Das Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) als eines der gesetzgeberischen Meilensteine der Koalition im Bereich des Wirtschaftsrechts gelangt nunmehr auf die Zielgerade und dürfte bereits zum Jahreswechsel in Kraft treten. „Bausteine“ des Gesetzes sind Mehrstimmrechtsaktien, Börsenmantelaktiengesellschaften („SPACs“), elektronische Aktien sowie verschiedene weitere kapitalmarkt-, gesellschafts- und steuerrechtliche Maßnahmen. Von der breiten Öffentlichkeit bisher relativ unbemerkt, plant der Gesetzgeber auch eine sog. Bereichsausnahme von der AGB-Kontrolle für Verträge über erlaubnispflichtige Finanzgeschäfte. Hier steht zu befürchten, dass dies dem Schutz kleinerer/schwächerer Vertragspartner zuwiderlaufen und eine zunehmende Rechtsunsicherheit mit sich bringen dürfte.
Geltung AGBs im kaufmännischen Geschäftsverkehr
Bekanntlich gelten die gesetzlichen Regelungen für Allgemeine Geschäftsbedingungen in eingeschränkten Maße auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr. Insbesondere soll dabei mittels einer Inhaltskontrolle vermieden werden, dass bei Verwendung standardisierter Verträge Vertragsrisiken einseitig dem Vertragspartner auferlegt werden. Kommt es hier entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zu einer unangemessenen Benachteiligung oder weichen einzelne Klauseln von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab, sind entsprechende Vertragsbestimmungen unwirksam. – Als Befund lässt sich feststellen, dass der Gesetzgeber zunehmend geneigt ist, einzelne Wirtschafts- oder Geschäftsbereiche mittels der Normierung von Bereichsausnahmen (zumindest graduell) dem AGB-Regime zu entziehen – wie es sich nunmehr auch im Rahmen des ZuFinG ankündigt. Hinzu kommt, dass auch die höchstrichterliche Rechtsprechung der letzten Jahre mit Blick auf die Sicherung bewährter Schutzmechanismen des AGB-Regimes nicht gerade „geglänzt“ hat. Hier ist also Obacht geboten.
Zielsetzung ZuFinG
Im Rahmen des ZuFinG ist – mittels entsprechender Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) – nunmehr vorgesehen, eine solche Bereichsausnahme für den Abschluss von erlaubnispflichtigen Finanzgeschäften vorzusehen, die mithin zwischen konzessionierten bzw. beaufsichtigten Finanzmarktteilnehmern (nicht also typische Bankkunden oder Privatanleger) zustande kommen und bei denen eine der beiden Parteien „seine Vertragsmuster einbringt“; auf der Grundlage einer solchen Bereichsausnahme wäre dann das AGB-Regime weitgehend verdrängt und eine AGB-rechtliche Inhaltskontrolle obsolet. Begründet wird ein solches Vorgehen – wie häufig bei vergleichbaren legislativen Initiativen – mit einer Flexibilisierung der Rahmenbedingungen und einer Orientierung an internationalen Standards – eine Begründung, die nicht sonderlich „viel Fleisch an den Knochen“ bringt.
Kritische Bewertung
Die Begründung des Gesetzentwurfs geht hinsichtlich der genannten Bereichsausnahme fälschlich von einem „Idealbild“ aus, das in der Realität nicht existiert. Selbstverständlich sind gerade kleine und mittlere Finanzmarktteilnehmer (insbesondere Wertpapier- und Finanzdienstleistungsinstitute) gegenüber marktmächtigen großen Instituten schutzbedürftig im Sinne des AGB-Regimes. Völlig unzutreffend ist die Annahme, dass sich am Finanzmarkt ebenbürtige Vertragsparteien gegenüberstehen bzw. ihre Vertragswerke auf Augenhöhe vereinbaren. Das ist nur höchst selten der Fall – regelmäßig gibt es eine (deutlich) stärkere und eine schwächere Vertragspartei bzw. ein (teilweise erhebliches) Ungleichgewicht der Vertragspartner. Und der schwächere/kleinere Vertragspartner ist auch keineswegs in der Lage, „die Vertragsbedingungen typischerweise mitgestalten zu können“ (so aber die Regierungsbegründung). Überdies lässt sich ein solches Ungleichgewicht auch nicht dadurch „kompensieren“, dass der schwächere/kleinere Vertragspartner erlaubterweise („rechtmäßig“) tätig wird. Wie der Gesetzgeber darauf kommt, dass eine kapitalmarktrechtliche Erlaubnis eine solche Kompensationswirkung entfalten könnte, ist ein völliges Rätsel und wird auch an keiner Stelle der Gesetzesbegründung näher erläutert. Ganz im Gegenteil wird in der Gesetzesbegründung sogar eingeräumt wird, dass bei Unternehmen, „denen die AGB gestellt werden“ (also der „kleinere“ Vertragspartner), „sich der Erfüllungsaufwand bei vielen Vertragsschlüssen erhöhen“ wird und diese Unternehmen insbesondere „die AGB ihres Vertragspartners sorgfältiger prüfen müssen, weil sie sich nicht mehr darauf verlassen können, dass Klauseln, die sie unangemessen benachteiligen, unwirksam sind“ – und gleichzeitig soll sich der Erfüllungsaufwand der Unternehmen, deren AGB verwendet werden (also die des „größeren“ Vertragspartners), „verringern“, weil diese Unternehmen „dann nicht mehr prüfen müssen, ob neue Klauseln den Anforderungen der §§ 307, 308 Nummer 1a und 1b BGB [Anm.: also dem AGB-Regime] entsprechen“. Ein Schelm, wer Böses denkt: Klarer lässt sich ein „Recht des Stärkeren“ nicht normieren. Es ist nur allzu offensichtlich, wer hier künftig Profiteur und wer Leidtragender eines solchen Szenarios sein wird.
Vor diesem Hintergrund würde eine Normierung der geplanten Bereichsausnahme ganz offenkundig dem Schutz schwächerer/kleinerer Vertragspartner vor einseitiger Risikoabwälzung durch die stärkere Partei zuwiderlaufen und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit am Finanzmarkt bedingen. Es bleibt zu hoffen, dass die in Rede stehende Bereichsausnahme in der zur Verfügung stehenden Zeit noch „gekippt“ wird – aktuell sind die verschiedenen Fachausschüsse des Bundestages nach erster Lesung des Gesetzes mit dem Thema befasst.
Praxistipp
Man könnte meinen, dass die geplante Bereichsausnahme von der AGB-Kontrolle für erlaubnispflichtige Finanzgeschäfte nur einen höchst eingeschränkten Anwendungsbereich entfaltet und gesamtwirtschaftlich gesehen eher exotischer Art ist. Hier sollte jedoch die Signalwirkung einer solchen Maßnahme für künftige weitergehende gesetzgeberische Maßnahmen zur „Bereinigung“ des AGB-Regimes auch in anderen Bereichen des Wirtschaftsrechts nicht unterschätzt werden. Nicht umsonst war auch in der Einladung des Ministeriums zur ersten Anhörung des Referentenentwurfs des ZuFinG bereits „abgefragt“ worden, ob Bedenken gegen eine Ausdehnung der geplanten Bereichsausnahme auf Verträge unter Einbeziehung von Unternehmen der Realwirtschaft (also über den Kreis der Finanzmarktteilnehmer hinaus) bestünden – größere bzw. marktmächtigere Unternehmen dürften dies verneint haben. Dass sich gegen eine solche Reduzierung des bestehenden AGB-Schutzniveaus mit Auswirkung auf die Realwirtschaft gerade auch zahlreiche bedeutende Wirtschaftsverbände aussprechen, zeigt namentlich die „Initiative pro AGB-Recht“, der rund 40 Wirtschaftsverbände diverser Branchen angeschlossen sind. Wie dem auch sei: Am deutschen AGB-Recht, wie es sich in den letzten fünf Jahrzehnten bewährt hat, sollte nicht ohne Not und mit nebulösen Hinweisen auf internationale Gepflogenheiten „herumgefummelt“ werden.