Arbeitnehmer haben im Fall einer unwirksamen Kündigung grundsätzlich Anspruch auf die Zahlung ihres Gehaltes („Annahmeverzugslohn“). Allerdings muss der Arbeitnehmer sich gem. § 11 Nr. 2 KSchG das anrechnen lassen, was er in dieser Zeit hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Damit diese Anrechnung aber möglich ist, ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer die andere Beschäftigungsmöglichkeit kennt. Ein Hinweis auf solche offenen Stellen kann auch vom kündigenden Arbeitgeber kommen. Das LAG Baden-Württemberg hat nun in seiner Entscheidung vom 11.09.2024 (4 Sa 10/24) entschieden, dass es nicht ausreiche, wenn der Arbeitgeber erst nach dem Ende des Verzugszeitraums solche Stellenangebote vorbringt. Die Revision beim BAG (Az.: 5 AZR 273/24) hierzu ist anhängig und Termin ist für den 15.01.2025 anberaumt.

Der Sachverhalt:
Nach einer im Januar 2021 erfolgten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist bis zum 30.06.2021 streiten die Parteien über die Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum von Juli 2021 bis August 2022. Die Kündigungsschutzklage des Klägers war sowohl in erster Instanz als auch in der Berufung erfolgreich.
Während seiner gesamten Arbeitslosigkeit erhielt der Kläger von der Agentur für Arbeit kein Vermittlungsangebot. Er hatte jedoch von Beginn an deutlich gemacht, dass er zu seinem alten Arbeitsplatz bei der Beklagten zurückkehren wollte, und unternahm keine eigenen Anstrengungen, eine neue Beschäftigung zu finden.

Im Januar 2023 machte der Kläger Ansprüche auf Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum von Juli 2021 bis August 2022 geltend. Er argumentierte, dass es keine Notwendigkeit gegeben habe, sich um eine andere Stelle zu bemühen, da er beschlossen habe, seine Tätigkeit bei der Beklagten fortzusetzen. Nach dem Urteil der ersten Instanz hätte die Beklagte ihn außerdem weiterbeschäftigen können, um Ansprüche auf Annahmeverzugsvergütung zu vermeiden.

Die Beklagte hingegen ist der Meinung, dass das völlige Unterlassen von Bemühungen des Klägers, anderweitig Arbeit zu finden, böswillig sei. Bei entsprechenden Anstrengungen hätte der Kläger eine vergleichbare Anstellung finden können, da die Arbeitslosenquote in der Region sehr niedrig war.
Das Arbeitsgericht hat der Klage des Klägers in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung der geforderten Annahmeverzugsvergütung verurteilt. Das LAG entschied ebenfalls zugunsten des Klägers und wies die Berufung der Beklagten überwiegend zurück. Die Revision wurde für die Beklagte zugelassen, da das LAG von der Rechtsprechung des BAG (7.2.2024 - 5 AZR 177/23) abwich.

Die Entscheidungsgründe 
Die Beklagte befand sich zwischen Juli 2021 und August 2022 im Annahmeverzug gemäß § 615 Satz 1 BGB. Ein Angebot der Arbeitsleistung seitens des Klägers war aufgrund der Kündigung durch die Beklagte gemäß § 296 BGB nicht erforderlich.

Der Kläger erzielte während dieser Zeit kein anderes Einkommen aus tatsächlicher Arbeit, und muss sich auch nicht gemäß § 11 Nr. 2 KSchG anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er nicht absichtlich versäumt hätte, eine ihm zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Eine böswillige Unterlassung, die für einen entgangenen Verdienst kausal wäre, kann nur angenommen werden, wenn dem Arbeitnehmer alternative Beschäftigungsmöglichkeiten bekannt waren oder bekannt gemacht wurden, was nach Ansicht des LAG nicht vorläge.
Im vorliegenden Rechtsstreit trägt der Arbeitgeber grundsätzlich die Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer eine zumutbare Stelle hätte finden können und dass er diese Möglichkeit nicht genutzt hat. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jedoch während des Annahmeverzugs konkrete Stellenangebote unterbreitet, liegt es im Rahmen einer gestuften Darlegungs- und Beweislast an dem Arbeitnehmer, möglichst konkret hierzu auszuführen. Eine Darlegungspflicht des Arbeitnehmers kann jedoch nicht ausgelöst werden, wenn der Arbeitgeber erst nach Ablauf des Verzugszeitraums Stellenangebote vorlegt, die auf dem Internetportal "Jobbörse" der Agentur für Arbeit zu finden waren und dem Arbeitnehmer während des Verzugszeitraums nicht bekannt waren.

Eine erweiterte Darlegungspflicht des Arbeitnehmers kann auch nicht über den Grundsatz der Bedingungsvereitelung begründet werden (Abweichung vom BAG v. 07.02.2024 - 5 AZR 177/23). Würde man - wie der 5. Senat des BAG - zulassen, dass der Arbeitgeber sich auf freie Stellen beruft, die nicht Teil eines Vermittlungsangebots waren und außerhalb der quantitativen Vorgaben einer Eingliederungsvereinbarung oder eines entsprechenden Verwaltungsakts liegen, würde der Arbeitnehmer in arbeitsrechtlicher Hinsicht einer strengeren Verpflichtung unterworfen, als ihm im sozialversicherungsrechtlichen Kontext zugemutet werden könnte. Dies würde den erforderlichen Einklang zwischen Sozialversicherungsrecht und Arbeitsrecht gefährden. Es bleibt abzuwarten, wie sich das BAG hierzu positionieren wird.

Unser Tipp:
Im Falle eines anhängigen Rechtsstreits über die Wirksamkeit einer ausgesprochenen Kündigung sollten Arbeitgeber grundsätzlich zeitnah nach Erreichen des Beendigungsdatums laut Kündigung geeignete Stellenanzeigen an den Arbeitnehmer übersenden, verbunden mit der Aufforderung, sich auf diese Stellen zu bewerben. Bitte denken Sie auch hier an einen geeigneten Zugangsnachweis (Kurier oder Einschreiben-Einwurf).

Weiterführende Links:

Dazu passende Artikel