Unerwünschte Telefonwerbung nervt und ist in vielen Fällen rechtswidrig. Dennoch dürfen Behörden Callcenter-Betreiber, auch wenn sie klar illegal vorgehen, nicht öffentlich benennen und dadurch an den „Pranger“ stellen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Köln mit Urteil vom 17.11.2023 – 1 K 3664/21 – entschieden.
Sachverhalt
Die Klägerin ist ein Unternehmen aus dem Bereich des Telemarketings. Im Auftrag von namenhaften Kunden führte sie am Telefon Verkaufsgespräche mit bestehenden und potenziellen Kunden und schoss dabei aus Sicht der Bundesnetzagentur (BNetzA) etwas über das Ziel hinaus. Die Behörde führte wegen des Verdachts unerlaubter Werbeanrufe ein Bußgeldverfahren gegen die spätere Klägerin, das Ende 2020 mit dem Erlass eines Bußgeldbescheids nach § 130 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. in Höhe von 145.000 Euro endete. Nach den Feststellungen der BNetzA hatte das Unternehmen den angerufenen Kunden zum Teil Zusatzleistungen untergeschoben und in Rechnung gestellt, die sie nicht bestellt hätten. Auch habe für die Werbeanrufe keine gültige Werbeeinwilligung vorgelegen. Eine ausdrückliche Einwilligung ist aufgrund von § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG aber zwingend erforderlich. Das Unternehmen legte gegen den Bescheid Einspruch ein und er ist auch weiterhin nicht rechtskräftig. Dessen ungeachtet veröffentlichte die BNetzA kurze Zeit später eine Pressemitteilung, in der sie, unter namentlicher Nennung des betroffenen Unternehmens, über den Fall, die erhobenen Vorwürfe und das verhängte Bußgeld berichtete.
Bereits 2021 führte das Unternehmen gegen diese Pressemitteilung ein Eilverfahren, in dem der BNetzA in zweiter Instanz deren Veröffentlichung einstweilig untersagt wurde (OVG Nordrhein-Westfalen, 17.05.2021 – 13 B 331/21). Nun hat das VG Köln in erster Instanz auch in der so genannten Hauptsache entschieden und der BNetzA die Verbreitung der Pressemitteilung untersagt.
Wo liegt das Problem
Grundsätzlich gehört es auch zu den Aufgaben einer Behörde, über ihre Tätigkeit zu berichten. Allgemeines behördliches Informationshandeln dient der Information der Öffentlichkeit und bedarf als solche regelmäßig keiner gesonderten Rechtsgrundlage (Annexkompetenz zur Sachaufgabenzuständigkeit; vgl. BVerwG 18.09.2019 – 6 A 7.18.).
Etwas anderes gilt aber dann, wenn amtliche Äußerungen einen unmittelbaren Grundrechtseingriff darstellen oder einem solchen gleichkommen. Entfalten staatliche Äußerungen eine Prangerwirkung, begründen sie einen (mittelbaren) Eingriff in das Grundrecht der nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit, wenn sie zweckgerichtet die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der betroffenen Unternehmen verändern. Solch eine zweckgerichtete Benachteiligung liegt nach den Feststellungen des VG durch die Pressemitteilung vor. So habe die BNetzA selbst in einer allgemeinen Leitungsvorlage festgelegt, dass das „verhängte Bußgeld nicht nur einen repressiven und tadelnden, sondern auch einen general- und spezialpräventiven Charakter entfalten [sollte]“.
Damit bedürfe es zur Rechtfertigung des Eingriffs einer gesetzlichen oder verfassungsunmittelbaren Grundlage, an der es in diesem Fall fehle. Zwar enthält auch das für die BNetzA einschlägige TKG Normen, welche Öffentlichkeitsarbeit durch Veröffentlichungen im Amtsblatt oder durch Pressemitteilungen in gewissem Umfang erlauben. Diese seien aber einschränkend auszulegen und im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Auch die allgemeinen Grundsätze staatlichen Informationshandelns, die das Bundesverfassungsgericht herausgearbeitet hat (vgl. BVerfG, 26.06.2002 – 1 BvR 558/91 „Glykol“), rechtfertigten die Pressemitteilung nicht, da die namentliche Berichterstattung über das Bußgeld nicht den zugewiesenen spezifischen Aufgaben als Verfolgungsbehörde, sondern der allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit der BNetzA zuzuordnen sei.
Geschäftsschädigende Auswirkungen
Öffentlich an den Pranger gestellt zu werden ist für Unternehmen nicht bloß unangenehm, sondern im schlimmsten Fall sogar existenzbedrohend. Als Teil der staatlichen Verwaltung können sich Behörden nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen. Greifen staatliche Äußerungen daher in Grundrechte der Bürger oder juristischer Personen ein, kann dies nicht allein im Rahmen einer Grundrechtsabwägung gerechtfertigt werden. Unabhängig von der Frage, ob die Aufsichtsmaßnahmen einer Behörde in der Sache gerechtfertigt sind oder nicht, bedarf eine potentiell geschäftsschädigende Äußerung der Behörde einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage, die regelmäßig nicht vorliegen wird. Gegen solche Äußerungen kann ein schnelles Vorgehen im vorläufigen Rechtsschutz geboten sein.
Anders wird allerdings die Informationspraxis des Bundeskartellamts bewertet, die durch das zuständige OLG Düsseldorf bestätigt wurde (vgl. etwa OLG Düsseldorf, 09.10.2014 – VI- Kart 5/14 (V)). Laut dem VG Köln liegt der entscheidende Unterschied zum hiesigen Fall darin, dass den Kartellbehörden mit § 53 Abs. 5 GWB, anders als der BNetzA, eine einschlägige Rechtsgrundlage für eine Informationspraxis zur Seite steht, auch wenn diese sich für Unternehmen rufschädigend auswirken kann.
Praxishinweis
Folgendes sollten Sie beachten: Erstens ist im Falle anprangernden Behördenverhaltens regelmäßig Eile geboten, um einen drohenden Reputationsverlust möglichst frühzeitig einzuhegen. Zweitens werden nicht alle Behörden gleich behandelt. Und drittens ist auch mit einem erfolgreichen Antrag gegen die Behörde noch keine Aussage darüber getroffen, ob Pressevertreter und (private) Dritte dennoch identifizierend berichten dürfen.
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