Das Bundeskabinett hat am Mittwoch (30.08.2023) die Eckpunkte für ein viertes Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) beschlossen. Diese haben zum Ziel, Deutschland durch den Abbau unnötiger bürokratischer Belastungen zukunftssicher zu machen. Auch im Bereich des Arbeitsrechts sind Maßnahmen geplant, durch die u.a. der hohe bürokratische Aufwand im Zusammenhang mit der Erfüllung der Anforderungen aus dem Nachweisgesetz reduziert werden soll.
Elektronische Form als Regelform und Einsatz von Brücken-Technologien
Das Vorhaben, die mit der Schriftform verbundenen bürokratischen Belastungen abzubauen, soll durch eine Änderung im Allgemeinen Teil des BGB flankiert werden. So soll über eine Änderung der Formvorschriften in den §§ 126 ff. BGB die elektronische Form oder (soweit geeignet) auch die Textform in Zukunft die Regelform darstellen und – genau anders herum als in der bisherigen Vorschrift des § 126 Abs. 3 BGB – die Schriftform als bloße Ersatzform für die elektronische Form dienen.
Zur Erfüllung der gesetzlichen Formvorschrift ist eine sog. qualifizierte elektronische Signatur erforderlich. Diese stellt die sicherste Form der elektronischen Signaturen dar und erfordert die Erfüllung der höchsten Sicherheitsstandards. So muss die Signatur u.a. mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt und dem Unterzeichner eindeutig zugeordnet sein. Zusätzlich ist in den gesamten Signaturvorgang ein unbeteiligter, staatlich überwachter Vertrauensdiensteanbieter eingebunden.
Für den Bereich des Mietrechts findet sich in den Eckpunkten der Vorschlag, eine schriftliche Kündigung mittels Smartphone zu fotografieren und als elektronische Kopie dem Erklärungsempfänger zu übersenden. Diesem soll das Recht eingeräumt werden, die Übermittlung einer Originalurkunde verlangen zu können, um so die Beweisfunktion der Schriftform zu wahren. Da nach den Eckpunkten den „Besonderheiten des Arbeitsrechts […] Rechnung getragen“ wird, ist nicht zu erwarten, dass dies künftig auch für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ermöglicht werden wird.
Formerleichterungen im Nachweisgesetz
Die vielfach kritisierte Regelung in § 2 Abs. 1 des Nachweisgesetzes, wonach der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ausgeschlossen ist, soll ebenfalls eine Änderung erfahren. Ganz klar ist dies in den Eckpunkten allerdings nicht formuliert: Ausdrücklich geplant ist vielmehr eine Regelung, wonach kein Nachweis zu erteilen ist, wenn und soweit ein Arbeitsvertrag oder Änderungsvertrag zu diesem in elektronischer Form – gemeint ist wiederum die gesetzlich geregelte elektronische Form (§ 126a BGB) mit qualifizierter elektronischer Signatur – geschlossen wurde. Diese Regelung bezieht sich auf die bisher in § 2 Abs. 5 NachwG vorgesehene Erleichterung. Ob die Formerleichterung auch dann greift, wenn der Arbeitsvertrag nicht die wesentlichen Vertragsbedingungen enthält und daher zum Nachweis eine Niederschrift nach § 2 Abs. 1 NachwG auszustellen ist, geht aus den Eckpunkten nicht klar hervor.
Erteilung von Arbeitszeugnissen in elektronischer Form
Die Ausstellung von Arbeitszeugnissen, die bisher zwingend die Schriftform wahren müssen, soll nach den Eckpunkten künftig auch in elektronischer Form möglich sein. Wiederum stellen die Eckpunkte des Bundeskabinettes auf die gesetzliche elektronische Form (§ 126a BGB) ab.
Textform statt Schriftform im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz
Eine Erklärung in Textform nach § 126b BGB genügt bislang weder, um einen Antrag auf Elternzeit zu stellen noch um einen solchen Antrag und einen Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit abzulehnen. Nur im Einzelfall konnte es nach der Rechtsprechung des BAG dem Arbeitgeber nach Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf die Nichteinhaltung der Schriftform zu berufen. Dieses Schriftformerfordernis soll nach den Eckpunkten durch die Textform ersetzt werden.
Bewertung
Die geplanten Maßnahmen sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber gerade im Hinblick auf das Nachweisgesetz bei Weitem noch nicht ausreichend, um Arbeitgeber und Arbeitnehmer zeitnah von unnötigen bürokratischen Pflichten zu entlasten. Aufgrund der technisch sehr hohen Anforderungen zur Erfüllung der gesetzlichen elektronischen Form nach § 126a BGB dürfte die vorgesehene Erleichterung zunächst eher von theoretischer Natur sein. Hier stellt sich die Frage, weshalb nicht auch ein Nachweis wesentlicher Vertragsbedingungen in Textform, beispielsweise per E-Mail, zur Erfüllung des Nachweisgesetzes als ausreichend angesehen werden kann. Hier bestünde auch die Möglichkeit, statt elektronischer Signatur mit den höchsten Sicherheitsstandards dem europäischen Modell zu folgen und jede elektronische Form zuzulassen, sofern die Informationen für den Arbeitnehmer zugänglich sind, gespeichert und ausgedruckt werden können und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält (vgl. Art. 3 S. 2 Arbeitsbedingungenrichtlinie EU 2019/1152). Dem Sinn des Nachweisgesetzes – nämlich der Schaffung von Transparenz – dürfte dies nicht zuwiderlaufen.
Ob überhaupt alle Eckpunkte in das neue Gesetz aufgenommen werden, bleibt abzuwarten. Auch ist der Abbau von Bürokratie keine rein nationale Aufgabe, da einige Formerfordernisse durch zwingende europäische Vorgaben in das deutsche Recht umgesetzt worden sind – Justizminister Buschmann bezifferte diesen Anteil gar auf 57 Prozent. Auch auf dieser Ebene besteht daher dringender Handlungsbedarf.