Der Wechsel von der bisherigen Ausgleichspostenmethode hin zur Einlagelösung bei ertragsteuerlichen Organschaften mutet zunächst nur nach „Technik in der Darstellung“ an. Dies mag in vielen Fällen so sein. Gleichwohl können sich in gewissen Konstellationen steuerpflichtige Erträge aus dem Methodenwechsel ergeben. Bei einem dem Kalenderjahr entsprechenden Geschäftsjahr sind diese steuerlichen Folgen im Jahr 2022 zu berücksichtigen.

Organschaftliche Minder- und Mehrabführungen (Einlagelösung)
Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts vom 25.06.2021 (BStBl. I, 889) wurde die Darstellung organschaftlicher Ausgleichsposten neu geregelt. Mit dem BMF-Schreiben vom 29.09.2022 hat die Finanzverwaltung zur Anwendung der Neuregelung praktische Hinweise gegeben. 

Bei einem dem Kalenderjahr entsprechenden Geschäftsjahr sind die steuerlichen Konsequenzen erstmals im Veranlagungszeitraum 2022 zu berücksichtigen, so dass sich ggf. Auswirkungen auf die Steuerpositionen in den demnächst zu erstellenden Jahresabschlüssen zum 31.12.2022 ergeben können.

Organschaftliche Minder- oder Mehrabführungen liegen vor, wenn der an den Organträger abgeführte (handelsrechtliche) Gewinn von dem Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft abweicht und diese Abweichung in organschaftlicher Zeit verursacht ist.

Ursachen für Minder- oder Mehrabführungen sind u.a. Unterschiede in der Bewertung von Bilanzpositionen in Handels- und Steuerbilanz der Organgesellschaft. 

Minderabführungen liegen vor, wenn der handelsrechtlich abgeführte Gewinn geringer ist als der steuerbilanzielle Gewinn der Organgesellschaft. In organschaftlicher Zeit verursachte Minderabführungen der Organgesellschaft sind als Einlage des Organträgers in die Organgesellschaft zu behandeln. Der Beteiligungsbuchwert der Organgesellschaft beim Organträger ist daher entsprechend zu erhöhen. Der Ertrag, der sich aus der buchtechnischen Erhöhung des Beteiligungsbuchwerts ergibt, ist außerbilanziell zu korrigieren. Minderabführungen erhöhen das steuerliche Einlagekonto der Organgesellschaft.

Mehrabführungen liegen demgegenüber vor, wenn der handelsrechtlich abgeführte Gewinn höher ist als der steuerbilanzielle Gewinn der Organgesellschaft. In organschaftlicher Zeit verursachte Mehrabführungen der Organgesellschaft sind als Einlagenrückgewähr der Organgesellschaft an den Organträger zu behandeln. Der Beteiligungsbuchwert der Organgesellschaft beim Organträger ist daher entsprechend zu verringern, wobei eine Minderung nur bis zu einem Buchwert von EUR 0,00 zulässig ist. Die Bilanzierung eines negativen Beteiligungsbuchwerts ist ausgeschlossen. 

Der Aufwand, der durch die buchtechnische Minderung des Beteiligungsbuchwerts entsteht, ist außerbilanziell zu korrigieren. Mehrabführungen mindern das steuerliche Einlagekonto der Organgesellschaft vorrangig vor anderen Leistungen und ermöglichen insoweit einen Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto. 

Einlage und Einlagenrückgewähr sind nicht auf das Verhältnis der Beteiligung des Organträgers am Nennkapital der Organgesellschaft begrenzt. Unabhängig von der Beteiligungsquote ist dem Organträger stets die gesamte Minder- bzw. Mehrabführung der Organgesellschaft zuzurechnen.

Eine Saldierung der Minder- und Mehrabführungen bei der Organgesellschaft ist nicht zulässig. Eine Saldierung der Minder- und Mehrabführungen beim Organträger ist hingegen beteiligungsbezogen zulässig. 

Entstehung eines veräußerungsähnlichen Ertrages aus der Beteiligung an der Organgesellschaft durch die Neuregelung
Übersteigen die Mehrabführungen der Organgesellschaft an den Organträger die Summe aus Beteiligungsbuchwert und Minderabführungen, liegt insoweit ein veräußerungsähnlicher Ertrag vor. Abhängig von der Rechtsform des Organträgers unterliegt dieser Ertrag entweder der Privilegierung des § 8b KStG oder dem Teileinkünfteverfahren.

Denkbar ist eine derartige Mehrabführung beispielsweise, wenn selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter in der Handelsbilanz aktiviert werden, wohingegen in der Steuerbilanz gemäß § 5 Abs. 2 EStG eine Aktivierung unterbleibt.

Übergangsregelung und Rücklage nach § 34 Abs. 6e KStG
Mit dem Wechsel von der Ausgleichspostenmethode zur Einlagelösung liegt nach der Übergangsregelung des § 34 Abs. 6e Satz 9 und 10 KStG ein veräußerungsähnlicher Ertrag auf Ebene des Organträgers insoweit vor, als der bisherige passive Ausgleichsposten einer Organgesellschaft die Summe aus dem Beteiligungsbuchwert und dem bisherigen aktiven Ausgleichsposten übersteigt. 

Abhängig von der konkreten Konstellation kann sich demnach eine Steuerbelastung ergeben, so dass es sich insoweit nicht lediglich um reine „Technik der Darstellung“ handelt. Da hier ein Veräußerungsvorgang lediglich fingiert wird, fehlt es – im Gegensatz zu einer tatsächlichen Veräußerung – an einem Liquiditätszufluss, der zur Begleichung der Steuern verwendet werden kann.

Zur Abmilderung dieser möglichen Steuerbelastung aufgrund des Methodenwechsels hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung geschaffen.

Es besteht ein Wahlrecht den veräußerungsähnlichen Ertrag vollständig oder teilweise in der Steuerbilanz des Organträgers in eine gewinnmindernde Rücklage einzustellen. 

Bei einem dem Kalenderjahr entsprechenden Geschäftsjahr ist diese Rücklage in 2022 zu bilden. 

Die Rücklage ist im Wirtschaftsjahr ihrer Bildung sowie in den folgenden neun Wirtschaftsjahren zu jeweils einem Zehntel gewinnerhöhend aufzulösen. Bei einer Veräußerung der Beteiligung an der Organgesellschaft oder einem einer Veräußerung gleichgestellten Vorgang ist die verbleibende Rücklage vollständig aufzulösen.

Die Erträge aus der Auflösung der Rücklage unterliegen ebenfalls § 8b KStG oder dem Teileinkünfteverfahren. 

Praxishinweis
Bestehende Ausgleichsposten für organschaftliche Minder- und Mehrabführungen sind bei einem dem Kalenderjahr entsprechenden Geschäftsjahr in 2022 aufzulösen. Möglicherweise kann sich aufgrund des Methodenwechsels hieraus ein steuerpflichtiger Ertrag auf Ebene des Organträgers ergeben. 

Sofern sich trotz Begünstigung der Erträge nach § 8b KStG oder dem Teileinkünfteverfahren wesentliche Steuerbelastungen ergeben, sollte die Bildung einer gewinnmindernden Rücklage erwogen werden, um die Steuereffekte entsprechend zu strecken. 

Ebenso können sich steuerpflichtige Erträge aus laufenden organschaftlichen Mehrabführun-gen ergeben, wenn diese den Beteiligungsansatz der Organgesellschaft in der Steuerbilanz des Organträgers sowie etwaige organschaftliche Minderabführungen übersteigen. Hierfür kommt eine Rücklagenbildung nicht Betracht.

Die steuerlichen Effekte aus der neuen Einlagelösung sind bei der Aufstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.2022 erstmalig zu beachten, wenn das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspricht. 

Details zum Wechsel zur Einlagelösung können dem BMF-Schreiben vom 29.09.2022 entnommen werden.
 

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