Sofern man in seinem Testament einen Testamentsvollstrecker einsetzt, der für seine Tätigkeit eine Vergütung erhalten soll, sollte die Vergütung möglichst genau geregelt sein. Auch bei der Bezugnahme auf eine Vergütungstabelle, ist eine genaue Bezeichnung der Tabelle dringend zu empfehlen. Ein Beschluss des Oberlandesgericht München vom 21.06.2021 (33 U 1651/21) zeigt, dass sich ein Erblasser nicht auf eine lebensnahe Testamentsauslegung durch die Gerichte verlassen sollte.
Vergütung des Testamentsvollstreckers
Nach § 2221 BGB kann der Testamentsvollstrecker für die Führung seines Amts eine angemessene Vergütung verlangen, sofern der Erblasser nicht ein anderes bestimmt. Wenn ein Erblasser in seinem Testament Vorgaben für die Vergütung aufgenommen hat, sind diese in aller Regel gültig. Sollten jedoch keine Bestimmungen zur Vergütung enthalten sein, beginnt für den Testamentsvollstrecker und die Erben die Ungewissheit. Denn über das, was „angemessen“ ist, gehen die Meinungen naturgemäß weit auseinander. Von Fixbeträgen über Prozentbeträge des Bruttonachlasses bis zum Zeithonorar wird nahezu jede Vergütungsform vertreten. Als Vergütungsvorschläge wurden insbesondere verschiedene private Tabellen entwickelt, die zwar für die Beteiligten nicht verbindlich sind, aber hilfreiche Leitlinien darstellen und häufig auch von den Gerichten akzeptiert werden. Die prominenteste Tabelle dürfte lange Zeit die „Rheinische Tabelle“ des Vereins für das Notariat in Rheinpreußen aus dem Jahr 1925 gewesen sein. Die Rheinische Tabelle ist seit 1925 unverändert; sie drückt die Werte noch in Reichsmarkt aus und berücksichtigt dementsprechend auch die erheblichen Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht. Aus diesem Grund hat der Deutsche Notarverein 2000 eine aktualisierte Empfehlung für die Vergütung des Testamentsvollstreckers als „Fortentwicklung der Rheinischen Tabelle“ herausgegeben, die in der Praxis auch als „Neue Rheinische Tabelle“ bezeichnet wird.
Entscheidung des Oberlandesgericht München
In dem Fall, der dem Oberlandesgericht München 2021 zur Entscheidung vorlag, hatte ein Erblasser 2017 in einem eigenhändigen Testament Testamentsvollstreckung angeordnet und bestimmt, dass die Vergütung „anhand der rheinischen Tabelle“ abgewickelt werde. Der spätere Testamentsvollstrecker berechnete daraufhin seine Vergütung nach der Neuen Rheinischen Tabelle. Die Erben vertreten hingegen den Standpunkt, dass die Vergütung anhand der Rheinischen Tabelle von 1925 zu berechnen sei und sich daher im konkreten Fall nur auf etwa 30 % der vom Testamentsvollstrecker beanspruchten Vergütung belaufe. Das Gericht gab den Erben in einem Hinweisbeschluss Recht. Eine Auslegung des Testaments ergebe, dass die Vergütung nach der Rheinischen Tabelle von 1925 zu berechnen sei. Der Wortlaut des Testaments beziehe sich nur auf die (ursprüngliche) Rheinische Tabelle von 1925 und auch im Übrigen enthalte das Testament keine Anhaltspunkte, dass die Vergütung nach dem Willen des Erblassers anhand der Neuen Rheinischen Tabelle zu berechnen sei.
Hinweis für die Praxis
Die Testamentsauslegung des Oberlandesgerichts München erscheint fragwürdig. Es dürfte ebenso vertretbar sein, die Bezeichnung „Rheinische Tabelle“ in einem Testament aus 2017 so zu verstehen, dass die Neue Rheinische Tabelle als „aktuelle Version“ gemeint ist. Den Zusatz „neu“ oder „fortentwickelt“ könnte der Erblasser aus Versehen oder Unkenntnis weggelassen haben, zumal den wenigsten Nichtjuristen die Differenzierung zwischen den beiden Rheinischen Tabellen überhaupt bekannt sein dürfte. Hieraus sollte aber nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass der Erblasser auf eine fast 100 Jahre alte Tabelle Bezug nehmen wollte.
Die Entscheidung bedeutet für die Praxis, dass bei einer gewünschten Bezugnahme auf die Neue Rheinische Tabelle zwingend die Zusätze „neu“ oder „fortentwickelt“ in die Vergütungsanordnung aufgenommen werden sollten. Eine Klarstellung zugunsten der Neuen Rheinischen Tabelle liegt dabei nicht nur im Interesse des Testamentsvollstreckers, sondern auch im Interesse des Erblassers. Durch eine klare Regelung sinkt das Risiko, dass der designierte Testamentsvollstrecker das Amt aus Sorge vor einem Rechtsstreit über die Vergütung nicht annimmt oder die Nachlassabwicklung durch die Auseinandersetzung deutlich verzögert wird.