Die listige Unterlassungserklärung
Gibt der Verletzer eine eigene Unterlassungserklärung ab und erweckt gleichzeitig in einem Begleitschreiben den Eindruck, sämtliche Beanstandungen des Abmahnenden vorbehaltlos zu akzeptieren, kann aus der einer vorangegangenen Abmahnung begründeten wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung eine Aufklärungspflicht folgen, inwieweit der Verletzer hierdurch seine Unterlassungspflichten – stillschweigend und insofern womöglich auf eine gewisse Art und Weise „listig“ – abweichend von den üblichen Gepflogenheiten begrenzen will (OLG Hamm, Urteil v. 01.06.2023, Az. 4 U 225/22). 

Worum geht es?
Der Kläger hat die Beklagte abgemahnt. Konkret geht es um die aus Sicht des Klägers wettbewerbswidrige Bewerbung bestimmter Elektrogeräte ohne Angabe der Energieeffizienzklasse und ohne Angabe des jeweiligen Spektrums der auf dem Etikett verfügbaren Energieeffizienzklassen. Die Beklagte verpflichtete sich daraufhin, es zu unterlassen, die Elektrogeräte wie in der streitgegenständlichen Anzeige abgebildet, zu bewerben. In dem anwaltlichen Begleitschreiben ließ die Beklagte erwidern, es handele sich um ein mittlerweile korrigiertes Versehen. Deshalb bedürfe „es auch keiner weiteren rechtlichen Diskussion dazu“, dass die vom Kläger „beanstandeten Angaben bei den beanstandeten Küchen ebenfalls angegeben werden.“

Im Rahmen eines Folgeverstoßes fordert der Kläger die Leistung einer Vertragsstrafe, weil die Beklagte auf dem Etikett eines anderen Elektrogerätes das Spektrum der verfügbaren Effizienzklassen nicht angeben habe. Die Beklagte ist der Ansicht, dass eine Vertragsstrafe nicht aus der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung folge. Denn zum Zeitpunkt der Abgabe der Unterlassungserklärung sei die Angabe des Spektrums keine gesetzliche Pflicht gewesen und der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung ließe sich eine solche (vertragliche) Pflicht ebenfalls nicht entnehmen.

Entscheidung
Das Gericht gibt dem Kläger recht.

Aus der im anwaltlichen Schreiben enthaltenen Unterlassungserklärung ergäbe sich insoweit keinerlei Einschränkung. Im Gegenteil vermittelten die die eigentliche Unterlassungserklärung einleitenden, „jovial anmutenden Formulierungen“ (siehe oben), den Eindruck, dass die Beklagte sämtliche Beanstandungen des Klägers vorbehaltlos akzeptiere und seinem Begehren vollumfänglich nachkomme. 

Praxistipp/Fazit
Die Formulierung und Auslegung des Umfangs einer strafbewehrten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungserklärung sind regelmäßig problematisch. Einerseits muss „als Minimum“ der konkret zu unterlassenden Sachverhalt erfasst werden, um die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Andererseits werden regelmäßig auch „kerngleiche“ Verstöße erfasst. Da es sich insoweit um einen zweiseitigen (Unterlassungs-)vertrag handelt, ist der wirkliche Wille beider Vertragsparteien maßgeblich (§§ 133, 157 BGB). In einem Unterlassungsvertrag kann sich der Verletzer auch „freiwillig“ über das gesetzlich erforderliche Maß hinaus zur Unterlassung verpflichten.

Im vorliegenden Fall war die Unterlassungserklärung zusammen mit dem anwaltlichen Begleitschreiben vom objektiven Empfängerhorizont des Klägers nur so zu verstehen, dass beide abgemahnten Verstöße erfasst sein sollten; und zwar unabhängig davon, ob insoweit eine korrespondierende gesetzliche Unterlassungspflicht bestand.

In Ansehung der durch eine Abmahnung entstehenden wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung eigener Art und den damit einhergehenden Pflichten zur Aufklärung ist es – wie das Gericht zutreffend ausführt –  nicht Aufgabe des Klägers, darüber zu spekulieren, inwieweit der Verletzer durch eine vom Entwurf abweichende Unterwerfungserklärung seine Unterlassungspflichten – stillschweigend und insofern womöglich auf eine gewisse Art und Weise „listig“ – abweichend von den üblichen Gepflogenheiten begrenzen wollte. Vielmehr obliegt es dem Verletzer im Rahmen seiner Aufklärungspflicht, dies zur Vermeidung unnötiger Kosten eindeutig zu kommunizieren.
 

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