Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag, den 23.06.2022 das Gesetz (BT-Drucksache 20/1636) zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen („Arbeitsbedingungenrichtlinie“) verabschiedet. Das neue Gesetz bringt spürbare Änderungen mit sich, die für die Praxis von Bedeutung sind. Wie Arbeitgeber die Neuerungen am besten umsetzen und was sich im Einzelnen ändert, erläutert der folgende Beitrag. 

Die „Arbeitsbedingungenrichtlinie“ des Rates der Europäischen Union und des Europäischen Parlaments trat am 31.07.2019 in Kraft. Hintergrund dieser Richtlinie ist es, „in dieser sich wandelnden Arbeitswelt“ die Arbeitnehmer umfassend, zeitnah und schriftlich über ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen zu unterrichten. Die Frist für die Umsetzung läuft für die Mitgliedsstaaten am 31.07.2022 aus. 

Änderungen im Nachweisgesetz
Bereits jetzt regelt das Nachweisgesetz (NachwG) zum Schutz der Beschäftigten umfangreiche Informationspflichten. So erfordert § 2 NachwG u. a., dass der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, bei befristeten Arbeitsverhältnissen auch die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie der Arbeitsort in Niederschrift in den Anstellungsvertrag aufzunehmen ist. Wichtig ist, dass das bisherige deutsche Recht keine Ordnungswidrigkeiten kannte, wenn die Nachweispflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt wurden. Dies ändert sich nun mit der Neufassung des Gesetzes. Was sich allerdings nicht geändert hat, ist, dass die wesentlichen Arbeitsbedingungen weiterhin schriftlich niederzulegen sind. Wenngleich die Richtlinie die elektronische Form vorsieht, bleibt sie im deutschen Recht weiterhin ausgeschlossen, § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG

Nunmehr müssen zusätzlich zu den bereits in § 2 NachwG genannten Arbeitsbedingungen folgende Regelungen aufgenommen werden: 

  • bei Befristungen das Enddatum des Arbeitsverhältnisses; 
  • die Möglichkeit, den eigenen Arbeitsort frei wählen zu können; 
  • die Dauer der vereinbarten Probezeit; 
  • die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von u.a. Überstunden, Zulagen, Sonderprämien sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts; 
  • die Art der Auszahlung und die Fälligkeit des Arbeitsentgelts;
  • die vereinbarte Arbeitszeit, Ruhepause und Ruhezeit sowie Einzelheiten zum Schichtsystemfalls;
  • Regelungen zur Arbeit auf Abruf, falls vereinbart;
  • die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen;
  • ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen;
  • im Falle einer betrieblichen Altersversorgung Angaben zum Versorgungsträger;
  • ein Hinweis auf die anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen, sowie
  • Angaben zum Kündigungsverfahren. 

Ergänzungsbedarf: Insbesondere Angaben zum Kündigungsverfahren 
Von großer praktischer Bedeutung für den Arbeitgeber ist, dass nunmehr die Angabe der maßgeblichen Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Muster-Anstellungsvertrag nicht mehr ausreichen. Daneben muss der Arbeitgeber künftig mindestens über das Schriftformerfordernis der Kündigung (§ 623 BGB) und die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage unterrichten, § 4 KSchG. Diese Anforderungen bringen zahlreiche Fragen mit sich, denn das Gesetz enthält lediglich Mindestanforderungen. Aufgrund der vielschichtigen Voraussetzungen des Kündigungsverfahrens können die für erforderlich erachteten Angaben zum „Kündigungsverfahren“ schnell ausufern. Die Klärung dieser Frage dürfte damit schnell eine Sache für die Gerichte werden. Wenngleich eine nicht ordnungsgemäße Unterrichtung im Anstellungsvertrag keinen Einfluss auf die Präklusionswirkung nach § 7 KSchG hat, wonach eine Kündigung nach mehr als drei Wochen nicht mehr gerichtlich angegriffen werden kann, ihre Rechtswirksamkeit also unwiderlegbar vermutet wird, sind die Folgen bei einem Verstoß nicht unerheblich. 

Fehlende oder falsche Unterrichtung kann Bußgelder nach sich ziehen
Das Gesetz sieht bei neu begründeten Arbeitsverhältnissen in Abhängigkeit von den konkreten Arbeitsbedingungen unterschiedliche Fristen vor. Für die Praxis bietet es sich an, sich an der kürzesten Frist zu orientieren und damit spätestens am Tag des Arbeitsantritts die Arbeitsbedingungen auszuhändigen. Arbeitnehmer, die mit dem Arbeitgeber schon vor der Änderung des NachwG im Arbeitsverhältnis standen, können von ihrem Arbeitgeber verlangen, dass die wesentlichen Arbeitsbedingungen innerhalb von einer Woche ausgehändigt werden. Verstöße können erstmals als Ordnungswidrigkeit behandelt werden, die mit einer Geldbuße von bis zu EUR 2.000,00 geahndet werden können. 

Handlungsempfehlung und Praxistipps
Für Arbeitgeber stellt sich vom 01.08.2022 an die Frage, welche Auswirkungen das neue Gesetz auf ihre Anstellungsvertragsmuster hat. Wenngleich bei Standardarbeitsverträgen die Anpassungen recht überschaubar ausfallen dürften, sollte ein Abgleich der bisherigen Vertragsvorlagen mit den neuen Anforderungen des NachwG erfolgen. Zum Kündigungsverfahren, insbesondere zu den entsprechenden Fristen für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage wird kaum ein Anstellungsvertragsmuster bislang Informationen vorsehen. 

Wie Sie die Neuregelungen kompakt und umfassend bis zum Inkrafttreten des Gesetzes in der Praxis umsetzen können, erfahren Sie im kommenden Spotlight-Vortrag „Reform des Nachweisgesetzes – bußgeldbewehrte neue Anforderungen an den Arbeitsvertrag?“ unserer Partner Dr. Erwin Salamon und Stefan Gatz am 07.07.2022 um 10:00 Uhr (Online-Veranstaltung).

Autoren: Dr. Christian Hoppe , Esra Karagün