Die Bäume auf benachbarten Grundstücken können schnell zum Streitthema werden, die in vielen Fällen vor Gericht landen. So geschah es auch im vorliegenden Fall, in dem der Streit die Parteien bis vor das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (Az.: 9 U 35/23) führte. Der Streit entbrannte, nachdem ein Nachbar unabgesprochen das Grundstück seiner Nachbarin betrat und dort gravierende Schneidemaßnahmen an verschiedenen Bäumen vornahm. Dies kam ihm nun teuer zu stehen. Die Klägerin fordert Schadensersatz in Höhe von 34.688,50 € nebst Verzugszinsen.

Die Streitparteien sind Nachbarn und Eigentümer aneinandergrenzender Grundstücke in einer Stadt in Hessen. Auf dem aufwendig gestalteten und gepflegten Grundstück der Klägerin befindet – oder viel eher befand sich, bevor ihr Nachbar zur Tat schritt – ein im Jahr 1965 gepflanzter alter und gesunder Baumbestand. Bei dieser Gestaltung kommt es der Klägerin auch darauf an, im Stadtgebiet einen Lebensraum für Kleintiere zu schaffen und einen Beitrag zur Umwandlung von CO2 in Sauerstoff zu leisten. Das Grundstück des Beklagten ist deutlich kleiner, enger bebaut und grenzt an den hinteren Gartenbereich des klägerischen Grundstücks an. Bei Erwerb des Grundstücks war der Baum- und Strauchbestand bereits lange vorhanden.

Vorgehensweise des Beklagten
Zum Baumbestand der Klägerin gehören unter anderem eine Birke (16 m hoch und Kronenbreite von 7 m), sowie ein Kirschbaum (12 m hoch und Kronenbreite von 8 m), die in 1,6 m bzw. 3,35 m Abstand zum Grundstück des Beklagten standen. Ende Mai 2020 kontaktierte der Beklagte seine Nachbarin telefonisch und besprach mit ihr, dass er die auf sein Grundstück herüberragenden Äste der Gehölze zurückschneiden wolle. Die Klägerin erklärte sich einverstanden. Einen Tag nach dem Telefonat betrat der Beklagte das Grundstück der Klägerin in ihrer Abwesenheit und führte gravierende Schneidearbeiten an der Birke, am Kirschbaum und an einem Holunderstrauch durch. An der Birke verblieb im Anschluss dem Urteil zufolge „kein einziges Blatt“. Auch der kurz vor der Ernte befindliche Kirschbaum sowie der Holunder wurden nahezu vollständig eingekürzt. Nachdem ihn ein Zeuge auf seine radikale Vorgehensweise ansprach behauptete der Beklagte, dass diese mit der Klägerin abgesprochen sei. Er gab an, die Klägerin habe im Telefonat geäußert, dass er „abschneiden solle, was ihn störe“. Seine radikale Vorgehensweise rechtfertigt er damit, dass ihm als Laie nicht klar gewesen sei, dass er die Bäume dauerhaft habe schädigen können. Das Schnittgut ließ der Beklagte nach getaner Arbeit auf dem Grundstück der Klägerin zurück.

Entscheidung des Landgerichts 
Die Klägerin forderte daraufhin 34.688,50 € Schadensersatz nebst Verzugszinsen aus §§ 823 Abs. 1, 249, 251 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Diese Summe ergibt sich aus den entstandenen Schäden an den Bäumen und der nötigen Neubepflanzung, sowie den Kosten der Entsorgung der Abschnitte. Der Beklagte habe vorsätzlich und eigenmächtig gehandelt und ihr Grundstück rechtswidrig betreten, um dort allein im eigenen Interesse an einer (anders nicht erreichbaren) besseren Belichtung seines Grundstücks einen Radikalschnitt an ihren Bäumen vorzunehmen.

In erster Instanz erkannte das Landgericht (LG) Frankfurt zwar an, dass der Beklagte mangels Rechtfertigung verpflichtet sei, den Schaden durch die nicht fachgerechten Rückschnitte dem Grunde nach zu ersetzen. Es verurteilte den Beklagten am 23.05.2023 aber lediglich zur Zahlung von 4.012, 65 € nebst Zinsen. Dabei stütze sich das Gericht auf ein Sachverständigengutachten, was anhand der „Methode Koch“ den Schadensersatz in dieser Höhe bemessen hat. 

„Berechnungsmethode nach Koch“
Bei der Zerstörung eines Baumes ist in der Regel keine Naturalrestitution zu leisten, weil eine Ersatzbeschaffung in Form einer Verpflanzung eines ausgewachsenen Baumes mit besonders hohen, in aller Regel unverhältnismäßigen, Kosten verbunden ist. Vielmehr ist eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines jungen Baumes und darüber hinaus ein Ausgleich für eine etwa verbleibende Werteinbuße des Grundstücks zu leisten. Der Baum ist als Bewuchs wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (vgl. § 94 BGB) und beeinflusst daher dessen Wert. Die Werteinbuße ist gem. § 287 ZPO durch den Tatrichter zu schätzen, wobei regelmäßig auf die sog. Berechnungsmethode von Koch zurückzugreifen ist: 

Danach wird der Wertverlust bestimmt, indem die für die Herstellung des geschädigten Gehölzes bis zu seiner Funktionserfüllung erforderlichen Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko berechnet und kapitalisiert werden. Der danach errechnete Wert wird mit Blick auf eine Alterswertminderung, Vorschäden und sonstige wertbeeinflussende Umstände bereinigt.

Entscheidung des Oberlandesgerichts
Dass Schadensersatz geleistet werden muss, war nach dem Urteil des LG unstreitig. 
Weiterhin streitgegenständlich war aber die Höhe des zu leistenden Schadensersatzes und die Grundlage für die Berechnung des Sachverständigen bzw. die Sachverhaltsermittlung durch das LG. 

Moniert wird vom OLG insbesondere, dass lediglich das erste Sachverständigengutachten im Rahmen der Ermittlung der Werteinbuße in die Entscheidung einbezogen wurde, obwohl es zwei Ergänzungsgutachten gab. Das erste, sehr knappe Gutachten wurde vom Gericht unkritisch übernommen und es wurde sich gerade nicht ausreichend mit den Einwänden hinsichtlich der Größe der dort zugrunde gelegten Neupflanzungen und der Funktion der zu ersetzenden Bäume auseinandergesetzt. Nicht hinreichend beachtet wurde dem OLG zufolge auch die naturnahe Gartengestaltung und die Bedeutung des Baumes für das Kleinklima des Gartens. Insoweit hätte der Sachverständige befragt werden müssen, ob und inwieweit diese weiteren Zwecke Einfluss auf die Wertermittlung nehmen. Gerade die Funktion des Gehölzes für das konkrete Grundstück ist für die Bewertung nach Koch von zentraler Bedeutung.

Wegen der nicht ausreichend aufgeklärten Funktionen der beschädigten Bäume konnte die vom LG bei der Schätzung zugrunde gelegte Größe der neu anzupflanzenden Bäume nicht überzeugen. Die „Methode Koch“ ist nach der Rechtsprechung des BGH nur „in der Regel“ anzuwenden. Es ist gerade durch das Tatgericht stets in den Blick zu nehmen, dass die durch den Gehölzschaden eintretende Wertminderung des Grundstücks nicht mit mathematischer Genauigkeit ermittelt werden kann. Das LG ist hier unkritisch der Schadensschätzung des Sachverständigen gefolgt, der nicht nur eine relativ kleine Neupflanzung, sondern auch eine eher kurze Wiederherstellungsdauer angenommen hat, ohne diese Einschätzung in der gebotenen Weise unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen. Das Gericht kann seine Einschätzung gerade nicht vollständig auf einen Sachverständigen abwälzen, sondern muss selbst der Aufgabe der Beweiswürdigung nachkommen. Diese Verfehlung stellt den maßgeblichen Kritikpunkt des OLG an der Entscheidung des LG dar.

Der erkennende Senat des OLG hat von einer eigenen Sachentscheidung abgesehen, da die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung der Sache nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorlagen. Die weiteren Ermittlungen bezüglich der Beweisaufnahme und auch die Entscheidung obliegen somit wieder dem LG. Es ist davon auszugehen, dass unter Berücksichtigung der Hinweise des OLG die Summe des zu zahlenden Schadensersatz deutlich nach oben korrigiert werden wird.

Andere betroffene Gesetze
Auch wenn es hier um ein zivilrechtliches Verfahren geht, so können in Fällen des Baumrückschnitts auch Normen anderer Rechtsgebiete eine Rolle spielen.

In Betracht kommen hier insbesondere Normen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Die in § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG normierten Schonzeiten für Vögel müssen bei der Baumpflege zwingend beachtet werden. Demnach ist es in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September schlichtweg verboten Hecken, Bäume und Büsche zu fällen, abzuschneiden oder zu zerstören. Lediglich schonende Form- und Pflegerückschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen sind in diesem Zeitraum zulässig. Von diesem Verbot gibt es zwar vereinzelte Ausnahmen, diese gelten aber nicht für privat genutzte Gärten. Auch von einem schonenden Rückschnitt kann hier nicht die Rede sein, so dass das Vorgehen allein durch diesen Umstand schon nicht erlaubt war. Ein Verstoß gegen diese Schonzeiten kann je nach Bundesland und Anzahl der Bäume zu einem Bußgeld von bis zu 100.000 € führen.

Das unbefugte Betreten des Nachbargrundstücks kann darüber hinaus auch strafrechtlich relevant werden. Gem. § 123 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) wird, wer in das befriedete Besitztum eines anderen wiederrechtlich eindringt, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. „Befriedet“ ist ein Besitztum, wenn es nach außen hin erkennbar umgrenzt ist. Solche klaren Umgrenzungen sind beispielsweise Mauern oder – wie es hier der Fall war – ein Zaun.

Fazit
Im Ergebnis sollte daher in jedem Fall nicht vorschnell gehandelt werden, wenn es um störenden Bewuchs geht. Ein klärendes Gespräch mit dem Nachbarn und eine außergerichtliche Einigung sollten einem kostspieligen Gerichtsverfahren vorgezogen werden. Dabei kann es auch ratsam sein eine Streitschlichtung vor einem Schiedsamt anzustreben. Diese ist in manchen Bundesländern sogar obligatorisch, bevor Klage erhoben werden kann.

Unter Mitarbeit von Jokje Boehnke
 

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