Arbeitnehmerin arbeitete teilweise im Home Office
Die Arbeitnehmerin nahm am 01.12.2021 bei der Beklagten eine Tätigkeit als Pflegemanagerin und leitende Pflegefachkraft in der Tagespflege bzw. der ambulanten Pflege auf. Sie hatte insbesondere die Aufgabe, das Qualitätshandbuch und andere Unterlagen, die für das Pflegemanagement erforderlich waren, zu überarbeiten.
Hierbei war es ihr gestattet, im Home Office zu arbeiten, wobei die Arbeitszeiten monatlich in einer vorgegebenen Tabelle nach Arbeitsbeginn und Arbeitsende zu erfassen waren. Hieraus ergibt sich, dass die Arbeitnehmerin monatlich bis zu 70 % ihrer Arbeitszeit im Home Office tätig war. Während der Zeiten im Home Office versendete die Arbeitnehmerin zahlreiche dienstlich veranlasste Emails, die Arbeitsaufgaben zum Inhalt hatten.
Wie kam es zum Rechtsstreit?
Nachdem die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin ordentlich zum 31.05.2022 gekündigt hatte, machte die Arbeitnehmerin Ansprüche auf Arbeitsentgelt für die Monate April und Mai 2022 sowie Urlaubsabgeltung vor Gericht geltend. Im Gegenzug verlangte die Arbeitgeberin die Rückzahlung des Bruttolohns für 300,75 Arbeitsstunden im Home-Office, welcher für die Monate Dezember 2021 bis März 2022 gezahlt wurde (insgesamt EUR 7.112,74). Dies begründete die Arbeitgeberin damit, dass die Arbeitnehmerin die 300,75 Arbeitsstunden im Home Office angegeben habe, ohne hierfür irgendeinen objektivierbaren Arbeitsnachweis vorzulegen.
LAG Mecklenburg-Vorpommern entschied zugunsten der Arbeitnehmerin
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern entschied nun zugunsten der Arbeitnehmerin, weshalb die Berufung der Arbeitgeberin insoweit ohne Erfolg blieb. Die Arbeitnehmerin hat demnach einen Anspruch auf das abgerechnete Nettoentgelt für die Monate April und Mai 2022 sowie auf eine Urlaubsabgeltung für neun Tage. Zudem ist die Arbeitnehmerin nicht zur Rückzahlung von Arbeitsentgelt verpflichtet.
Grundsatz: „Ohne Arbeit kein Lohn“
Nach Auffassung des LAG ist die Arbeitnehmerin nicht dazu verpflichtet, einen Teil des Gehalts für die Monate Dezember 2021 bis März 2022 zurückzuzahlen (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB). Sie darf das Gehalt behalten, da sie sich auf den Vergütungsanspruch stützen kann (Arbeitsvertrag i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB). Dies gilt auch für die Arbeitszeiten im Home Office, so das LAG. Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers entfällt ganz oder teilweise nur dann, wenn er seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt. Hierbei nimmt das LAG Bezug auf den Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Die Erbringung der Arbeitsleistung ist eine Fixschuld, die an feste Zeiten, also an bestimmte Tage und Stunden, gebunden ist und grundsätzlich nicht nachgeholt werden kann.
Arbeitgeber muss Nichtleistung darlegen und beweisen
Laut dem LAG Mecklenburg-Vorpommern trägt der Arbeitgeber nun grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast, dass und in welchem Umfang der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nicht erfüllt hat. Auf den entsprechenden Prozessvortrag des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer sodann substantiiert zu erwidern. Dies gilt auch bei Arbeitsleistungen im Home Office. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber konkret unter Angabe von Beweisen vortragen muss, welche Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer zu welchen Zeitpunkten hätte erbringen müssen und welche davon nicht erfolgt sind. Vorliegend hat die Arbeitgeberin nicht dargelegt, in welchem Umfang die Arbeitnehmerin im Home Office ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt und keine Arbeitsleistungen erbracht habe. Die Beklagte hat weder eine Nichtleistung im Umfang von 300,75 Stunden, noch eine Nichtleistung in geringerer Anzahl belegt.
Arbeitnehmer muss seine persönliche Leistungsfähigkeit angemessen ausschöpfen
Die Arbeitnehmerin hat im Home Office verschiedene Arbeitsleistungen erbracht, was sich insbesondere aus E-Mails ergebe, die die Arbeitnehmerin an Home Office-Tagen an die Arbeitgeberin oder an dort Beschäftigte versandt hat. Soweit den E-Mails Anlagen beigefügt waren, ließen diese auf weitere vorangegangene Arbeitsleistungen schließen. Unerheblich ist, ob die Arbeitnehmerin die Arbeiten in der gewünschten Zeit oder in dem gewünschten Umfang erledigt hat. Ein Arbeitnehmer genügt seiner Leistungspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Eine Schlechtleistung berechtigt den Arbeitgeber nicht, die Gehaltszahlung zu verweigern (LAG Rheinland-Pfalz v. 13.02.2007 - 3 Sa 319/06, das vom LAG Mecklenburg-Vorpommern zitiert wird).
Fazit und Praxishinweise
Will der Arbeitgeber den Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ umsetzen, so muss er auch darlegen und beweisen, dass keine Arbeitsleistung erbracht wurde. Es genügt nicht, schlicht zu behaupten, der Arbeitnehmer habe nicht oder aber schlecht gearbeitet. Die Weichenstellung zwischen Nichtleistung und Schlechtleistung ist grundlegend: Während bei einem Arbeitszeitbetrug eine außerordentliche Tat- und hilfsweise Verdachtskündigung angezeigt ist und das Gehalt gekürzt werden kann, sind beim sogenannten Low Performing die Hürden für eine arbeitsrechtliche Sanktionierung sehr hoch. Da der Nachweis der Nichtleistung bei einer Tätigkeit im Home Office naturgemäß schwer fällt, tut der Arbeitgeber gut daran, dem Arbeitnehmer sehr konkrete Arbeitsanweisungen zu erteilen und deren Einhaltung regelmäßig zu überprüfen. Dies gilt zumindest dann, wenn der Arbeitgeber den Verdacht hat, dass Arbeitnehmer im Home Office keine Arbeitsleistung erbringen.
Unter Mitarbeit: Jan Löffler