Es ist eine Frage der Auslegung, ob ein Lizenzvertrag oder eine Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen vorliegt.
Im Gegensatz zu Lizenzverträgen ist bei Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen die ordentliche Kündigung ausgeschlossen.
Worum geht es?
Die Brauereien Paulaner aus München und Riegele aus Augsburg streiten um die Nutzung der Bezeichnung „Spezi“. Riegele ist Inhaberin von „Spezi“-Marken, die sie (über einen Markenverband) an Dritte lizenziert. Paulaner lehnte eine Mitgliedschaft in dem Verband und den Abschluss eines Lizenzvertrages ab und beruft sich auf eine Vereinbarung aus dem Jahr 1974, mit der Riegele der Rechtsvorgängerin von Paulaner – nach einer markenrechtlichen Auseinandersetzung – die Benutzung des Wortes „Spezi“ für ein alkoholfreies, kolahaltiges Mixgetränk gestattet hatte.
Riegele erklärte im Jahr 2021 die Kündigung der Vereinbarung aus dem Jahr 1974 und bot den Abschluss eines Lizenzvertrages an. Paulaner hat hiergegen Klage erhoben und die Feststellung beantragt, dass der Vertrag aus dem Jahr 1974 fortbesteht.
Lizenzvertrag oder Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung
Mit einem Lizenzvertrag räumt der Markeninhaber – typischerweise gegen eine Lizenzgebühr – einem Lizenznehmer ein Nutzungsrecht ein. Der Lizenznehmer partizipiert so am Recht des Markeninhabers. Eine Regelung hierzu findet sich in § 30 MarkenG. Im Lizenzvertrag werden typischerweise die inhaltlichen, räumlichen und zeitlichen Grenzen der Lizenz geregelt.
In einer Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung hingegen verpflichtet sich der Markeninhaber, gegen bestimmte Nutzungshandlungen eines Dritten nicht aus seiner Marke vorzugehen. Hier wird also gerade kein Nutzungsrecht eingeräumt. Die Vereinbarung zielt auf die endgültige Regelung eines von den Parteien befürchteten Markenkonflikts.
Die Entscheidung des LG München I
Das Landgericht München I (Urteil vom 11.10.2022 – 33 O 10784/21) legte die Vereinbarung aus dem Jahr 1974 als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung aus, in die Paulaner als Rechtsnachfolgerin eingetreten sei. Hierbei sei nicht der Wortlaut entscheidend – in dem Vertrag war vereinzelt von einer Lizenz die Rede – sondern der Vertrag sei nach allgemeinen Regeln auszulegen.
Ein Lizenzvertrag läge danach nicht vor, da Paulaner nicht die Nutzung der „Spezi“-Zeichen von Riegele gestattet worden sei. Vielmehr habe Riegele in der Vereinbarung die Nutzung eines davon deutlich abweichenden eigenen „Spezi“-Zeichens durch Paulaner gestattet. Statt einer Lizenzgebühr sei ein einmaliger Abschlag gezahlt worden. Die Überschrift des Vertrages sei in den Verhandlungen von „Lizenzvertrag“ zu „Vereinbarung“ geändert worden. Regelungen zur Laufzeit oder Kündigungsmöglichkeiten seien nicht enthalten. Die Position von Paulaner sei zudem in dem Vertrag deutlich stärker, als dies Riegele ihren Lizenznehmern üblicherweise zugestehe.
Das Landgericht München I schloss sich der überwiegenden Auffassung an, nach der eine markenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung – im Gegensatz zu Lizenzverträgen – nicht ordentlich kündbar ist. Denn aufgrund der potentiell ewigen Schutzdauer einer Marke widerspreche die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung dem Bedürfnis, durch eine solche Vereinbarung einen (möglichen) Konflikt endgültig beizulegen und so Rechtssicherheit für erhebliche Investitionen zu erlangen.
Für eine außerordentliche Kündigung fehlte ein wichtiger Grund. Paulaner halte – unstreitig – die vertraglichen Regelungen ein und der Wunsch von Riegele, an Paulaners wirtschaftlichem Erfolg zu partizipieren, sei kein wichtiger Grund.
Die Widerklage von Riegele, mit der Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht wurden, wies das Landgericht München I ab, da die beanstandete Zeichennutzung mit Zustimmung Riegeles erfolge, nämlich aufgrund der Vereinbarung von 1974.
Fazit
Die vom Landgericht München herausgearbeiteten Punkte sprechen für eine Einordnung der Vereinbarung von 1974 als Abgrenzungs- und Koexistenzvereinbarung.
Wenn die Parteien – um eine weitere rechtliche Auseinandersetzung zu vermeiden – eine Abgrenzungs- und Koexistenzvereinbarung schließen, dann ist es konsequent, dass diese nicht ordentlich kündbar ist. Denn ansonsten wäre die – für Investitionen erforderliche – Rechtssicherheit stark eingeschränkt.
Nicht entschieden wurde die spannende Frage, ob „Spezi“ überhaupt noch als Marke schutzfähig ist, oder ob es sich inzwischen zu einer gebräuchlichen Bezeichnung für eine Mischung aus Cola und Limonade entwickelt hat.