Der jüngst vorgestellte Referentenentwurf eines Zukunftsfinanzierungsgesetzes (ZuFinG) sieht eine für hiesige Verhältnisse neuartige Möglichkeit vor, Unternehmen im Wege der „Zwischenschaltung“ einer Börsenmantelgesellschaft an die Börse zu bringen. Ähnliche Zweckgesellschaften in der Form sog. SPACs (Special Purpose Acquisition Company) sind nach Maßgabe anderer Rechtsordnungen – insbesondere nach US-amerikanischem Recht – schon seit längerem am Markt etabliert. Das deutsche Aktien- bzw. Gesellschaftsrecht zieht hier nunmehr nach.

Grundzüge des neuen Rechts
Mit der Gründung einer Börsenmantel- oder Zweckgesellschaft wird das Ziel verfolgt, durch deren Börsengang Kapital zu generieren, das dann zum Erwerb einer bislang nicht börsennotierten Gesellschaft – dem eigentlichen aufstrebenden Wachstumsunternehmen – und „für dessen IPO“ verwendet wird. Vor diesem Hintergrund ist der Unternehmensgegenstand der Zweckgesellschaft eng begrenzt auf die Verwaltung eigenen Vermögens, die Vorbereitung und Durchführung ihres eigenen Börsengangs sowie die Vorbereitung und Abschluss der Zieltransaktion. Als Zieltransaktion gilt dabei die Übernahme des Wachstumsunternehmens bzw. der Zielgesellschaft – sei es durch Erwerb der Anteile, sei es im Wege einer übertragenden Umwandlung. Zwingend vorgesehen ist auch, dass die Zweckgesellschaft den Begriff „Börsenmantelaktiengesellschaft“ (ggf. in abgekürzter Form) bis zur Beendigung der Zieltransaktion in ihrem Namen bzw. der Firma führt. Die Gründer und der Vorstand der Börsenmantelgesellschaft gelten dabei als sog. Initiatoren (nach SPACs-Recht: „Sponsoren“) und sind mit bestimmten eigenen – teilweise eingeschränkten – Rechten und Pflichten ausgestattet. Das entsprechende Regelwerk für Börsenmantelaktiengesellschaften bildet einen neuen Abschnitt im Börsengesetz (Abschnitt 4a, §§ 44 ff. BörsG) und geht den Vorschriften des Aktiengesetzes vor, die insoweit nur ergänzend heranzuziehen sind.

Unabdingbar im Rahmen der Errichtung der Börsenmantelaktiengesellschaft ist weiterhin die satzungsgemäße Festlegung einer Frist, binnen derer die genannte Zieltransaktion durchzuführen ist. Diese Frist muss zwischen 24 und 36 Monaten liegen – gerechnet vom Börsengang der Zweckgesellschaft an den regulierten Markt – und kann durch satzungsändernden Beschluss ggf. verlängert werden. Ist es innerhalb der festgesetzten Frist zu der Zieltransaktion gekommen, gelten fortan die gängigen Regelungen des Aktiengesetzes und auch der genannte Firmierungszwang entfällt. – Kommt die geplante Zieltransaktion hingegen nicht zustande, kann die Zweckgesellschaft mit einer Drei-Viertel-Mehrheit als Aktiengesellschaft fortgeführt werden; erforderlich ist dann ein Widerruf der Börsenzulassung sowie die Abgabe eines Kaufangebotes an die Aktionäre nach Art des Delisting-Regimes. Wird hingegen von einem Fortsetzungsbeschluss abgesehen, wird die Gesellschaft aufgelöst bzw. liquidiert und das beim Börsengang generierte Kapital an die Aktionäre ausgekehrt.

Publikationsmäßig ist weiterhin ein Börsenzulassungsprospekt der Börsenmantelaktiengesellschaft bei deren Börsengang sowie ein mit diesem im Wesentlichen kompatibler späterer Zieltransaktionsbericht im Hinblick auf die Beschlussfassung der Hauptversammlung zur Durchführung des Unternehmenserwerbs erforderlich. Die genannte Beschlussfassung wiederum bedarf einer Drei-Viertel-Mehrheit. Aktionären, die die Beschlussfassung nicht mittragen, steht ein Andienungsrecht bzw. die Möglichkeit der Veräußerung ihrer Aktien an die Zweckgesellschaft zu; hier wird mithin das ansonsten bestehende Verbot der Einlagenrückgewähr außer Kraft gesetzt. Weiterhin sieht das neue Recht die Einschaltung eines Treuhänders für die Entgegennahme von Zahlungen auf die Einlagenverpflichtung und auf die Verpflichtung zur Zahlung eines etwaigen Aufgeldes vor. 

Ausblick und Praxistipp
Die Vorbereitung und Durchführung eines Börsenganges unter Einschaltung einer Börsenmantelaktiengesellschaft dürfte für zahlreiche Unternehmen ein interessantes Vehikel zur Eigenkapitalbeschaffung darstellen. Sollte ein solches Vorgehen eine realistische Handlungsoption darstellen, dürfte es sich für die betreffenden Unternehmen empfehlen, mit dem „Einstieg in die Materie“ auch nicht bis zum endgültigen Inkrafttreten des neuen Rechts zu warten, sondern schon frühzeitig entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Auch wenn sich im weiteren Gesetzgebungsverfahrens des ZuFinG noch weitere graduelle Änderungen ergeben dürften (sinnvoll wäre beispielsweise eine Erstreckung des neuen Rechts auf die Gesellschaftsform der SE), ist fest davon auszugehen, dass die Börsenmantelaktiengesellschaft „kommt“ und das hiesige Kapitalmarktgeschehen auch nachhaltig beleben dürfte. 
 

Dazu passende Artikel