Das Bundesverwaltungsgericht hatte als erste und einzige Instanz im einstweiligen Rechtsschutz über ein schnelles Vorgehen gegen das LNG-Terminal im Hafen Mukran zu entscheiden.
Das LNG-Terminal auf der Insel Rügen kommt. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Eilanträge von vier Antragstellern zurückgewiesen, die zuvor Widerspruch gegen das Vorhaben eingelegt hatten. Mit ihren Anträgen auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem BVerwG wollten sie das bereits genehmigte Terminals doch noch verhindern und sind damit nun gescheitert. Ihre Anträge seien bereits unzulässig, entschied das oberste deutsche Verwaltungsgericht in Leipzig. Alle vier Antragsteller hätten nicht erkennen lassen, dass es überhaupt möglich sei, dass sie in ihren Rechten verletzt seien.
Sachverhalt
Der deutsche Gesetzgeber hat zum 1. Juni 2022 das sog. LNG-Beschleunigungsgesetz erlassen [Artikel auf dem Esche-Blog].
Auch nachdem eine drohende Energieknappheit im Winter 2022/23 abgewendet werden konnte, spielt LNG als Übergangstechnologie in den Augen des Gesetzgebers eine wichtige Rolle im deutschen Energiemix.
An verschiedenen Standorten in Norddeutschland wurden und werden zunächst provisorische LNG-Terminals errichtet, über die flüssiges Erdgas (liquefied natural gas – LNG) angelandet und ins Gasnetz eingespeist werden kann.
So auch im Hafen Mukran auf der Ostseeinsel Rügen, in einem ausgewiesenen Gewerbe- und Industriegebiet. Um dies zu ermöglichen, genehmigte die zuständige Behörde die Errichtung und den Betrieb eines Terminals. Dort sollen nun zwei sog. „Floating Storage and Regasification Units“ („FSRUs“), also schwimmende Speicher- und Regasifizierungsschiffe installiert werden, über die LNG von bis zu 110 Tankschiffen jährlich angelandet und ins deutsche Gasnetz eingespeichert werden kann.
Bereits im Juli 2023 stimmte auch der deutsche Bundestag dafür, den Weg für LNG auf Rügen freizumachen.
Doch das Vorhaben stand von Anfang an in der Kritik. Für viele ist und bleibt LNG als fossiler Energieträger nach wie vor ein rotes Tuch. Das häufig durch Fracking gewonnene Erdgas wird als besonders umweltschädlich wahrgenommen. Anwohner und Lokalpolitiker befürchten außerdem Lärmimmissionen und Nachteile für den Tourismus vor Ort. Auch die Wahl des Standortes wird immer wieder kritisiert, ganz nach dem Motto „not in my backyard“. Auf Rügen gingen die Gemeinde Ostseebad Binz, der Betreiber der örtlichen Jugendherberge Prora und zwei privaten Grundstückseigentümer gegen das Vorhaben vor.
Kein Rechtsschutz für Jedermann
Das BVerwG hat in vier Beschlüssen vom 6. Juni 2024 (BVerwG 7 VR 4.24, 5.24, 6.24, 7.24) in erster und letzter Instanz entschieden und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen den Genehmigungsbescheid zurückgewiesen. Grund für die besondere Zuständigkeit des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts ist § 12 S. 1 LNGG iVm. 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, der erlassen wurde, um lange Instanzenzüge und Verfahrensdauern zu verhindern. Der Beschleunigungseffekt scheint jedenfalls in diesem Fall auch eingetreten zu sein.
Das BVerwG hat die Anträge aller Antragsteller zurückgewiesen. Ihnen fehle es jeweils an einem Antragsbedürfnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO. Die von ihnen vorgetragenen Sicherheitsrisiken seien schlicht nicht erkennbar. Damit hätten die Antragsteller nicht hinreichend vorgetragen, dass es nicht bereits offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen sei, dass sie durch den Bescheid in ihren Rechten verletzt würden. Die Antragsteller hatten vorgetragen, dass ihre Wohnhäuser bzw. die Jugendherberge oder die beplanten Gebiete des Ostseebads Binz durch das Vorhaben der FSRUs betroffene Schutzobjekte seien.
Diese liegen allerdings über 1 km, 1,5 km bzw. 3 km entfernt vom Standort des Terminals. Der nach Ansicht der Richter fehlerfrei ermittelte angemessenen Sicherheitsabstand zum Betriebsbereich des Terminals werde dadurch in jedem Fall eingehalten. Auch etwaige Auswirkungen eines rein hypothetischen „Störfallszenarios“, mit denen die Antragsteller argumentiert hatten, seien in diesem Abstand nicht nachvollziehbar.
Damit konnten alle vier Anträge keinen Erfolg haben: Auch im einstweiligen Verfahren herrscht seit jeher das Konzept des Individualrechtsschutzes, das Popularklagen vorbeugen und verhindern soll, dass der Einzelne als Anwalt für die Durchsetzung des Rechts auftritt („quivis ex populo“).
Vorgeschichte und Ausblick
Bereits im April hatte das BVerwG die Klagen der Deutschen Umwelthilfe und des NABU gegen die Genehmigung der Anbindungsgaspipeline zum Terminal abgewiesen (BVerwG, 25.04.2024 – Az. 7 A 9.23, Az. 7 A 11.23).
Nun ist am Abend des 7. Juli 2024 auch das zweite Schiff – die „Energos Power“ – im Hafen Mukan angekommen, nachdem die „Neptune“ bereits einige Tage zuvor eingetroffen war. Beide sollen miteinander verbunden und dann ans Gasnetz angeschlossen werden. Anschließend können auf Rügen jährlich etwa 13,5 Milliarden Kubikmeter LNG angelandet und ins deutsche Gasnetz eingespeist werden.
Weiterführende Links: https://www.bverwg.de/060624B7VR5.24.0
https://www.bverwg.de/060624B7VR6.24.0