Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften an ihre Anteilseigner sind gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 oder 9 EStG steuerpflichtig und unterliegen der Kapitalertragsteuer, sodass diese im ersten Schritt mit 25% zzgl. Solidaritätszuschlag belastet werden. Im Falle von Ausschüttungen aus den von der Gesellschaft erwirtschafteten Gewinnen scheint dies legitim. Wenn es sich allerdings um die Rückgewähr von geleisteten Einlagen des Gesellschafters handelt, die mit bereits versteuertem Kapital erbracht wurden und lediglich zurückgezahlt werden, erscheint eine erneute Besteuerung bei der Rückgewähr nicht sachgerecht. Aus diesem Grund wird die Einlagerückgewähr anders als die Dividende gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG steuerfrei gestellt. Um nun aber unterscheiden zu können, wann es sich um eine steuerpflichtige Dividende und wann um eine steuerfreie Einlagenrückgewähr handelt, wurde das Konzept des steuerlichen Einlagekontos des § 27 KStG – eine Art steuerliche Schattenrechnung – eingeführt.
Laut Gesetzestext stand diese Möglichkeit zunächst nur in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften (§ 27 Abs. 1 bis 6 KStG) sowie seit 2006 auch in der EU unbeschränkt Steuerpflichtigen (§ 27 Abs. 8 KStG a.F.) zur Verfügung. Mit dem Jahressteuergesetz 2022 („JStG 2022“) wurde der § 27 Abs. 8 KStG insoweit geändert, dass ab dem Veranlagungszeitraum 2023 diese Möglichkeit allen Körperschaften auch aus Drittstaaten eröffnet wurde.
Dieser Blogbeitrag soll eine Übersicht über die Vorschrift sowie deren Herausforderung insbesondere bei ausländischen Antragstellern bieten.
Zeitliche Einordnung und Hintergrund der Einführung von § 27 Abs. 8 KStG
Zunächst beschränkte sich die Möglichkeit der steuerfreien Einlagenrückgewähr aus dem Einlagekonto nur auf Kapitalgesellschaften, welche im Inland unbeschränkt steuerpflichtig waren. Dies stieß auf viel Kritik, da es die Investition in inländische Kapitalgesellschaften gegenüber ausländischen attraktiver machte und somit ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit begründete. Durch die Einführung des § 27 Abs. 8 KStG in 2006 wurde dieser Kritik nur zum Teil Abhilfe geschaffen, da der Anwendungsbereich zwar erweitert wurde, allerdings nur um Kapitalgesellschaften, welche in einem EU Mitgliedsstaat unbeschränkt steuerpflichtig waren. Der BFH entschied daher mit Urteil vom 13. Juli 2016, dass eine Einlagenrückgewähr auch von einer Gesellschaft in Anspruch genommen werden darf, die in einem Drittstaat ansässig ist und kein steuerliches Einlagenkonto i.S. des § 27 KStG führt. Auch mit Urteil vom 10. April 2019 wurde dahingehend entschieden, dass die ab 2006 geltende Rechtslage es zulassen muss, Leistungen aus dem Vermögen von einer im Drittstaat ansässigen Gesellschaft als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren. Das BMF hat mit Schreiben vom 21. April 2022 zu den BFH-Urteilen Stellung genommen und die Anwendung der Einlagenrückgewähr i.S. des § 27 KStG bestätigt. Folglich wurde mit JStG 2022 der Abs. 8 insoweit geändert, dass nun auch Körperschaften oder Personenvereinigungen, welche nicht der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegen, als begünstigte Personen aufgeführt werden. Diese können nun ab dem Veranlagungszeitraum 2023 eine Einlagenrückgewähr im Rahmen des gesonderten Feststellungsverfahren i.S.d. § 27 Abs. 8 KStG vornehmen, um eine ungerechtfertigte Besteuerung der Einlagenrückgewähr zu verhindern. Demnach sind nun sämtliche ausländische Gesellschaften vom persönlichen Anwendungsbereich des § 27 Abs. 8 KStG erfasst, sofern diese Leistungen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 9 EStG erbringen.
Ermittlung der Einlagenrückgewähr und in der Praxis auftretende Herausforderungen
Gemäß § 27 Abs. 8 Satz 2 KStG ist die Einlagenrückgewähr entsprechend der Absätze 1 bis 6 und der §§ 28 und 29 KStG zu ermitteln. Es werden demnach auch hier die Bezugsgrößen wie im Inlandsfall herangezogen. Zu ermitteln ist daher die erbrachte Leistung der ausländischen Gesellschaft im aktuellen Wirtschaftsjahr der Einlagenrückgewähr, der Bestand des (fiktiven) steuerlichen Einlagekontos zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs, der Bestand des Eigenkapitals, einschließlich des gezeichneten Kapitals, zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs und der ausschüttbare Gewinn zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs. Die Berechnung der Einlagenrückgewähr wird nachfolgend anhand eines Zahlenbeispiels zum besseren Verständnis erläutert:
Erbrachte Leistung in 2023 i. H. v. EUR 250.000
abzgl. ausschüttbarer Gewinn zum 31. Dezember 2022, welcher sich wie folgt ermittelt:
Eigenkapital laut Steuerbilanz zum 31. Dezember 2022 EUR 450.000
abzgl. Nennkapital -EUR 100.000
abzgl.Bestand des fiktiven steuerlichen
Einlagekontos zum 31. Dezember 2022 -EUR 200.000
= ausschüttbarer Gewinn -EUR 150.000
Steuerpflichtig nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 9 EStG EUR 150.000
Betrag der steuerfreien Einlagenrückgewähr EUR 100.000
Die Möglichkeit der steuerfreien Einlagenrückgewähr ist jedoch immer auf den Bestand des steuerlichen Einlagekontos beschränkt.
Was hier in der Theorie einfach erscheint, birgt jedoch große Herausforderungen in der Praxis. Da der § 27 Abs. 8 KStG im Unterschied zu den normalen Inlandsfällen z.B. keine gesonderte, jährliche fortzuschreibende Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos vorsieht, muss bei jedem Antrag der Bestand des steuerlichen Einlagekontos unter sinngemäßer Anwendung von § 27 Abs. 1 bis 6 KStG als unselbstständige Besteuerungsgrundlage ermittelt werden. Unbedingt zu beachten ist, dass die Bezugsgrößen nach den für Inlandskörperschaften geltenden Rechtsgrundsätzen und somit mit Hilfe entsprechender Überleitungsrechnungen nach deutschem Steuerrecht (bzw. auf Basis deutscher Steuerbilanzen) zu ermitteln sind. So ist die ausländische Handelsbilanz daraufhin zu untersuchen, ob dem Grunde oder der Höhe nach ausschließlich Positionen berücksichtigt wurden, die auch nach deutschen handels- und steuerrechtlichen Grundsätzen vorgesehen sind. Dies gilt auch für die Ermittlung der begünstigten Einlagen i. S. d. deutschen Vorschriften. Hierzu ist es notwendig, die lokalen Rechnungslegungsvorschriften der ausländischen Gesellschaft zu kennen; ggf. unter Einbindung von lokalen Experten. Die Ermittlung und Dokumentation kann erheblichen Aufwand bedeuten, zumal der Beobachtungszeitraum häufig mehrere Jahre umfasst und teilweise bis zur Gründung der ausländischen Gesellschaft zurückreicht, was zu der weiteren Herausforderung führt, alle notwendigen Unterlagen beschaffen zu können.
Dies ist nur einer von vielen herausfordernden Aspekten. Denn auch die Vorschriften der Antragstellung oder mögliche Wechselkursschwankungen können Probleme mit sich ziehen.
Fazit
Es ist erfreulich, dass grundsätzlich allen Gesellschaften, unabhängig von ihrer Ansässigkeit, der Anwendungsbereich der steuerfreien Einlagerückgewähr eröffnet ist. Allerdings ist insbesondere aufgrund des Abstellens auf die deutschen steuerlichen Bilanzierungsvorschriften ein Antrag häufig sehr aufwendig, da entsprechende Überleitungsrechnungen sowie erhebliche Dokumentationen vorbereitet werden müssen.
Aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht sollte vor einer Einlagenrückgewähr – abhängig von deren Höhe – abgewogen werden, ob sich ein Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG überhaupt lohnt oder ob die Kosten des Antrags den Nutzen der steuerfreien Rückgewähr überwiegen. Auf der anderen Seite ist es empfehlenswert, bereits ab Gründung oder Erwerb einer ausländischen Gesellschaft, deren Kapitalbedarf insbesondere in der Anlaufphase oft erheblich ist, darauf zu achten, dass alle notwendigen Unterlagen und Berechnungen laufend gesammelt und verarbeitet werden, um im Fall einer späteren Einlagerückgewähr einen hohen administrativen Aufwand weitestgehend vermeiden zu können.