Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist für erste Unternehmen zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Für Unternehmen mit 1000 Arbeitnehmern wird es ab dem 1. Januar 2024 gelten. Verstöße gegen die gesetzlichen Sorgfaltspflichten können mit Bußgeldern und dem Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge sanktioniert werden. Daneben wird eine mögliche zivilrechtliche Haftung des Unternehmens für menschrechts- und umweltbezogene Schäden in ihrer Lieferkette in der Fachliteratur breit diskutiert. Ein Überblick zur Unternehmenshaftung unter dem Lieferkettengesetz ist in Teil 1 Haftung unter dem Lieferkettengesetz – Teil 1: Unternehmenshaftung (esche.de) dieses Beitrags zu finden. Anknüpfend befasst sich der zweite Teil mit der Geschäftsführerhaftung unter dem LkSG. 

Überblick über die Geschäftsführerhaftung unter dem LkSG
Das LkSG bringt für die Geschäftsführerhaftung im Ausgangspunkt keine Neuigkeiten mit sich. Die Geschäftsführung haftet gegenüber ihrem Unternehmen nach den allgemeinen Maßstäben gemäß § 43 Absatz 2 GmbHG für die Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmannes. Nach überwiegender und zutreffender Meinung führt § 3 Absatz 3 LkSG, wonach das LkSG keine spezifische zivilrechtliche Haftung begründen soll, nicht dazu, dass die persönliche Haftung der Geschäftsführung im Innenverhältnis zum Unternehmen ausgeschlossen ist. Neben der Haftung für Verletzungen der Geschäftsführerpflichten gegenüber dem eigenen Unternehmen ist allerdings auch denkbar, dass Geschäftsführer persönlich mit Bußgeldern belegt werden könnten.

Binnenhaftung gegenüber dem eigenen Unternehmen
Die Geschäftsführung unterliegt der Legalitätspflicht. Sie hat dafür zu sorgen, dass sich das Unternehmen rechtmäßig verhält und Gesetze beachtet. Erfasst sich davon auch die Sorgfaltspflichten nach dem LkSG. Geschäftsführer sehen sich hier mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass deren Konturen, also die anzuwendende (Mindest-)Sorgfalt, im Einzelfall schwer zu bestimmen sind. Das LkSG stellt die Sorgfaltspflichten in § 3 Absatz 1 Satz 1 LkSG unter einen Angemessenheitsvorbelt („in angemessener Weise“). Der Gesetzgeber beabsichtigt damit, dem Unternehmen den „notwendigen flexiblen Handlungs- und Ermessensspielraum bei der Auswahl geeigneter Maßnahmen“ einzuräumen, da die Frage, welchen Risiken wie zu begegnen ist, von der individuellen Unternehmens- und Risikosituation abhänge (vgl. BT-Drs. 19/28649, S. 42). Folglich bestehen keine fest definierten Pflichten. Jedes Unternehmen muss den Grad der anzuwendenden Sorgfalt abhängig von der konkreten Situation selbst bestimmen. Zumindest in der Anfangszeit wird es an einschlägiger Rechtsprechung und häufig auch klaren Literaturmeinungen zur Orientierung fehlen.

Rechtsvergewisserungspflicht der Geschäftsführung bei unklarer Rechtslage
Bei unklarer Rechtslage trifft den Geschäftsführer eine sog. Rechtsvergewisserungspflicht. Er hat rechtliche Zusammenhänge eingehend zu prüfen. Soweit die hierzu notwendige Sachkunde fehlt oder die Angelegenheit von größerer wirtschaftlicher Bedeutung ist, muss interner oder externer Rechtsrat eingeholt werden. Dies kann auch bei neuen Gesetzen, deren Auslegung noch unklar ist, gelten.

Die Rechtsvergewisserungspflicht des Geschäftsleiters ist durch die „ISION“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 20.9.2011 – II ZR 234/09) geprägt. Danach gilt: „Um den strengen Anforderungen an die dem Vorstand obliegende Prüfung der Rechtslage und die Beachtung von Gesetz und Rechtsprechung zu genügen, reicht eine schlichte Anfrage bei einer von dem organschaftlichen Vertreter für fachkundig gehaltenen Person durch die Gesellschaft nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Vertretungsorgan, das selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt, unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und die erteilte Rechtsauskunft einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht.“.

Die Geschäftsführung muss danach fachlich qualifizierte und unabhängige Berater befragen. Unabhängig kann auch eine mit einer ergebnisoffenen Prüfung beauftragte Unternehmensrechtsabteilung sein. Der Prüfauftrag sollte dann jedoch dokumentiert und bei wirtschaftlich gewichtigen Fragen eine externe Zweitmeinung eingeholt werden. Zudem müssen die Rechtsabteilung oder externe Berater umfassend und zutreffend über alle relevanten Umstände informiert werden. Andernfalls ist es dem Geschäftsführer in der Regel verwehrt, sich auf den erhaltenen Rat zu verlassen.

Wesentlicher Bestandteil der Rechtsvergewisserungspflicht ist, dass der Geschäftsführer den Rechtsrat einer eigenen Plausibilitätskontrolle unterziehen muss. Daher ist erforderlich, dass dieser schriftlich dokumentiert und nicht nur mündlich erteilt wurde. Zwar muss der Geschäftsführer den Rechtsrat nicht auf inhaltliche Richtigkeit prüfen. Er hat jedoch nachzuvollziehen, ob alle erforderlichen Informationen zur Verfügung standen und auch berücksichtigt wurden, ob sich in der Sache aufdrängende Fragen widerspruchsfrei beantwortet wurden und ob sich aufgrund der Auskunft erkennbar weitere Fragen stellen. Der geforderte Umfang der Plausibilitätskontrolle ist umstritten, wenngleich die Anforderungen eher niedrig anzusetzen sind. Geschäftsführern ist in jedem Fall zu raten, zu dokumentieren, dass und wie sie den erteilten Rechtsrat geprüft haben und aus welchen Gründen sie ihn für plausibel halten.

Aufgrund der bei Anwendung des LkSG zumindest in der Anfangszeit verbleibenden Rechtsunsicherheiten kann damit gerechnet werden, dass der erteilte Rechtsrat nicht immer zu einem eindeutigen Ergebnis führen wird. In diesem Fall wird überwiegend angenommen, dass die Geschäftsführung einen für die Gesellschaft günstigen, rechtlich vertretbaren Weg wählen muss. Dabei muss der durch dieses Vorgehen erzielte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zu den Nachteilen stehen, welche dem Unternehmen drohen, sollte sich der gewählte Weg nachträglich als rechtswidrig herausstellen.

Haftungsumfang
Werden in Folge von Verstößen gegen das LkSG Bußgelder gegen das Unternehmen verhängt, kann dieses die Geschäftsführung nach umstrittener, überwiegender Auffassung in Regress nehmen. Denkbar ist auch, dass der wirtschaftliche Schaden, welcher mit dem Ausschluss von öffentlicher Auftragsvergabe einhergeht, gegenüber der Geschäftsführung geltend gemacht wird. Dies setzt jedoch voraus, dass nachgewiesen werden kann, dass das Unternehmen den Auftrag erhalten hätte. Ersatzfähig können zudem Kosten für Compliance-Untersuchungen durch externe Berater zur Aufklärung möglicher Pflichtverstöße bei der Umsetzung des LkSG sein.

Weitere Haftungsgefahren außerhalb des LkSG
Ohne spezifischen Bezug zum LkSG kann eine Haftung aus weiteren Umständen folgen, welche nur kurz angerissen werden sollen. Die Legalitätspflicht der Geschäftsführung kann auch die Einhaltung ausländischer Rechtsnormen umfassen. Dies lässt sich jedoch nur im Einzelfall festzustellen; die Einzelheiten sind umstritten. Allerdings erfordert die allgemeine Sorgfaltspflicht der Geschäftsführung, dass Schäden vom Unternehmen abgewendet werden. Sie hat daher der Verletzung ausländischen Rechts unter Anwendung unternehmerischer Sorgfalt entgegenzuwirken und Schäden im Ausland zu vermeiden. Dies gilt für Bußgelder und zu Ersatzansprüchen führende Personen- und Umweltschäden gleichermaßen.

Verhängung von Bußgeldern gegen Geschäftsführer
Unklar ist, ob den Geschäftsführer auch persönlich öffentlich-rechtliche Sanktionen in Form von Bußgeldern treffen können. Zwar spricht § 24 LkSG von Bußgeldern gegen das „Unternehmen“. Nach § 9 OWiG kann jedoch auch ein Geschäftsführungsmitglied mit Bußgeldern belegt werden, wenn eine Ordnungswidrigkeit an ein besonderes persönliches Merkmal anknüpft, welches die von ihm vertretene Gesellschaft erfüllt. Im Kartellrecht wird angenommen, dass „Unternehmen“ ein solches besonderes persönliches Merkmal darstellt. Würde man dies unter dem LkSG ebenfalls annehmen, droht Geschäftsführern bei schuldhaften Rechtsverstößen ein persönliches Bußgeld von bis zu 800.000 EUR. Diese Frage ist derzeit noch ungeklärt. Für Geschäftsführer besteht hier jedoch insoweit eine Gefahr, als persönliche Bußgelder in D&O-Versicherungen in der Regel nicht mitversichert sind.

Fazit
Mit dem LkSG kommen auch auf Geschäftsführer neue Haftungsrisiken zu. Diese sind dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Unternehmen die Sorgfaltspflichten des LkSG beachtet. Ist dies nicht der Fall und kann der Geschäftsführer nicht nachweisen, sich, ggf. unter Einholung von Rechtsrat, ausreichend mit der Rechtslage vertraut gemacht und bei verbleibenden Unklarheiten einen vertretbaren Weg gewählt zu haben, haftet er für entstehende Schäden. 

In erster Linie kommen dabei Regressansprüche des Unternehmens für Bußgelder, aber auch Ersatzansprüche für entgangene Gewinne und aufwendige Compliance-Untersuchungen in Frage. Anders als persönliche Bußgelder, unterfallen Regressansprüche für gegen das Unternehmen verhängte Bußgelder nicht selten dem Deckungsschutz der D&O-Versicherung. Das Bild ist hier jedoch uneinheitlich. Die D&O-Musterbedingungen des Gesamtverbands der Versicherer (GDV) sehen einen Ausschluss vor. In den Policen der D&O-Versicherer sind Regressansprüche für Geldbußen hingegen teilweise ausdrücklich umfasst. Geschäftsführern ist daher zu raten, ihre D&O-Versicherungspolice darauf zu prüfen, ob Regressansprüche ihres Unternehmens wegen etwaiger verhängter Geldbußen mitversichert sind.

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