Zur vermeintlich schnellen (bau-)technischen Klärung erscheint nicht selten die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens zweckdienlich. Oftmals erscheint auch eine monetäre Bewertung eines Konflikts und die Formulierung von Klageanträgen noch nicht möglich. Die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens hat den Vorteil, dass gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB die Zustellung eines Antrags auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens die Verjährung hemmt. 

Ein selbstständiges Beweisverfahren ist grundsätzlich mit der sachlichen Erledigung der beantragten Beweissicherung anderweitig beendet i.S.v. § 204 Abs. 2 S. 1, 2. Fall BGB. Erfolgt die Beweiserhebung durch ein schriftliches Sachverständigengutachten, ist dies mit dessen Übersendung an die Parteien der Fall, wenn weder das Gericht nach den §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO eine Frist zur Stellungnahme gesetzt hat noch die Parteien innerhalb eines angemessenen Zeitraums Einwendungen dagegen oder das Gutachten betreffende Anträge oder Ergänzungsfragen mitteilen. Läuft eine vom Gericht gesetzte Frist zur Stellungnahme ab, ohne dass die Parteien hiervon Gebrauch machen, endet das Verfahren grundsätzlich mit deren Ablauf.

Unsicherheit bot in der Vergangenheit jedoch, dass nach der bisherigen st. Rspr. des BGH die Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens – und somit das um den Ablaufzeitraum von 6 Monaten verlängerte Ende der Verjährungshemmung (§ 202 Abs. 2 S. 1 BGB) – für jedes Mängelsymptom gesondert zu bestimmen war. Eine förmliche Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Die Hemmung der Verjährung von Mängelansprüchen konnte danach zu unterschiedlichen Zeitpunkten enden. D.h., wurde ein selbständiges Beweisverfahren zu einem eigenständigen Mängelkomplex fortgesetzt, führte es nicht mehr zu einer Hemmung auch hinsichtlich anderer, davon nicht mehr betroffener Mängel, auch wenn diese Gegenstand desselben Verfahrens waren.

Nunmehr entschied der BGH unter Aufgabe seiner bisherigen st. Rspr. (Aufgabe von BGH, Urt. v. 03.12.1992 - VII ZR 86/92 - BGHZ 120, 329), dass für die Beurteilung der sachlichen Erledigung grundsätzlich das Ende der gesamten Beweisaufnahme entscheidend sei. Dies gelte unabhängig davon, ob in einem selbstständigen Beweisverfahren die Sicherung des Beweises hinsichtlich nur eines Mangels oder mehrerer - auch voneinander unabhängiger - Mängel stattfindet und auch ohne Rücksicht darauf, ob diese durch einen oder mehrere Sachverständige erfolgt.

Der BGH hält fest, dass sich der Umfang des selbstständigen Beweisverfahrens nach dem, einem verfahrenseinleitenden Antrag stattgebenden, Beschluss des Gerichts gemäß § 490 Abs. 2 ZPO bestimmt (BGH, Urt. v. 22.06.2023 - VII ZR 881/21 Rn. 26). 

Das Problem in dem vom BGH entschiedenen Fall bestand darin, dass die Beweissicherung hinsichtlich von Rissen in Attikaelementen eines Bauvorhabens an sich bereits mit Ablauf der ersten Stellungnahmefrist sachlich erledigt war, so dass auf der Grundlage der früheren st. Rspr. des BGH (selbstständige Beurteilung der Verjährungsunterbrechung) insoweit die Ansprüche bei Klageerhebung bereits verjährt gewesen wären.

Der BGH begründet seine Rechtsprechungsänderung mit Gründen der Rechtssicherheit und dem formalen Charakter des § 204 Abs. 2 S. 1 BGB. Sinn und Zweck des § 204 BGB und prozessökonomische Erwägungen gebieten es, die Verjährungshemmung erst dann enden zu lassen, wenn die gesamte Beweisaufnahme sachlich erledigt ist. Im vorliegenden Fall konnte somit die Hemmung der Verjährung auch hinsichtlich der (im weiteren Verfahrensablauf nicht mehr erörterten) Risse in den Attikaelementen erst mit der sachlichen Erledigung der übrigen verfahrensgegenständlichen Mängel enden.

In der Praxis schafft die Rechtssprechungsänderung des BGH deutliche Rechtssicherheit. Das infolge häufig unzureichender Zeitersparnisse mitunter in Verruf geratene Beweissicherungsverfahrens könnte demnach wieder an Bedeutung gewinnen. 

Gegenstand der Entscheidung des BGH war indes nicht, wie mit Mängeln umzugehen ist, die erst während der Durchführung des Verfahrens offenbar werden und die demnach nicht Gegenstand des verfahrenseinleitenden Beschlusses gemäß § 490 Abs. 2 ZPO sind. In einem solchen Fall würde das Gericht jedoch auf Antrag einen ergänzenden Beweisbeschluss erlassen. Es dürfte davon auszugehen sein, dass mit Blick auf die Verfahrensökonomie und dem Sinn und Zweck des § 204 BGB auch in dieser Konstellation eine Verfahrensbeendigung dann anzunehmen ist, wenn die gesamte Beweisaufnahme beendet ist.
 

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