirksam sind, vor allem, wenn noch nicht einmal eine q.e.S. verwendet wurde. Dieses Risikos sollten sich Arbeitgeber bewusst sein.

Weitere geplante Voraussetzungen für die Textform nach dem NachweisG
Die Freude über die frohe Kunde des Justizministers wird durch weitere Einschränkungen getrübt. Was den Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen nach dem Nachweisgesetz angeht, so sind bislang nur Pressemitteilungen der Regierung sowie das Rundschreiben an die Verbände vom 21.03.2024 bekannt. In letzterem heißt u.a.

…Konkret soll im Nachweisgesetz künftig der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in Textform ermöglicht werden, sofern das Dokument für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält…. Nur wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dies verlangen, muss der Arbeitgeber ihnen einen schriftlichen Nachweis zur Verfügung stellen. Lediglich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in einem Wirtschaftsbereich oder Wirtschaftszweig nach § 2a Absatz 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes tätig sind, soll die Schriftform bei der Nachweiserteilung erhalten bleiben….

Es stellt sich die Frage, wie der Übermittlungs- und Empfangsnachweis auszusehen hat. Unstreitig hat jeder Arbeitgeber ohnehin ein eigenes Interesse, die Übermittlung beweisen zu können. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber keine praxisfernen Vorgaben macht, sondern etwa die Lesebestätigung bei einer Email oder den Downloadnachweis oder das Öffnen bei einem elektronischen Personalverwaltungssystem ausreichen lässt.

Eine definitive Hürde ist, dass es beim schriftlichen Nachweis bleiben soll, sofern der Arbeitnehmer dies verlangt. Hier ist die Frage, ob mit „schriftlich“ nur die wet ink- eigenhändige Unterschrift oder auch die ersetzende q.e.S. gemeint sein wird. Es ist damit zu rechnen, dass einzelne Arbeitnehmer auf dem schriftlichen Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen bestehen werden. 

Jedenfalls für Arbeitnehmer, die in einem Bereich bzw. Wirtschaftszweig nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz tätig sind, soll die Schriftform bei der Nachweiserteilung erhalten bleiben. Da bislang die elektronische Form nach dem Nachweisgesetz grundsätzlich und nach dem bisherigen Referentenentwurf für diesen Bereich explizit ausgeschlossen ist, ist dies so zu verstehen, dass für Arbeitgeber in den genannten Bereichen also weiterhin die wet ink-eigenhändige Unterschrift notwendig sein wird.

Textform für Verträge über Arbeitnehmerüberlassung
Der neue Gesetzesentwurf soll laut dem Bundesminister für Justiz auch vorsehen, dass das Schriftformerfordernis für den Überlassungsvertrag zwischen Ver- und Entleiher nach § 12 Absatz 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) durch die Textform abgelöst werden wird. Damit können Überlassungsverträge künftig per Email angeschlossen werden. Dies soll Aufwand und Kosten für Ver- und Entleiher, insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen reduzieren.

Bisheriger Referentenentwurf: u.a. Zeugnis in elektronischer Form
Soweit ersichtlich, bleibt es im Übrigen bei den bereits im Gesetzesentwurf vorgesehenen Änderungen. Dazu zählt, dass das Zeugnis zukünftig in elektronischer Form erteilt werden kann (Gesetzänderungen in § 630 BGB, § 109 Abs. 3 GewO). Dies gilt aber nur, wenn der Arbeitnehmer bzw. der Bedienstete einwilligen. Aufgrund dessen, dass die q.e.S. noch nicht weit verbreitet ist und insbesondere bei Zeugnissen die wet ink- eigenhändige Unterschrift üblich ist, ist nicht damit zu rechnen, dass die Option praxisrelevant wird.
Zudem sollen der Antrag auf Elternzeit, Verringerung der Arbeitszeit sowie die Ablehnung des Antrags im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz zukünftig in Textform statt Schriftform möglich sein.

Ausblick
Der konkrete Gesetzesentwurf und dessen Ausgestaltung bleiben abzuwarten. Der vom Kabinett am 13.03.2024 beschlossene Gesetzesentwurf muss nun noch redigiert und dann von Bundestag und Bundesrat abschließend beraten werden. Arbeitgeber sollten ihre Praxis mindestens darauf prüfen, ob die genannten Risiken bzgl. Befristungsklauseln und nachvertraglichen Wettbewerbsverboten ausreichend gewürdigt wurden. Das Nachweisgesetz und die darin verankerte Schriftform in Form der wet ink-eigenhändigen Unterschrift gilt bis zur Gesetzesänderung unverändert weiter. Was die angedrohte Strafe bei Verstößen angeht, fehlt es bislang allerdings immer noch an einer zuständigen Behörde, die die Einhaltung der Vorgaben überprüft.

Was die Beendigung von Arbeitsverhältnissen angeht, bleibt es auf absehbare Zeit dabei, dass die wet ink-eigenhändige Unterschrift erforderlich bleibt.

Links: 

Zitat des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann, zur Einigung der Änderung des Nachweisgesetzes 

Liste der vertrauenswürdigen Anbieter von q.e.S. der Bundesnetzagentur

Gesetzesentwurf und weitere Unterlagen zum Gesetzgebungsverfahren Bürokratieentlastungsgesetz IV
 

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