Das Weiterleiten dienstlicher E-Mails an einen privaten E-Mail-Account kann einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen.
Das Urteil des Oberlandesgerichts München (Az. 7 U 351/23 e) vom 31.07.2024 bestätigt die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung eines Vorstandsmitglieds. Der Vorstand hatte interne betriebliche E-Mails an seine private Adresse weitergeleitet, was das Gericht als schwerwiegende Pflichtverletzung wertete.
Sachverhalt
Der Kläger war Vorstand einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft. In 2021 verschickte er jedenfalls neunmal E-Mails mit sensiblen betrieblichen Informationen von seinem dienstlichen E-Mail Account, wobei er jeweils seine private E-Mail Adresse bei einem Freemail-Anbieter auf Cc gesetzt hatte. Diese E-Mails beinhalteten unter anderem Informationen zu Provisionsplänen, Gehalts- und Provisionsabrechnungen, Compliance-Vorgängen und Auseinandersetzungen zwischen Vorständen. Das Vorstandsmitglied erklärte, er habe aufgrund besorgniserregender Veränderungen im Betrieb nur solche E-Mails weitergeleitet, die aus seiner Sicht für ihn unentbehrlich gewesen seien, um beweisen zu können, dass er keine haftungsbegründenden Fehler begangen habe.
Entscheidung des OLG München
Das OLG München hat die Wirksamkeit der vom Aufsichtsrat ausgesprochenen fristlosen Kündigung bestätigt. Nach Ansicht des Gerichts hatte der Vorstand durch die Weiterleitung der E-Mails gegen seine sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 AktG ergebende Sorgfaltspflicht, die in Gestalt der Legalitätspflicht vom Vorstand eigene Regeltreue fordert, verstoßen. Denn die Weiterleitung der E-Mails auf den privaten Account und die dortige Speicherung stellen eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVP dar, die nicht durch die Einwilligung der betroffenen Personen gedeckt war (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO). Zwar sei nicht jeder Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung geeignet. Ein Verstoß sei jedoch zumindest dann ein wichtiger Grund, wenn sensible Daten wie im vorliegenden Fall betroffen seien und der Verstoß wiederholt erfolgte.
Bei der Interessenabwägung im Hinblick auf die Angemessenheit einer fristlosen Kündigung legte das Gericht insbesondere darauf Gewicht, dass das Vorstandsmitglied die Datenschutzverstöße planmäßig und systematisch begangen hatte und es sich nicht um eine einmalige Fehlleistung handelte sowie ferner auf den Umstand, dass es sich um äußerst sensible betriebsinterne Daten gehandelt hatte.
Weitere wichtige Aussagen des OLG
Beachtenswert erscheint ferner, dass das Gericht in der Weiterleitung der E-Mails keine Verletzung der Verschwiegenheitsverpflichtung nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG sah. Danach haben Vorstandsmitglieder über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden sind, Stillschweigen zu bewahren. Diese Verschwiegenheitsverpflichtung ist allerdings erst verletzt, wenn ein Geheimnis der Gesellschaft unbefugt offenbart oder verwertet wird. Das Gericht ist der Ansicht, dass der Versand an eine eigene E-Mail Adresse und auch das Speichern auf einem Freemail-Server dafür nicht ausreicht.
Dem Argument des Vorstandsmitglieds, er habe lediglich prophylaktisch Material sammeln wollen, um seine korrekte Amtsführung zu dokumentieren, erteilte das Gericht eine Absage. Dafür habe kein Grund bestanden, weil das Vorstandsmitglied qua Amt ohnehin Zugang zu allen Unterlagen gehabt habe und nach seiner Abberufung einen Anspruch auf Einsicht nach § 810 BGB hätte geltend machen können.
Fazit
Das Urteil des OLG München zeigt, dass die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen nicht als bloße Förmelei abgetan werden darf, sondern ein Verstoß einen schweren Pflichtenverstoß darstellen kann, der schärfste Sanktionen zulässt. Unternehmen sollten dafür Sorge tragen, dass alle Mitarbeiter und insbesondere Führungskräfte umfassend über ihre Pflichten im Umgang mit personenbezogenen Daten unterrichtet sind und diese - auch im eigenen Interesse - einhalten.