Die sozialen Standards leiten eine andere Annäherung an die Berichterstattung ein als sie in den umweltbezogenen Standards üblich ist: sie unterscheiden nicht zwischen Themen, sondern zwischen Zielgruppen. In diesem Sinne legt ESRS S1 die Berichtsanforderungen für Unternehmen in Bezug auf ihre eigene Belegschaft fest. Ziel ist es, Transparenz über wesentliche Auswirkungen, Risiken und Chancen im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden im Unternehmen sowie mit Gleichbehandlung und Chancengleichheit zu schaffen. Unternehmen müssen Informationen zu Strategien, Konzepten, Maßnahmen sowie Zielen und relevanten Kennzahlen offenlegen. Der Standard ist in Hinblick auf seinen Aufbau umfangreicher als die umweltbezogenen Standards, da insbesondere im Abschnitt Ziele und Kennzahlen umfangreiche Offenlegungen erforderlich sind. 

1. Strategie

Zunächst erfordert die Berichterstattung nach ESRS S1 eine Angabe in Zusammenhang mit ESRS 2 (Allgemeine Angaben). Unternehmen müssen offenlegen, wie die  Interessen, Standpunkte und Rechte der eigenen Beschäftigten  in die Unternehmensstrategie und das Geschäftsmodell einbezogen werden.  Des Weiteren müssen Unternehmen auf den Zusammenhang zwischen den wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen und Strategie und Geschäftsmodell des Unternehmens eingehen: hier stehen die Fragen im Vordergrund, ob die identifizierten Auswirkungen Strategie und Geschäftsmodell entspringen bzw. diese beeinflussen und wie Strategie und Geschäftsmodell mit Risiken und Chancen in Verbindung stehen, die durch Auswirkungen verursacht werden. Abschließend müssen Unternehmen nähere Informationen zu den Beschäftigten und den wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen vermitteln, um den Leser des Nachhaltigkeitsberichts zu befähigen, diese im Kontext der eigenen Geschäftstätigkeit und der Wertschöpfungskette des Unternehmens besser verstehen zu können. So sind zum Beispiel Angaben dazu erforderlich, ob die identifizierten negativen Auswirkungen im Tätigkeitsumfeld des Unternehmens weitverbreitet oder mit individuellen Vorfällen verbunden sind.

2. Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen

Unternehmen sollen darlegen, welche Konzepte sie für das Management wesentlicher Auswirkungen, Risiken und Chancen in Bezug auf ihre eigene Belegschaft anwenden. In dem Zuge  müssen Unternehmen erläutern, inwieweit ihre Konzepte mit internationalen Standards zum Schutz der Menschenrechte wie den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, der IAO-Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen übereinstimmen. Darüber hinaus müssen sie angeben, ob ihre Konzepte explizit Menschenhandel, Zwangs- oder Kinderarbeit umfassen und welche Maßnahmen zur Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten getroffen werden. Des Weiteren ist anzugeben, ob es Konzepte zur Verhinderung von Arbeitsunfällen gibt und zur Förderung von Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion gibt. Nach der Beschreibung von Konzepten  müssen Unternehmen darlegen, inwiefern ihre Arbeitskräfte oder Arbeitnehmervertreter in die Identifizierung und Bewertung von Auswirkungen, Risiken und Chancen in Zusammenhang mit ihnen  eingebunden werden und ob die Sichtweisen der eigenen Belegschaft in den Entscheidungsprozessen des Unternehmens berücksichtigt wird. Darauf aufbauend müssen Unternehmen angeben, über welche Verfahren und Kanäle sie verfügen, um Arbeitskräften die Möglichkeit zu geben, Anliegen und Bedürfnisse mitzuteilen und Beschwerden zu kommunizieren. Dies schließt auch ein, wie Interessensträger eingebunden werden, um die Wirksamkeit der Verfahren und Kanäle sicherzustellen. Im letzten Abschnitt geht es um die Maßnahmen des Unternehmens in Hinblick auf wesentliche Auswirkungen, Risiken und Chancen. Das umfasst auch eine Beschreibung von Abhilfemaßnahmen im Falle von tatsächlichen negativen Auswirkungen mit ein.  

3. Kennzahlen und Ziele

Um die Fortschritte im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit der eigenen Belegschaft messbar zu machen, sind ergebnisorientierte Ziele erforderlich. Die Zielsetzung kann sich auf die Reduzierung negativer Auswirkungen, die Förderung positiver Effekte oder das Management wesentlicher Risiken und Chancen beziehen. Daneben ist auch eine Beschreibung davon erforderlich, inwiefern das Unternehmen bei der Festlegung der Ziele Arbeitskräfte oder Arbeitnehmervertreter einbezogen hat.   Anschließend müssen Unternehmen detaillierte Angaben zu einer weiten Bandbreite von Merkmalen und Kennzahlen in Zusammenhang mit der eigenen Belegschaft machen:  Wichtige Aspekte sind unter anderem die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Maßnahmen zur Diversitätsförderung sowie Programme zur Weiterbildung und Kompetenzentwicklung. Zu den wesentlichen Kennzahlen gehören unter anderem die Gesamtanzahl der Beschäftigten, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, Vertragsart und Region. Ebenso relevant sind Fluktuationsraten, die Anzahl der befristeten und unbefristeten Arbeitsverträge sowie Angaben zu Fremdarbeitskräften. Darüber hinaus sollten Unternehmen Daten zur Entlohnung, zur tarifvertraglichen Abdeckung sowie zum sozialen Dialog bereitstellen. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Berichterstattung zu Maßnahmen im Bereich Gesundheitsschutz und Sicherheit. Unternehmen müssen unter anderem angeben, wie viele Beschäftigte durch ein Managementsystem für Arbeitssicherheit abgedeckt sind, wie viele meldepflichtige Arbeitsunfälle es gab und in welchem Umfang krankheitsbedingte Ausfalltage verzeichnet wurden. Ergänzend dazu sollten Daten zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie zu Diskriminierungs- und Menschenrechtsverstößen erfasst werden.

4. Herausforderungen

Die Erhebung und Bereitstellung dieser umfangreichen Daten stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Besonders für international tätige Unternehmen mit eigenen Standorten – und damit eigener Belegschaft – im Ausland kann eine konsistente und vollständige Datenerfassung über Ländergrenzen hinweg große Anstrengungen – und damit Kosten – bedeuten. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Messbarkeit qualitativer Faktoren wie die Wirksamkeit von Verfahren zur Einbeziehung von Arbeitskräften oder die tatsächliche Wirkung von Diversitätsmaßnahmen.

5. Chancen

Die Einführung einer umfangreichen  Berichterstattung in Zusammenhang mit den Arbeitskräften des Unternehmens bietet Unternehmen jedoch auch zahlreiche Vorteile. Transparenz über soziale Aspekte kann nicht nur das Vertrauen von Investoren und Kunden stärken, sondern auch dazu beitragen, die Attraktivität als Arbeitgeber für Bewerber zu steigern. Unternehmen, die frühzeitig Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zur Förderung von Vielfalt ergreifen, können zudem langfristig von einer stärkeren Mitarbeitermotivation und geringeren Fluktuationsraten profitieren. Zudem ermöglicht eine umfassende Datenbasis eine bessere Steuerung und Optimierung von HR-Strategien.

Fazit

Die Berichtsanforderungen von ESRS S1 erfordern von Unternehmen eine detaillierte Auseinandersetzung mit der eigenen Belegschaft und den sozialen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit. Eine detaillierte Berichterstattung kann jedoch nicht nur regulatorische Anforderungen erfüllen, sondern auch zur strategischen Weiterentwicklung des Unternehmens beitragen. Langfristig können Unternehmen, die soziale Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil ihrer Geschäftsstrategie begreifen und fördern, von einem positiven Unternehmensimage und einer zufriedenen und produktiven Belegschaft profitieren.
 

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