Am 19.06.2024 hat das Bundeskabinett eine Formulierungshilfe zur Ergänzung des Regierungsentwurfs für das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) beschlossen. Damit sollen nach erheblicher Kritik am bisherigen Gesetzesentwurf und der zunächst nur rudimentären Nachbesserungen des Justizministeriums weitere Schritte zur Digitalisierung im Arbeitsrecht auf den Weg gebracht werden. 

Aufnahme der Textform in das Nachweisgesetz

Bereits länger in der Diskussion ist die Aufhebung der Schriftform für den Nachweis von Arbeitsbedingungen in den §§ 2, 3 Nachweisgesetz (NachwG). Bisher muss der Nachweis von Arbeitsbedingungen schriftlich nach §§ 2 Abs. 1 S. 1, 3 S. 1 NachwG erfolgen. Die elektronische Form ist nach § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG ausdrücklich ausgeschlossen. Der Nachweis kann nach § 2 Abs. 5 NachwG nur durch Aushändigung eines schriftlichen Arbeitsvertrages ersetzt werden. Der Gesetzgeber hat bei der Reform des Nachweisgesetzes den ihm durch die zugrundeliegende Richtlinie eingeräumten Spielraum zur Ermöglichung des Nachweises von Arbeitsbedingungen in Textform nicht ausgenutzt. Hier soll nun nachgebessert werden.

  • Einerseits: Textform und gewisse zusätzliche Anforderungen

§ 2 Abs. 1 S. 2 NachwG in der künftigen Fassung (NachwG n.F.) soll nach dem Kabinettsbeschluss vom 19.06.2024 dahingehend geändert werden, dass der Nachweis in Textform abgefasst und elektronisch übermittelt werden kann, sofern das Dokument für den Arbeitnehmer zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Übermittlung auffordert, einen Empfangsnachweis zu erteilen. 

Erforderlich ist demgemäß zunächst eine Wahrung der Textform (§ 126b BGB). Danach muss eine Erklärung die Person des Erklärenden (Arbeitgeber) bezeichnen und auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Dauerhafter Datenträger in diesem Sinne ist jedes Medium, dass es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben. Dies wird bei Dateien beispielsweise im PDF-Format regelmäßig anerkannt. 

Hinzutreten muss die elektronische Übermittlung des Dokuments an die jeweiligen Mitarbeitenden und diese müssen aufgrund der Dokumenteneigenschaften in der Lage sein, Zugang zu erhalten, das Dokument zu speichern und auszudrucken. 

Wie der zudem erforderliche Empfangsnachweis aussehen wird, ist offen. Eine Lesebestätigung dürfte genügen.

  • Andererseits: Schriftform weiterhin auf Verlangen 

Allerdings sieht der Entwurf im Falle der Erteilung des Nachweises in Textform zusätzlich einen Anspruch auf Erteilung des Nachweises in Schriftform auf Verlangen der jeweiligen Mitarbeitenden vor (§ 2 Abs. 1 S. 3 NachwG n.F.). Eines Grundes bedarf das Verlangen nicht. Bei einem solchen Verlangen hat der Arbeitgeber unverzüglich zusätzlich den schriftlichen Nachweis zu erteilen. 

  • Schließlich: Zugangserfordernisse 

Der Nachweis in Textform muss den jeweiligen Mitarbeitenden (elektronisch) zugehen. Zu beachten ist, dass die elektronische Übermittlung nicht ohne weiteres dadurch erfolgen kann, dass das Dokument in ein Mitarbeiterportal eingestellt wird, weil ein solches Mitarbeiterportal typischerweise keine Zugangseinrichtung des Arbeitnehmers, sondern eine Plattform des Arbeitgebers darstellt (siehe https://blog.esche.de/entgeltabrechnung-blosse-abrufmoeglichkeit-ueber-mitarbeitenden-portal-genuegt-nicht). Hier bedarf es eines – ggf. vertraglich geregelten – Einverständnis der jeweiligen Mitarbeitenden mit diesem Zugangsweg. Anderenfalls wird ein Versand per E-Mail in Praxis bedeutsam, bei dem allerdings datenschutzrechtliche Anforderungen nicht aus dem Blick geraten dürfen. 

  • Nachweis durch den Arbeitsvertrag

Über Verweise sollen die weiteren bisher an die schriftliche Erfüllung der Nachweispflicht anknüpfenden Bestimmungen im Nachweisgesetz ebenfalls an diese Textform angepasst werden (z.B. bei späteren Änderungen der Arbeitsbedingungen, § 3 NachwG n.F.). Insbesondere soll auch – wie bisher im Rahmen eines schriftlichen Arbeitsvertrages – die Ersetzung der Nachweispflichten durch einen – nunmehr – in Textform nach den genannten Maßgaben geschlossenen Arbeitsvertrag ersetzt werden können. Das Verlangen von Mitarbeitenden nach einem zusätzlichen unverzüglichen schriftlichen Nachweis ist aber auch hier jeweils eröffnet. Das Schriftformerfordernis bleibt zudem aufrechterhalten in Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen nach § 2a Abs. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz.

Einführung der Textform für Altersbefristungen in § 41 SGB VI

Altersbefristungen, also Regelungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Eintritt des Regelrenteneintrittsalters, unterfielen bislang § 14 abs. 4 TzBfG über das Schriftformerfordernis jeder Befristung. Der Fortbestand dieser Regelung war ein erheblicher Kritikpunkt an den bisherigen Bemühungen der Digitalisierungen im Arbeitsrecht, insbesondere im Nachweisgesetz. Es zeigte keinen echten Fortschritt, wenn der Nachweis von Arbeitsbedingungen zwar vereinfacht werden soll, der in der Praxis den Nachweis ersetzende Arbeitsvertrag wegen einer darin typischerweise enthaltenen Altersbefristung jedoch in aller Regel weiterhin der Schriftform bedarf. Auch im Zuge der Digitalisierung von Personalakten war dies ein Hemmnis. 

Dies wird nunmehr vom Gesetzgeber aufgegriffen. In § 41 SGB VI soll eine Regelung aufgenommen werden, wonach die Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersrente zu ihrer Wirksamkeit (nur noch) der Textform bedarf, so dass § 14 Abs. 4 TzBfG mit dem Schriftformerfordernis nicht zur Anwendung kommt. Dieses Vorhaben ist zu begrüßen, da hierdurch ein erheblicher Fortschritt in der Digitalisierung der Personalarbeit erwartet werden kann. 

Sonstige relevante Änderungen 

  • Arbeitnehmerüberlassungsrecht 

Neu ist, dass der Gesetzgeber beabsichtigt, im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz das Formerfordernis eines Vertrages über Arbeitnehmerüberlassung zwischen Verleiher und Entleiher ebenfalls nicht mehr der Schriftform, sondern künftig ebenfalls lediglich der Textform zu unterwerfen. 

  • Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz

Neben geplanten Änderungen im Zuge des Bezuges von Elterngeld bleibt von arbeitsrechtlicher Relevanz, dass künftig beispielsweise 

- das Elternzeitverlangen, 

- die Ablehnung des Teilzeitantrags während Elternzeit mit Begründung oder 

- der Widerspruch gegen die Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber nicht mehr der Schriftform, sondern ebenfalls nur noch der Textform bedürfen. 

Hier werden Arbeitgeber zum Nachweis der Einhaltung von Fristen aber ggf. dennoch weiterhin von schriftlichen Dokumenten, insbesondere bei Abwesenheit der jeweiligen Mitarbeitenden vom Betrieb während der Elternzeit, Gebrauch machen, um einen Zugang zu dokumentieren: Bleibt eine Lesebestätigung auf eine E-Mail aus, ist nicht nachgewiesen, dass das Dokument den Posteingangsserver des Arbeitnehmers erreicht hat.

  • Zeugnisanspruch

In §§ 630 BGB, 109 GewO soll das zwingende Schriftformerfordernis für die Erteilung eines Arbeitszeugnisses künftig aufgehoben werden. Hier sieht der Gesetzentwurf die Erteilung eines Zeugnisses in elektronischer Form vor, dies allerdings nur mit Einwilligung der jeweiligen Mitarbeitenden. 

Es bleibt abzuwarten, ob hierdurch tatsächlich eine erhebliche Entlastung erreicht werden wird. Einerseits bedarf es für die Einhaltung er elektronischen Form der besonderen Anforderungen des § 126a BGB, wonach das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (die verbreitete einfache Signatur genügt nicht) versehen werden muss. In der Praxis ist diese noch nicht verbreitet. 

Darüber hinaus wird abzuwarten sein, inwieweit Mitarbeitende eine diesbezügliche Einwilligung erteilen. Für die Gestaltung von Arbeitsverträgen kann dies die Frage aufwerfen, ob im Arbeitsvertrag bereits eine solche Einwilligung erteilt werden kann. Dies ist zweifelhaft, da für Einwilligungen regelmäßig der Grundsatz der Freiwilligkeit gilt, der bei einem Zusammenspiel des Arbeitsvertragsschlusses mit der Erteilung einer Einwilligung infrage gestellt werden kann. 

Fazit
Ungeachtet ggf. noch erforderlicher gesetzestechnischer Glättungen ist das nunmehrige Gesetzesvorhaben im Ansatz zu begrüßen, insbesondere hinsichtlich einer Harmonisierung der Nachweispflichten und der Altersbefristung zugunsten der Textform. Die in der Praxis bereits favorisierte elektronische Personalarbeit einschließlich der Führung von Personalakten musste bisher häufig einen erforderlichen Medienbruch zur Erfüllung von schriftlichen Nachweispflichten und Schriftformerfordernissen für Altersbefristungen durchlaufen. 

Die Schriftform ist damit aber bei Weitem nicht ausgemerzt. Neben den Rechten von Mitarbeitenden, weiterhin einen schriftlichen Nachweis zu verlangen, gilt dies ebenfalls für sonstige Befristungen außerhalb der Altersbefristung – sei es mit oder ohne Sachgrund (§ 14 Abs. 1, Abs. 2 TzBfG) –, die weiterhin der Schriftform bedürfen. Gleiches gilt beispielsweise für die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote. Noch offen ist zudem der Umgang mit Urheberrechten. Mitarbeitende leisten häufig Wertschöpfungen bei Erbringung ihrer Arbeitsleistungen, die nach dem Urheberrechtsgesetz oder anderen Bestimmungen geschützt sind. Während für Software-Programmierer in § 69b UrhG eine Übertragung der Rechte auf den Arbeitgeber vorgesehen ist, nutzen Arbeitgeber außerhalb dieses Kreises regelmäßig Vereinbarungen nach § 40 UrhG. Dieser verlangt aber (weiterhin) bei einem Vertrag, durch den sich der Urheber zur Einräumung von Nutzungsrechten an künftigen Werken verpflichtet, die nicht näher oder nur der Gattung nach bestimmt sind, die Schriftform. Eine vollständige Digitalisierung der Personalarbeit wird also auch nach dem jüngsten Schritt des Gesetzgebers nicht zu erwarten sein. 

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