1. Zusammenfassung der Gesetzesänderung
Gemäß europarechtlichen Vorgaben hat eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Schwellenwerte gemäß der Richtlinie 2013/34/EU (Bilanz-Richtlinie) zu erfolgen. Vor dem Hintergrund der hohen Inflation in den vergangenen Jahren und dem Ziel des Bürokratieabbaus, wurde am 17. Oktober 2023 der delegierte Rechtsakt zur Änderung der Bilanz-Richtlinie durch die EU-Kommission verabschiedet. Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte mit der Verkündung des zweiten Gesetzes zur Änderung des DWD-Gesetzes sowie zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften im Bundesgesetzblatt am 16. April 2024.

Im Rahmen dieser Änderung werden die monetären Schwellenwerte um jeweils ca. 25 Prozent angehoben. Für die Anzahl der Mitarbeiter erfolgt keine Anpassung. Eine genaue Übersicht der alten und neuen Werte veranschaulicht die nachfolgende Tabelle:

Kriterium 

De lege lata 

De lege ferenda 

Größenklassen nach § 267 HGB 

Kleinstkapitalgesellschaften 

Bilanzsumme 

​≤ 350.000

​≤ 450.000

Umsatzerlöse

​≤ 700.000

​≤ 900.000

Kleine Kapitalgesellschaften 

Bilanzsumme 

≤ 6.000.000

≤ 7.500.000

Umsatzerlöse

​≤ 12.000.000

​≤15.000.000

Mittelgroße
Kapitalgesellschaften 

Bilanzsumme 

≤20.000.000

≤25.000.000

Umsatzerlöse

​≤40.000.000

​≤50.000.000

Große Kapitalgesellschaften 

Bilanzsumme 

>20.000.000

> 25.000.000

Umsatzerlöse

>40.000.000

> 50.000.000

 

Befreiung von der Konzernrechnungspflicht 

Konsolidiert

Bilanzsumme 

​≤20.000.000

​≤25.000.000

Umsatzerlöse

​≤40.000.000

≤50.000.000

Unkonsolidiert

Bilanzsumme 

≤24.000.000

≤30.000.000

Umsatzerlöse

​≤48.000.000

​≤60.000.000

2. Anwendungszeitpunkt 
Die neuen Werte gelten grundsätzlich für Geschäftsjahre, welche nach dem 31.12.2023 beginnen. Des Weiteren besteht ein Wahlrecht, die neuen Schwellenwerte rückwirkend bereits für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2022 beginnen anzuwenden.

3. Auswirkungen
Die Abstufung für Unternehmen von „groß“ zu „mittelgroß“ führt zu diversen Erleichterungsvorschriften im Rahmen der Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts, sowie bei der Offenlegung. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass diese Unternehmen von der kommenden Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Lagebricht als nun mittelgroße Kapitalgesellschaften vorerst befreit bleiben.

Unternehmen, welche von „mittelgroß“ zu „klein“ herabgestuft werden, unterliegen ab dem Zeitpunkt der Anwendung der Schwellenwerte nicht mehr der Prüfungspflicht nach § 316 HGB. Kritisch zu würdigen ist im Rahmen der neuen Einordnung, dass die Umsatzerlöse im Rahmen des Bilanzrichtlinie-Umsatzgesetz neu definiert wurden. Zukünftig gehören alle Vorgänge des Unternehmens zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb, sodass auch außerordentliche Erträge mit einbezogen werden. Insbesondere für den Fall, dass die Höhe der Umsatzerlöse das maßgebliche Kriterium für die Einordnung der Größenklasse darstellt, ist eine genaue Prüfung des Wertes zu empfehlen. 

Im Rahmen der Aufstellung des Jahresabschlusses bestehen für kleine Kapitalgesellschaften unter anderem die folgenden Erleichterungen:

  • Gemäß § 266 HGB brauchen diese Gesellschaften nur eine verkürzte Bilanz aufzustellen.
  • In § 288 HGB werden Erleichterungen für die Aufstellung des Anhangs aufgelistet.
  • Weitere Größenabhängige Erleichterungen gemäß § 274a HGB befreien von der Pflicht zur Erläuterung bestimmter Forderungen und Verbindlichkeiten im Anhang und betreffen den Rechnungsabgrenzungsposten sowie die Abgrenzung latenter Steuern. 
  • Nach § 264 HGB kann die Aufstellung des Jahresabschlusses von kleinen Kapitalgesellschaften nicht nur in den ersten drei, sondern in den ersten sechs Monaten erfolgen.
  • Ein Lagebericht nach § 289 HGB ist nicht aufzustellen.


4. Rückwirkende Anwendung
Das Wahlrecht, die neuen Schwellenwerte rückwirkend auf 2023 anzuwenden, entbindet bereits dieses Geschäftsjahr von der Prüfungspflicht. Darüber hinaus bestehen für Gesellschaften, die den Jahresabschluss 2023 noch nicht festgestellt haben, weitere Gestaltungsmöglichkeiten. Unter Anderem können für die Verringerung der Bilanzsumme Bilanzierungswahlrechte ausgeübt werden. Insbesondere im Verbundbereich besteht die Option der Verrechnung oder Aufrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten. Ein weiterer relevanter Aspekt, sind die Erleichterungsvorschriften, welche bereits für die Offenlegung 2023 angewendet werden können. Darunter fällt die verkürzte Darstellung der Bilanz und Erleichterungen für den Anhang. Eine Veröffentlichung der Gewinn und Verlustrechnung, sowie des Lageberichts hat nicht zu erfolgen.

Abschließend ist festzuhalten, dass es für Unternehmen lohnend sein kann, sich mit dem Thema vertraut zu machen, um potenzielle Erleichterungen festzustellen. Es wird empfohlen, frühzeitig die individuellen Auswirkungen zu prüfen und gegebenenfalls mit Beratern und dem Abschlussprüfer abzustimmen.

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