Hessischer Verwaltungsgerichtshof legt in einer Eilentscheidung Rahmenbedingungen für die Bekanntmachung behördlicher Maßnahmen und Sanktionen auf der Internetseite der BaFin fest und skizziert den Umfang behördlichen Bekanntmachungsermessens (Entscheidung vom 04.08.2022, Az. 6 B 134/22). 

Gemeinschaftsrechtliche sowie hiesige bank- und kapitalmarktaufsichtsrechtliche Regelwerke begründen eine Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für den Erlass von Maßnahmen und Sanktionen bei entsprechenden Gesetzesverstößen. Überwiegend handelt es sich hierbei um den Erlass von Bußgeldbescheiden, teilweise geht es aber auch um verwaltungsrechtliche Anordnungen in der Form von Bekanntmachungen, die von den Verpflichteten einzuhalten sind. Die verhängten Maßnahmen und Sanktionen, denen insbesondere Verstöße gegen Vorschriften der Marktmissbrauchsverordnung (MAR), des Kreditwesengesetzes (KWG), des Wertpapierinstitutsgesetzes (WpIG), des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und des Geldwäschegesetzes (GwG) zugrunde liegen, sind regelmäßig von der BaFin auf deren Internetseite zu veröffentlichen – hierfür hat sich die Begrifflichkeit des „Naming & Shaming“ eingebürgert.

Die betreffenden Gesetze sehen solche Bekanntmachungen teilweise erst für den Fall vor, dass es sich bereits um verhängte und bestandskräftige Maßnahmen oder unanfechtbar gewordene Bußgeldbescheide handelt. Teilweise haben die Bekanntmachungen auch schon früher, nämlich mit Erlass der betreffenden Maßnahmen und Sanktionen und unverzüglich nach Unterrichtung der dabei verpflichteten natürlichen oder juristischen Person stattzufinden. In letzterem Falle ist in die Bekanntmachung regelmäßig der Hinweis aufzunehmen, dass gegen den jeweiligen Bescheid noch Einspruch eingelegt werden kann, was dann später noch zu aktualisieren ist, je nachdem ob ein Einspruch eingelegt wird (dann nachfolgendes Gerichtsverfahren) oder nicht (dann Rechtskraft des Bescheides). Zentraler Gegenstand der Bekanntmachungen der BaFin sind überdies die Vorschriften, gegen die verstoßen wurde, und die für den Verstoß verantwortliche natürliche oder juristische Person oder Personenvereinigung. Der Teufel steckt hier jedoch im Detail.

Auf der Grundlage verschiedener gerichtlicher Entscheidungen ist davon auszugehen, dass die in Rede stehenden Bekanntmachungen der BaFin keine Verwaltungs-, sondern bloße Realakte darstellen – was ein vorheriges Anhörungserfordernis dem Grunde nach entbehrlich macht und für die Art und Weise einer späteren gerichtlichen Prüfung solcher Bekanntmachungen bedeutsam ist. 

In der jüngsten Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) ging es um die Rechtmäßigkeit einer Bekanntmachung der BaFin nach Maßgabe des § 60b KWG. Nach dieser Vorschrift soll die BaFin regelmäßig jede gegen ein von ihr beaufsichtigtes Unternehmen oder gegen einen dortigen Geschäftsleiter verhängte und bestandskräftig gewordene Maßnahme, die wegen eines Verstoßes gegen das KWG oder der Kapitaladäquanzverordnung (europäisches „Pendant“ zum KWG) verhängt wurde, und jede unanfechtbar gewordene Bußgeldentscheidung unverzüglich auf ihrer Internetseite bekanntmachen. Gegen diese Bekanntmachung ging das dort belastete Unternehmen vor – einerseits mittels eines Einspruchs, andererseits im Wege einer gerichtlichen Eilentscheidung. In seiner Entscheidung legte der Hessische VGH die genannte Vorschrift aus und bestätigte die in Rede stehende Bekanntmachung der BaFin als rechtens. Auf der Grundlage der rechtlichen Hinweise der Hessischen VGH zeichnet sich folgende Rechtslage ab, die auf Bekanntmachungen der BaFin nach Maßgabe der verschiedenen Gesetze anzuwenden wäre:

  1. Bekanntmachungen der BaFin unterliegen regelmäßig einer zweistufigen Bewertung, in deren Rahmen das „ob“ und das „wie“ der Bekanntmachung zu prüfen ist: Im Rahmen des „ob“ geht es um die Frage, ob die Bekanntmachung im Einzelfall unterbleiben kann bzw. zu unterbleiben hat – beispielsweise, wenn die Stabilität der Finanzmärkte gefährdet wäre (also ein eher „exotischer“ Fall). Im Rahmen des „wie“ geht es maßgeblich um die Frage, ob die Bekanntmachung auf anonymer Basis bzw. nicht personifiziert vorzunehmen ist – also ohne konkrete Nennung der für den Anlass der Maßnahme bzw. die gerügte Ordnungswidrigkeit verantwortlichen Person. Hierfür könnte eine einzelfallbegründete Unverhältnismäßigkeit, ein gebotener Schutz personenbezogener Daten, die Gefahr eines unverhältnismäßig großen Schadens auf Seiten der in der Bekanntmachung genannten Unternehmen oder Personen oder auch übergeordnete Erwägungen wie die Gefährdung laufender strafrechtlicher Ermittlungen oder die Gewährleistung des Vertrauens und die Stabilität der Finanzmärkte sprechen.
  2. Genau genommen gibt es daneben auch noch die Frage des „wann“ der Bekanntmachung (womit sich der Hessische VGH in seiner Entscheidung allerdings nicht näher befasst hat): So findet sich in den einschlägigen Gesetzen teilweise die Möglichkeit, eine anstehende Bekanntmachung, die zunächst noch gar nicht oder nur in anonymisierter Form erfolgen dürfte, aufzuschieben, bis der Grund für diesen Aufschub wegfällt. Ob allerdings die BaFin eine zunächst anonymisierte (also nicht aufgeschobene) Bekanntmachung später (also nach Wegfall des Anonymisierungsgrundes) noch „personalisieren“ darf, ist bislang nicht ausdrücklich geklärt und daher durchaus als streitig anzusehen.
  3. Zu beachten ist darüber hinaus, inwieweit der BaFin hinsichtlich solcher Bekanntmachungen in den einzelnen Gesetzeswerken ein Beurteilungsspielraum bzw. ein behördliches Ermessen eingeräumt wird. Sowohl was die Vornahme einer Bekanntmachung als solche als auch die weiteren Umstände (namentlich Verzicht, Anonymisierung und Aufschub der Bekanntmachung) betrifft, sind die verschiedenen gesetzlichen Anordnungen nicht einheitlich. Teilweise erfordern die rechtlichen Vorgaben sog. gebundene behördliche Entscheidungen ohne weiteren behördlichen Spielraum (gesetzgeberische Formulierungen: „ist“, „hat“, „muss“), teilweise wird der BaFin ein unterschiedlich weitreichendes Ermessen eingeräumt (gesetzgeberische Formulierungen von „darf“ und „kann“ bis zu „soll“ bzw. „sollte“). All dies will im Einzelfall – also sowohl im Rahmen der BaFin-Prüfung im Vorfeld einer Bekanntmachung als auch im Rahmen einer späteren Überprüfung der Bekanntmachung seitens der der betroffenen Unternehmen und Personen – je nach einschlägiger gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage entsprechend erwogen werden.

Wenngleich der Hessische VGH in seiner Eilentscheidung nicht alle rechtlichen Aspekte im Umfeld etwaiger Bekanntmachungen der BaFin ausgeleuchtet hat, dürfte davon auszugehen sein, dass die dortigen Hinweise und Erwägungen auch in einem etwaig nachfolgenden Hauptsacheverfahren Bestand haben dürften und zudem über Bekanntmachungen nach Maßgabe des KWG hinaus „richtungsweisende Bedeutung“ auch für Bekanntmachungen erlangen dürften, wie sie auf der Grundlage anderer Gesetzeswerke vorgesehen sind.

Praxistipp
Unternehmen und Personen, die sich als Belastete behördlicher Maßnahmen oder Sanktionen zusätzlich einem Naming & Shaming ausgesetzt sehen, sollten die genauen Sachverhaltsumstände anhand der einschlägigen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, die ein solches Vorgehen der BaFin legitimiert, einer genauen Prüfung unterziehen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die materiellen Anforderungen der verschiedenen Gesetzeswerke an die Vornahme solcher Bekanntmachungen graduell höchst unterschiedlich ausgestaltet sind. Dies gilt von der Frage eines generellen Absehens oder Aufschubs der Bekanntmachung über deren Anonymisierung hinaus bis zur Frage der qualitativen Reichweite der behördlichen Ermächtigung bzw. dem der verbleibenden „Spielraum“ der BaFin. Überdies ist zu erwägen, eine etwaige Bekanntmachung ggf. nicht isoliert, sondern gemeinsam mit der zugrundeliegenden behördlichen Maßnahme oder dem betreffenden Sanktionsakt (regelmäßig Bußgeldbescheid) anzufechten.

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