Eskaliert ein Streit zwischen GmbH-Gesellschaftern, kommt es nicht selten zu einem Beschluss über die Einziehung des Geschäftsanteils eines Gesellschafters. Ein aktuelles Urteil des Kammergerichts hat sich nun (erneut) mit Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes beschäftigt, wenn der Geschäftsführer unmittelbar nach Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung über die Einziehung eine neue Gesellschafterliste beim Handelsregister eingereicht hat.
Nach § 16 Abs. 1 GmbHG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste im Sinne von § 40 GmbHG eingetragen ist. Diese Legitimationswirkung gilt unabhängig von der materiellen Rechtslage. Der nicht (mehr) eingetragene Gesellschafter kann gegenüber der Gesellschaft keine Gesellschafterrechte mehr geltend machen, beispielsweise keine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen Beschlussfassungen nach Aufnahme der neuen Gesellschafterliste ins Handelsregister mehr erheben. Insofern sind einstweilige Rechtsschutzmöglichkeiten bei der Einziehung von Geschäftsanteilen für den betroffenen Gesellschafter von erheblicher Bedeutung.
Einstweiliger Rechtsschutz gegen eine unrichtige Gesellschafterliste
Grundsätzlich sind drei Zeitpunkte zu unterscheiden, zu denen sich die Frage einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Einziehung eines Geschäftsanteils bzw. die Einreichung einer neuen Gesellschafterliste stellt:
1. Vor der Beschlussfassung über die Einziehung
Denkbar wäre, vor der Gesellschafterversammlung eine einstweilige Verfügung gegen die Beschlussfassung über die Einziehung des Geschäftsanteils des betroffenen Gesellschafters. Dies wird regelmäßig ohne Erfolg bleiben, da die Rechtsprechung in die Willensbildung der Gesellschafter nur sehr zurückhaltend eingreift. Eine gerichtliche Verfügung kommt in der Regel nur dann in Betracht, wenn die Nichtigkeit oder Rechtswidrigkeit des (künftigen) Beschlusses bereits vorab feststeht und dem betroffenen Gesellschafter nicht mehr zu beseitigende, schwerwiegende Nachteile drohen. Dies wird nur sehr selten der Fall sein.
2. Nach der Beschlussfassung über die Einziehung
Ob nach der Beschlussfassung einstweiliger Rechtschutz zur Verfügung steht, wurde bislang unterschiedlich beantwortet. Einige Oberlandesgerichte und die wohl überwiegende Literatur waren stets der Auffassung, dass im Wege einer einstweiligen Verfügung ein Verbot zur Einreichung einer Gesellschafterliste nach streitiger Einziehung erwirkt werden könne. Das Kammergericht hatte dies bislang – zuletzt in einer Entscheidung aus 2015 – abgelehnt.
Der BGH entschied im Jahr 2019 schließlich, dass dem betroffenen Gesellschafter ein effektives Mittel zur Verfügung gestellt werden muss, seine „Entrechtung“ in der Gesellschaft während der Dauer des Rechtsstreits über die Einziehung zu verhindern und seine streitige materiell-rechtliche Gesellschafterstellung bis zur Klärung der Wirksamkeit der Einziehung zu sichern.
3. Nach Aufnahme einer neuen Gesellschafterliste
Für den Fall, dass es bereits zur Aufnahme einer neuen Gesellschafterliste ohne den betroffenen Gesellschafter gekommen ist, hat das OLG München entschieden, dass der betroffene Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft im Wege einer einstweiligen Verfügung die Anordnung zur Einreichung einer den ausgeschlossenen Gesellschafter als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste erwirken kann.
Auch dies hatte das Kammergericht bisher mit der Begründung abgelehnt, dass der betroffene Gesellschafter bereits dadurch geschützt sei, dass er im Wege der einstweiligen Verfügung ein anzuordnendes Gebot erlangen kann, nach dem er von der Gesellschaft weiter als Gesellschafter zu behandeln sei. Diese einstweilige Verfügung sei dem betroffenen Gesellschafter allerdings nur dann zu gewähren, wenn eine sehr eindeutige Sach- und Rechtslage gegeben sei und das Gebot zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erschiene.
Änderung der Rechtsprechung des Kammergerichts
In dem Urteil vom 17. Mai 2023 (Az. 23 U 14/23) änderte das Kammergericht nun seine Rechtsprechung ab und entschied, dass es uneingeschränkt möglich sein muss, nach der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung über die Einziehung eines Geschäftsanteils einstweiligen Rechtsschutz gegen eine unrichtige Gesellschafterliste zu erlangen.
Dies gelte in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH aus 2019 nicht nur für die Verhinderung der Einreichung einer neuen Gesellschafterliste ohne den betroffenen Gesellschafter, sondern auch für den Fall, dass es bereits zur Einreichung einer neuen Gesellschafterliste ohne den betroffenen Gesellschafter gekommen sei. Anderenfalls hänge die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes für den betroffenen Gesellschafter von dem Zufall des Zeitpunktes der Listeneinreichung und seiner Kenntnis von der Einziehung ab.
Zutreffend stellte das Kammergericht fest, dass beispielsweise in Fällen nicht ordnungsgemäßer Ladung der Gesellschafterversammlung der betroffene Gesellschafter mit seiner einstweiligen Verfügung sonst regelmäßig zu spät komme, da er von den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung erst mit zeitlicher Verzögerung erfahren würde.
Einstweilige Rechtsschutzmaßnahmen nach Einziehung eines Geschäftsanteils
Die nun erfolgte Rechtsprechungsänderung des Kammergerichts kann angesichts der Entscheidung des BGH kaum überraschen. Im Ergebnis beseitigt die Entscheidung auch die letzte noch verbliebene Rechtsunsicherheit im Hinblick auf Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes des betroffenen Gesellschafters.
Droht einem GmbH-Gesellschafter der Ausschluss bzw. die Einziehung seines Geschäftsanteils, sollte er stets schnell handeln, sodass umgehend nach Beschlussfassung über den Ausschluss bzw. die Einziehung im Wege der einstweiligen Verfügung ein Verbot über die Einreichung einer neuen Gesellschafterliste erwirkt werden kann. Die hierauf ergehende einstweilige Verfügung beinhaltet dabei regelmäßig auch die Verpflichtung der Gesellschaft, Maßnahmen zur Verhinderung einer derartigen Einreichung zu treffen und bei Erfolglosigkeit eine Korrekturliste zur Beseitigung der Abweichung beim Handelsregister einzureichen. Selbst wenn der Geschäftsführer dem betroffenen Gesellschafter jedoch durch Einreichung einer Gesellschafterliste zuvorkommt, kann einstweiliger Rechtsschutz ihm zügig Hilfe verschaffen.
Neben Maßnahmen einstweiligen Rechtsschutzes ist zudem der Versuch denkbar, beim Registergericht eine Aussetzung des Listenaufnahmeverfahrens – bspw. durch Mitteilung über das anhängige einstweilige Verfügungsverfahren und einen anhängigen Beschlussmängelstreit in der Hauptsache – nach dem FamFG zu erwirken. Ob das Registergericht tatsächlich das Listenaufnahmeverfahren bei einem Streit über die Wirksamkeit einer Änderung im Gesellschafterbestand aussetzen kann, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung höchst umstritten. Der Erfolg einer solchen Maßnahme ist daher stark vom zuständigen Registergericht abhängig. Gleichwohl kann dies einen Versuch wert sein – sei es auch nur, um sich etwas Zeit für das einstweilige Verfügungsverfahren zu verschaffen.