Die Anforderungen an eine nachhaltig ausgerichtete Unternehmensführung steigen stetig an. Gesetzgeberische Maßnahmen zur Erfüllung von Kriterien aus den Bereichen Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance) – kurz: ESG-Kriterien – sind in aller Munde, wenngleich die hiermit verbundenen Pflichten und Anforderungen bislang teilweise noch recht nebulös daherkommen. Weitere gesetzgeberische Maßnahmen dürften hier jedoch nicht lange auf sich warten lassen.
Ein kurzer Rückblick: Seit Inkrafttreten des Aktionärsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (ARUG II) im Jahre 2020 sind börsennotierte Gesellschaften verpflichtet, über ihr Vergütungsregime Rechenschaft abzulegen – auch kurz „Say on Pay“ genannt. Veröffentlicht und regelmäßig aktualisiert werden müssen in diesem Zusammenhang ein System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder sowie jährliche Vergütungsberichte für Vorstand und Aufsichtsrat. Die inhaltlichen Anforderungen hier sind immens. Sowohl das Vergütungssystem als auch die jährlichen – zudem vom Abschlussprüfer geprüften – Vergütungsberichte sind zudem der Hauptversammlung zur Billigung vorzulegen. Diese Vorlage zur Billigung ist der eigentliche „Say-on-Pay-Vorgang“, denn auch wenn die Hauptversammlung nicht formal über das Vergütungsregime zu beschließen hat, leiten sich doch gewichtige Rechtsfolgen von etwaigen substantiellen Einwänden oder gar einer versagten Billigung ab. Nicht umsonst spielt das Thema Vorstandsvergütung in den letzten Jahren auf den Hauptversammlungen der betreffenden Unternehmen eine ganz zentrale Rolle.
Es erscheint naheliegend, dass der Gesetzgeber den vorstehenden „Say-on-Mechanismus“ künftig auch im Rahmen der Einhaltung von ESG-Kriterien im Aktiengesetz für (zumindest kapitalmarktorientierte) Unternehmen implementieren dürfte. Dies wäre dann eine Art „Say on Climate“ und würde über die heutigen Anforderungen zur Veröffentlichung einer sog. nichtfinanziellen Erklärung im Lagebericht der Unternehmen deutlich hinausgehen, soweit auch hier ein entsprechender Billigungsvorbehalt der Hauptversammlung normiert wird. Eine besondere Sensibilität dürfte dabei dem Umstand zukommen, dass der „Druck“ zur Einhaltung von ESG-Kriterien und der Erzielung signifikanter Fortschritte in diesem Bereich von Seiten der Aktionäre/Investoren vielfach deutlich ausgeprägter als es dies auf Seiten der betroffenen Unternehmen selbst der Fall ist. In diese Richtung gehen auch die Ergebnisse einer jüngst veröffentlichten Studie vom New Climate Institute und Carbon Market Watch, wonach zahlreiche Klimastrategien unklare Verpflichtungen, unglaubwürdige Kompensationspläne und Lücken mit Blick auf die Reduzierung von Emissionen enthalten. Dies zeigt, dass die Unternehmen unter Beobachtung stehen und es proaktiv vermeiden sollten, sich dem Vorwurf des „Greenwashing“ mit allen hier drohenden Rechtsfolgen auszusetzen.
Praxistipp:
Für die in Rede stehenden Unternehmen dürfte es sich empfehlen, die zahlreichen europäischen und hiesigen Gesetzesinitiativen im Bereich der ESG-Kriterien genau zu verfolgen. Vieles in Sachen Nachhaltigkeit, Transparenz und Unternehmensintegrität ist hier bereits „State of the Art“ oder in Vorbereitung. Eine unternehmerische Befassung mit diesen Themen bedingt dann auch sorgfältige Implementierungsmaßnahmen zum Auf- und Ausbau entsprechender Risikomanagement- und Compliancesysteme. So bietet es sich – nicht zuletzt aus Gründen des Share- und Stakeholder Values – an, frühzeitig kurz-, mittel- und langfristige Ziele zu benennen, die die Reduzierung eigener Emissionen, weiterhin avisierte Maßnahmen, einen realistischen Zeitrahmen und eine entsprechende Kostenprognose zum Gegenstand haben. Über den Stand der Umsetzung, Fortschreibung und Anpassung dieser Zielsetzung sollte dann jährlich berichtet – und früher oder später zweckmäßigerweise hierzu auch ein unverbindlicher Say-on-Climate-Beschluss der Hauptversammlung herbeigeführt werden. Denkbar wäre dies auch schon zu einem Zeitpunkt vor „offizieller“ Aufnahme einer solchen Verpflichtung ins Aktiengesetz.