Mit Urteil vom 1. September 2021 – II R 40/19 entschied der BFH, dass sog. Bedarfsabfindungen unter Ehegatten im Scheidungsfall keine freigebigen Zuwendungen darstellen. Dies wurde in der Beraterpraxis zunächst sehr begrüßt. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail.
Häufig möchten Ehegatten für den Fall der Scheidung vorsorgen und untereinander verbindliche und klare Regelungen schaffen. Insbesondere sollen spätere Streitigkeiten und aufwendige gerichtliche Verfahren über Auskunfts- und Belegvorlageansprüche vermieden werden. Hierfür werden regelmäßig pauschalisierte Zahlungsansprüche zur Abgeltung der vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen vereinbart.
Kernaussagen des BFH
Hiermit beschäftigte sich auch der BFH im vorgenannten Urteil. In dem der Entscheidung zugrundeliegendem Sachverhalt hatten die Ehegatten die scheidungsrechtlichen Folgen umfassend ehevertraglich geregelt. Der Ehevertrag sah neben der Vereinbarung der Gütertrennung auch den vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs sowie eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts vor. Für den Fall der Scheidung sollte die Ehefrau einen indexierten Zahlungsanspruch i.H.v. 2 Mio. DM erhalten. Nachdem die Ehe geschieden wurde und der Ehemann an die Ehefrau die ehevertraglich vereinbarte Geldsumme leistete, erließ das Finanzamt hierfür einen Schenkungsteuerbescheid. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Anders als das Finanzamt und das Finanzgericht sah der BFH in der Zahlung an die Ex-Ehefrau keine freigebige Zuwendung i.S.v. § 7 ErbStG. Nach seiner Ansicht hätte es einer Leistung ohne rechtliche Verpflichtung bedurft. Hier hätten die Eheleute hingegen die Rechtsfolgen der Ehebeendigung umfassend individuell und abweichend von den gesetzlichen Leitbildern geregelt. Der vereinbarte Zahlungsanspruch sollte nur für den Fall der Beendigung der Ehe fällig werden. Insoweit läge eine entgeltliche Bedarfsabfindung vor, die von einer unentgeltlichen Pauschalabfindung abzugrenzen sei.
Bedarfsabfindung vs. Pauschalabfindung
Nach Auffassung des BFH liegt eine ehevertragliche Pauschalabfindung regelmäßig dann vor, wenn Kompensationsleistungen für den Verzicht auf vermögensrechtliche Rechtsfolgen (z. B. Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich, nachehelicher Unterhalt) bereits vor Beendigung der Ehe an den anderen Ehegatten geleistet werden. Da im Leistungszeitpunkt die Ehe noch nicht beendet sei und somit die vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen noch nicht entstanden seien, stünden der Zahlung keine Gegenleistungen bzw. allenfalls unsichere Ansprüche gegenüber. Daher soll bei einer Pauschalabfindung eine freigebige Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gegeben sein.
Die Bedarfsabfindung soll nach Ansicht des BFH hingegen keine Zahlung ohne Gegenleistung darstellen. In diesen Fällen diene der Ehevertrag und die Abfindungszahlung dazu, das Vermögen der Eheleute vor unwägbaren finanziellen Verpflichtungen infolge einer Beendigung der Ehe zu schützen. Die durch die Bedarfsabfindung erlangte Rechtssicherheit, dass sämtliche vermögensrechtlichen Folgen umfassend und interessengerecht im Fall der Beendigung der Ehe ausgeglichen und geklärt seien, stelle eine taugliche Gegenleistung dar. Deshalb liege eine unentgeltliche Zuwendung nicht vor.
Auswirkungen auf die Gestaltungspraxis
Doch Vorsicht ist geboten, sofern nun angenommen wird, dass es zur Vermeidung einer freigebigen Zuwendung genüge, den ehevertraglichen Zahlungsanspruch aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der Beendigung der Ehe zu vereinbaren. Der BFH ließ in seiner Entscheidungsbegründung nicht erkennen, ob auch dann eine Bedarfsabfindung vorliegen soll, wenn die Eheleute nur für einzelne vermögensrechtliche Scheidungsfolgen einen pauschalisierten Zahlungsanspruch bei Beendigung der Ehe vorsehen.
In der Praxis besteht insoweit die einhellige Auffassung, dass die Rechtsprechung des BFH bislang nur auf solche ehevertraglichen Abfindungsleistungen übertragbar ist, die die vermögensrechtlichen Rechtsfolgen bei Beendigung der Ehe umfassend und abschließend regeln. Es muss ein Gesamtpaket bzw. Vertragskonvolut vorliegen, das einen umfassenden Interessenausgleich zwischen den Ehegatten darstellt und aus dem keine Einzelleistung ohne Gegenleistung isoliert werden kann.
Steuerliche Risiken
Doch selbst im Fall einer klaren Vertragsgestaltung besteht steuerrechtlich ein weiteres Problem, da die Finanzverwaltung zwischenzeitlich einen Nichtanwendungserlass zur schenkungsteuerfreien Bedarfsabfindung im Scheidungsfall veröffentlicht hat. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist die Entscheidung des BFH zur Bedarfsabfindung derart einzelfallbezogen, dass die Ausführungen nicht verallgemeinerungsfähig sind.
Für die steuerrechtliche Praxis bedeutet dies nicht nur, dass die Vereinbarung einer Pauschalabfindung in Eheverträgen möglichst vermieden werden sollte. Selbst in Fällen einer Bedarfsabfindung (zumindest für den Scheidungsfall) ist aufgrund des Nichtanwendungserlasses davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung in der Zahlung eine freigebige Zuwendung sehen wird. Es wird zwangsläufig zu einem finanzgerichtlichen Verfahren kommen, dessen Ausgang aufgrund der (bisherigen) Einmaligkeit der o.g. Entscheidung des BFH nicht rechtssicher beurteilt werden kann.
Doch für Bedarfsabfindungen besteht nicht nur das Risiko, dass diese von der Finanzverwaltung als freigebige Zuwendung behandelt werden. Vor dem Hintergrund, dass die Bedarfsabfindung erst nach Beendigung der Ehe geleistet wird, ergeben sich weitere steuerliche Nachteile. Insbesondere gelten die Parteien des Ehevertrags nach Beendigung ihrer Ehe nicht mehr als Ehegatten, sodass nicht nur die im Vergleich zur Steuerklasse I ungünstigere Steuerklasse II zu einem höheren Schenkungsteuersatz führt, sondern auch der schenkungsrechtliche Freibetrag zwischen den einstigen Eheleuten nur noch 20.000 Euro beträgt. Diese Probleme stellen sich bei der Pauschalabfindung nicht, da die Eheleute im Leistungszeitpunkt noch miteinander verheiratet sind.
Fazit
Vor diesem Hintergrund führt sowohl die Pauschalabfindung als auch die Bedarfsabfindung für die ehevertragliche Gestaltungspraxis zu steuerrechtlich unbefriedigenden Ergebnissen. Insbesondere die Bedarfsabfindung birgt zusätzlich das steuerrechtliche Risiko eines höheren Steuersatzes und eines geringeren Freibetrags zwischen den Vertragsparteien. In der Konsequenz können die steuerlichen Risiken der Bedarfsabfindung im Ergebnis sogar noch deutlich gravierender sein, als in den Fällen der Pauschalabfindung. Die Vor- und Nachteile der Bedarfsabfindung sind daher im jeweiligen Fall gesondert zu prüfen.