Im Rahmen von Stellenausschreibungen ist darauf zu achten, dass sich bewerbende Personen nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden. Die Grenze einer Benachteiligung ist nicht immer eindeutig. So hat das Arbeitsgericht Koblenz kürzlich entschieden, dass die Bezeichnung „coole Typen“ in einer Stellenausschreibung keine Benachteiligung wegen des Geschlechts darstellt (ArbG Koblenz, Urt. v. 09.02.2022 – 7 Ca 2291/21). Sofern jedoch z. B. ausschließlich maskuline oder feminine Formen von Berufsbezeichnungen verwendet werden, kann dies ein Indiz für eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts darstellen.
Hintergrund
Mit dem „Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben“ wurde das Personenstandsgesetz (PStG) angepasst und damit die Entscheidung des BVerfG vom 10. Oktober 2017- 1 BvR 2019/16 umgesetzt. Damit ist es seit 2019 amtlich, dass neben männlich und weiblich im Geburtenregister auch die Option „divers“ als Geschlecht eingetragen werden kann, § 22 Abs. 3 PStG. Seitdem haben Menschen, die wegen einer Variante ihrer Geschlechtsentwicklung biologisch weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden können, die Möglichkeit, im Geburtenregister neben den bekannten Angaben, die vom BVerfG geforderte weitere positive Bezeichnung zu wählen – nämlich „divers“.
Bedeutung für die arbeitsrechtliche Praxis
Diese Änderungen haben spürbare Auswirkungen auf das Arbeitsrecht. Seit der Gesetzesänderung müssen in Stellenausschreibungen nunmehr neben Männern und Frauen auch Personen angesprochen werden, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, um eine Diskriminierung i.S.d. § 1 AGG zu vermeiden. Denn gem. § 22 AGG gilt eine Beweislastumkehr, d. h. wenn ein Arbeitnehmer in einem Gerichtsprozess Indizien beweist, die eine Benachteiligung vermuten lassen, so trägt die Arbeitgeberseite die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das AGG vorgelegen hat. Der Arbeitgeber muss somit darauf achten, Stellen geschlechtsneutral auszuschreiben, um keine Vermutungstatsachen für eine Benachteiligung zu schaffen.
Die geschlechtsneutrale Stellenausschreibung
Es bleibt daher die Frage, wie die geschlechtsneutrale Stellenausschreibung in der Praxis gelingt. Um dem Problem konsequent aus dem Weg zu gehen, können anstelle von geschlechterspezifischen Stellenbezeichnungen allgemeine Begrifflichkeiten in der Stellenanzeige verwendet werden („Bürokraft“). Auch besteht weiterhin die Möglichkeit der Verwendung eines Klammerzusatzes (m/w/d). Um die in der Praxis vermehrt auftretenden Verwechslungen hinsichtlich des Zusatzes „d“ zu vermeiden (männl./weibl./deutsch?), wird dieses vielfach auch ausgeschrieben (m/w/divers).
Für eine geschlechtsneutrale Stellenausschreibung unter Berücksichtigung des dritten Geschlechts ist allerdings auch die Verwendung des Doppelpunktes oder des Gendersternchens rechtmäßig („Bauarbeiter*innen“). So hat etwa das LAG Schleswig-Holstein (Urt. v. 22.06.2021 – 3 Sa 37 öD/21) entschieden, dass sich bei Verwendung eines Gendersternchens eine Stellenanzeige in ihrer gesamten Ausdrucksweise an alle Personen unabhängig vom Geschlecht richtet. Das Gendersternchen, so das LAG, diene gerade einer geschlechtersensiblen und diskriminierungsfreien Sprache und sei auf eine Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung zurückzuführen.
Das bedeutet für die Praxis, dass eine Ausschreibung geschlechtsneutral ist, wenn
- die Geschlechtsbezeichnung in weiblicher, männlicher Form und diverser Form verwendet wird („m/w/divers“) oder
- ein geschlechtsunabhängiger Oberbegriff verwendet wird („Tätigkeit im Verkauf“) oder
- das sog. Gendersternchen oder der Genderdoppelpunkt verwendet wird.
Zulässigkeit unterschiedlicher Behandlung nur in Ausnahmefällen
Die unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts bleibt allerdings weiterhin in sehr engen Ausnahmefällen zulässig, sofern nach § 8 Abs. 1 AGG wesentliche und entscheidende unterschiedliche berufliche Anforderungen dies erlauben. Unproblematisch sind daher die Fälle, in denen ein bestimmtes Geschlecht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen zwingende Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit ist. So versteht es sich von selbst, dass ein Versandhändler, der in seinem Versandkatalog Damenbademode präsentiert, dafür auch nur weibliche Models einstellen darf (vgl. LAG Köln, Beschluss v.19.07.1996 - 7 Sa 499/96). Anerkannt ist weiterhin eine Differenzierung nach dem Geschlecht, wenn es auf die Wahrung der Intimsphäre oder des Schamgefühls Dritter ankommt, so z. B. bei einer Nachtaufsicht in einem Mädcheninternat. Es bleibt allerdings dabei, dass es sich hierbei um einen Ausnahmetatbestand handelt, der stets restriktiv anzuwenden ist.
Handlungsempfehlung und Praxistipps
Arbeitgeber sollten bei der Formulierung von Stellenausschreibungen besondere Sorgfalt walten lassen. Neben drohenden Schadensersatzklagen sollte auch der immaterielle Schaden in Form einer Rufschädigung des Unternehmens im Falle einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung nicht unterschätzt werden. Daher sollten Stellenausschreibungen sehr gründlich formuliert und auf unzulässige Kriterien überprüft werden. Der gesamte Bewerbungsvorgang sollte zuverlässig dokumentiert werden. Da der abgelehnte Bewerber nach § 15 Abs. 4 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten einen etwaigen Schadensersatzanspruch schriftlich geltend machen muss und nach § 61 b Abs. 1 ArbGG innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten die Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG geltend machen muss, sind die Unterlagen einer abgelehnten Bewerbung längstens sechs Monate ab Zugang der Ablehnung beim Bewerbenden aufzubewahren und sind nach Ablauf der Frist vollständig zu löschen.
Autorinnen: Martina Dierks , Esra Karagün