In der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2024 hat der 3. Senat des Hamburger Finanzgerichts das neue Hamburger Grundsteuersystem bestätigt. Hamburg hatte sich nach umfassender Diskussion mit Gesetz vom 18.08.2021 für das sog. Wohnlagenmodell entschieden, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2018 das bisherige bundesweite Grundsteuersystem für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung bis 2025 verpflichtet hatte.
Zersplitterung der Grundsteuersysteme
Das alte Grundsteuersystem basierte noch auf den Grundsteuerwerten aus dem Jahr 1964 bzw. 1935 in den neuen Bundesländern; damals war letztmalig flächendeckend die sog. Einheitsbewertung durchgeführt worden. Die Verwendung dieser Altdaten hielt das Bundesverfassungsgericht unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) für verfassungswidrig, lies aber eine übergangsweise Anwendung des alten Rechts bis (einschließlich) 2024 zu.
Die Reform des Grundsteuerrechts führte 2019 zu einer Änderung des Grundgesetzes, die es den Bundesländern ermöglicht, eine vom Bundesmodell abweichende Grundsteuerregelung zu schaffen (konkurrierende Gesetzgebung). Davon haben neben Hamburg (Wohnlagenmodell) die Bundesländer Niedersachsen (Flächen-Lage-Modell), Hessen (Flächen-Faktor-Modell), Bayern (Flächenmodell), Baden-Württemberg (modifiziertes Bodenwertmodell) sowie Sachsen und Saarland (beide: Bundesmodell mit Abweichungen) Gebrauch gemacht, die übrigen neun Bundesländer wenden das (neue) Bundesmodell an.
Hamburger Wohnlagenmodell
Das Hamburger Wohnlagenmodell berücksichtigt im Wesentlichen die Größe des Grundstücks und des Gebäudes sowie die Wohnlage, wobei insoweit nur zwischen „normaler“ und „guter“ Wohnlage unterschieden wird. Auf Bodenrichtwerte stellt das Gesetz nicht ab, ebensowenig auf sonstige spezifische Wertfaktoren. Daneben wird unterschieden, ob die Immobilie zu Wohn- oder zu anderen Zwecken genutzt wird. Auch die Eigenschaft als denkmalgeschütztes Objekt und die Frage, ob es sich um geförderten Wohnraum handelt, schlagen auf den Grundsteuermessbetrag durch.
Verfahren vor dem FG
In dem finanzgerichtlichen Verfahren hatte die Klägerin im Wesentlichen argumentiert, dass – zu Unrecht –
- die persönliche Leistungsfähigkeit der Eigentümer keine Rolle spiele,
- die Hamburger Grundsteuer nicht folgerichtig an ihrem Belastungsgrund ausgerichtet sei,
- die Grundsteuer keine Steuer im eigentlichen Sinne sei, vielmehr eine Gebühr bzw. ein Beitrag für bestimmte Gegenleistungen der Gemeinde und
- die Hamburger Grundsteuer jedenfalls keine Grundsteuer im Sinne der grundgesetzlichen Kompetenznorm sei, da sie wertunabhängig erhoben werde.
Das sah der 3. Senat insgesamt anders. In der mündlichen Verhandlung wurde intensiv der Belastungsgrund der Steuer erörtert und kontrovers diskutiert, ob das Äquivalenzprinzip zur Begründung der Grundsteuer herangezogen werden könne. Das Gericht wies darüber hinaus darauf hin, dass eine evtl. Verfassungswidrigkeit nur durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt werden könne, dem insoweit die Verwerfungskompetenz zukomme. Zuvor müsse jedoch geprüft werden, ob nicht eine verfassungskonforme Auslegung der streitigen Regelungen möglich sei. Im Ergebnis hielt es die gegen das Hamburger Wohnlagenmodell vorgebrachten Argumente nicht für derart schwerwiegend, dass es eine Vorlage nach Karlsruhe für erforderlich hielt.
Damit wurde die Klage abgewiesen, die Revision zum Bundesfinanzhof wurde jedoch zugelassen. Die schriftlichen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor.
Grundsteuerhebesätze verabschiedet
Zwischenzeitlich sind in Hamburg die Grundsteuerhebesätze veröffentlicht worden. Grundstückseigentümer können schon jetzt, also bevor ab 2025 die neuen Grundsteuerbescheide kommen, ihre Steuerlast berechnen. In vielen Fällen ändert sich vergleichsweise wenig im Vergleich zum alten Recht. Gerade bei größeren Grundstücken kommt es jedoch häufig auch zu einer Mehrbelastung. Die Hamburger Bürgerschaft hat kürzlich mit Gesetz vom 22.10.2024 die bestehende Härtefallklausel in § 8 GrStG auf für zu Wohnzwecken genutzte Gebäude ausgedehnt, so dass in besonderen Härtefällen ein Erlass möglich ist.
Anhängige Verfahren in anderen Bundesländern
Auch andere Grundsteuermodelle sind derzeit Gegenstand von Gerichtsverfahren:
- beim FG Niedersachsen ist ein Musterverfahren anhängig. Das Landesamt für Steuern Niedersachsen hat mit einer Allgemeinverfügung das Ruhen aller Einspruchsverfahren bis zur Rechtskraft des Musterverfahrens angeordnet.
- das FG Baden-Württemberg hatte am 11.06.2024 zwei gegen das baden-württembergische modifizierte Bodenwertmodell gerichtete Klagen abgewiesen; mittlerweile sind hier Revisionsverfahren beim BFH anhängig;
- im Bundesmodell sind ebenfalls verschiedene Verfahren anhängig: das FG Köln hat kürzlich das Bundesmodell für verfassungsmäßig angesehen, das Verfahren ist zwischenzeitlich beim BFH gelandet. In einem aus Rheinland-Pfalz kommenden AdV-Verfahren hatte der BFH bereits entschieden, dass die Regeln des Bundesmodells bei summarischer Prüfung verfassungskonform dahin auszulegen seien, dass auf der Ebene der Grundsteuerwertfeststellung im Einzelfall der Nachweis eines niedrigeren (gemeinen) Werts erfolgen könne. Die Bundesländer haben mit koordinierten Ländererlassen vom 24.06.2024 zwischenzeitlich den Ansatz eines niedrigeren gemeinen Wertes – bei Nachweis bestimmter Voraussetzungen – zugelassen.