In unserem Blog-Beitrag vom 22. Dezember 2022 BAG-Grundsatzurteile zum Urlaubsanspruch schaffen (weitgehend) Klarheit hatten wir bereits darüber berichtet, dass infolge der Entscheidung des EuGH zur Verjährung von Urlaubsansprüchen (EuGH vom 22.09.2022 – C-120/21) noch zu klären ist, ob auch für die Verjährbarkeit und die Anwendbarkeit von Ausschlussfristen für den Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit erforderlich ist. Das BAG hat sich in zwei Entscheidungen (Urteile vom 31. Januar 2023 – 9 AZR 456/20 sowie 9 AZR 244/20 - Pressemitteilungen) mit dieser Frage auseinandergesetzt.

Verjährung des Urlaubsabgeltungsanspruchs unabhängig von Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten
Das BAG entschied nun, dass die Rechtsprechung des EuGH zum Beginn der Verjährungsfrist von Urlaubsansprüchen auf die Verjährung des Urlaubsabgeltungsanspruchs unmittelbar keine Auswirkungen habe. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch beginne in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ankomme. Dies begründet das BAG damit, dass die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Zäsur bilde und die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers ab diesem Zeitpunkt ende. Zudem sei der Urlaubsabgeltungsanspruch auf eine finanzielle Kompensation beschränkt und diene anders als der Urlaubsanspruch nicht Erholungszwecken.

Ausnahme: Vor 2018 beendete Arbeitsverhältnisse
Mittelbare Auswirkungen auf den Beginn der Verjährungsfrist hat die Rechtsprechung des EuGH zu der Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit aber dennoch: Da die Rechtsprechung bis zur Entscheidung des EuGH vom 6. November 2018 - C-684/16 davon ausging, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfallen, konnte vom Arbeitnehmer bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht erwartet werden, dass er den Urlaubsabgeltungsanspruch aus den Vorjahren gerichtlich durchsetzt. Ohne Kenntnis der vom EuGH im Jahr 2018 erfundenen Mitwirkungsobliegenheit konnte der Arbeitnehmer nicht erkennen, ob und in welchem Umfang Urlaubsansprüche mangels Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit bestanden, damit abzugelten waren und zu verjähren drohten. Der Beginn der Verjährungsfrist für solche Ansprüche verschiebt sich daher auf Ende 2018.

Eine weitere Ausnahme von der Ausnahme (also Beginn der Verjährung bereits vor Ende des Jahres 2018) besteht für den Urlaubsabgeltungsanspruch für den Urlaub aus dem Jahr der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, da dieser Anspruch auch auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung bestand und der Arbeitnehmer wusste, dass zur Vermeidung einer Verjährung grundsätzlich eine gerichtliche Geltendmachung erforderlich war.

Anwendbarkeit von (tariflichen) Ausschlussfristen auf den Urlaubsabgeltungsanspruch
Das BAG hält weiterhin daran fest, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch tariflichen Ausschlussfristen unterfallen kann und begründet dies ebenfalls mit der Zäsurwirkung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Entsprechendes dürfte auch für vertragliche Ausschlussfristen gelten. 

Für die Frage Geltendmachung bei Altfällen (bis 2018) gelten im Übrigen dieselben Grundsätze wie bei der Verjährung, sodass Ausschlussfristen – mit Ausnahme für den Anspruch aus dem Jahr der Beendigung – erst mit Verkündung des EuGH-Urteils vom 6. November 2018 zu laufen begonnen haben.

Auswirkungen in der Praxis und Fazit
Arbeitgeber können (vorerst) aufatmen: Die regelmäßige Verjährungsfrist für den Urlaubsabgeltungsanspruch ist unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BAG für Urlaubsansprüche aus vergangenen Jahren bis einschließlich 2019 seit dem 01.01.2023 abgelaufen. Auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit kommt es nicht an. Es können damit (sofern keine Ausschlussfristen gelten) ausschließlich Urlaubsabgeltungsansprüche, die im Zeitraum 2020 bis heute entstanden sind, geltend gemacht werden. Es steht damit nicht zu befürchten, dass ehemalige Arbeitnehmer Urlaubsabgeltungsansprüche aus diesem Zeitraum durchsetzen können. Noch rascher führen Ausschlussfristen zu Rechtsicherheit.

Allerdings bleibt abzuwarten, ob der EuGH seine Rechtsprechung auch für den Urlaubsabgeltungsanspruch noch weiter konkretisieren wird.
 

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