Mit Blog-Eintrag vom 15. September 2023 haben wir Ihnen bereits einen Überblick über den Regierungsentwurf zum „Wachstumschancengesetz“ und den damit verbundenen geplanten Änderungen gegeben. Zu einer Verabschiedung kam es jedoch zunächst nicht. Am 17. November 2023 beschloss zwar der Bundestag das Gesetz, jedoch wurde es am 24. November 2023 vom Bundesrat abgelehnt und daraufhin in den Vermittlungsausschuss des Deutschen Bundestages und des Bundesrates gegeben. Mit Sitzung vom 21. Februar 2024 stimmte der Vermittlungsausschuss über den Gesetzesentwurf ab. Der Entwurf des Wachstumschancengesetzes wurde dabei in vielen Punkten stark abgeändert sowie in einigen Punkten gar gestrichen. Am 23. Februar 2024 bestätigte der Bundestag das Verhandlungsergebnis. In seiner Sitzung vom 22. März 2024 stimmte schließlich auch der Bundesrat zu. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die relevantesten Änderungen des verabschiedeten Gesetzes.
Da die Anpassungen der Zinsabzugsbeschränkung nach § 4h EStG und § 8a KStG gemäß der EU-Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD) bis spätestens zum 31. Dezember 2023 umgesetzt werden mussten, wurden sie aus dem Wachstumschancengesetz herausgelöst und in das Kreditzweitmarktförderungsgesetz aufgenommen, welches am 29. Dezember 2023 veröffentlicht wurde. Die Anpassung der Zinsabzugsbeschränkung greift ab dem 01. Januar 2024. Mit Ausnahme der Streichung der im Wachstumschancengesetzesentwurf noch geplanten Anti-Fragmentierungsregelung wurden alle Anpassungsvorschläge des Regierungsentwurfs bezogen auf § 4h EStG und § 8a KStG umgesetzt
(s. Blog-Beitrag vom 15. September 2023). Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse des final verabschiedeten Gesetzes dargestellt:
Steuerfairness und Umsetzung der EU-Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD)
Die ursprünglich ab dem 01. Januar 2025 in Kraft tretende Anzeigepflicht für innerstaatliche Steuergestaltung wurde – erfreulicherweise und im Sinne des geplanten Bürokratieabbaus– durch den Vermittlungsausschuss gestrichen. Ob dies das endgültige Aus für die nationale Meldepflicht bedeutet, bleibt hingegen abzuwarten.
Die geplante Einführung der Zinshöhenschranke des § 4l EStG-E zur Verhinderung von Gewinnverlagerungen in niedrig besteuerte Länder wurde gestrichen. Ursprünglich war ein Verbot des Betriebsausgabenabzugs von Zinsaufwendungen geplant, sofern diese über einem gesetzlich definierten Höchstzinssatz liegen. Die verabschiedete Fassung des Gesetzes sieht jedoch eine neue Regelung für die Beschränkung von grenzüberschreitenden Konzernfinanzierungen in § 1 Abs. 3d und 3e AStG vor. Diese Änderung ist ebenfalls darauf ausgelegt, Gewinnverlagerungsstrategien in Form von Verlagerungen von Zinsen zu minimieren. Es soll strenge Anforderungen an die zulässige Zinshöhe von Darlehen einführen, welche einem Vergleich unter fremden Dritten standhalten muss. Anwendung soll das Gesetz bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2024 finden.
Stärkung von Wachstumschancen
Die Anhebung von diversen Freibeträgen und –grenzen, um eine Vereinfachung des Steuersystems und eine Minderung des Bürokratieaufwands für kleinere Betriebe herbeizuführen, wurde zum Teil unverändert übernommen, andere wurden hingegen reduziert oder gestrichen:
- Es bleibt bei der geplanten Anhebung der Grenze zur Anwendung der umsatzsteuerlichen Ist-Besteuerung von EUR 600.000 auf EUR 800.000.
- Die Freigrenze des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, wird von EUR 35 auf EUR 50 angehoben. Gilt erstmals für Wirtschaftsjahre mit Beginn nach dem 31. Dezember2023.
- Gestrichen wurde hingegen eine Anhebung des Betrags zur sofortigen Abschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern gem. § 6 Abs. 2 EStG. Der Regierungsentwurf hatte eine Verschiebung der Grenze von EUR 800 auf EUR 1.000 vorgesehen. Es bleibt bei EUR 800.
- Auch vom Vermittlungsausschuss abgelehnt wurde die Modifizierung des § 6 Abs. 2a EStG. Der Regierungsentwurf sah eine Bildung von Sammelposten für Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs-und Herstellungskosten EUR 250 aber nicht EUR 5.000 übersteigen, vor. Der Aufwand sollte über das Jahr der Anschaffung und Herstellung und der zwei folgenden Wirtschaftsjahre verteilt werden. Der Vermittlungsausschuss hat dem jedoch nicht zu gestimmt, sodass es weiterhin bei der Obergrenze von EUR 1.000 und einer Abschreibung über die vier folgenden Wirtschaftsjahre bestehen bleibt.
- Die Anwendung der sog. Fünftelregelung für Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten im Rahmen des Lohnsteuerabzugs war für Arbeitgeber recht kompliziert und wurde nun gestrichen, § 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG. Arbeitnehmer können von der Tarifermäßigung weiterhin im Rahmen des Veranlagungsverfahrens der persönlichen Einkommensteuer Gebrauch machen.
Der Wiedereinführung der degressiven Abschreibung gem. § 7 Abs. 2 EStG wurde in veränderter Weise zugestimmt. Der Vermittlungsausschuss änderte den Entwurf dahingehend, dass die degressive Abschreibung erst für Wirtschaftsgüter gelten soll, die nach dem 31. März 2024 angeschafft oder hergestellt wurden. Das Enddatum bleibt unverändert beim 01. Januar 2025. Eine weitere Abwandlung besteht darin, dass die Abschreibung nun maximal das Zweifache (vorher Zweieinhalbfache) bzw. maximal 20 Prozent (vorher 25 Prozent) betragen darf. Sofern Investitionen von beweglichen Wirtschaftsgütern zeitnah getätigt werden sollen, empfehlen wir daher eine Anschaffung bis zum 31. Dezember 2024, um von diesem Abschreibungsvorteil Gebrauch machen zu können.
Des Weiteren war auch eine degressive Abschreibung für Wohngebäude, die in einem EU/EWR Staat gelegen sind, geplant. Diese wurde mit der Änderung des AfA-Satzes auf 5 Prozent (vorher 6 Prozent) angenommen. Auch der Anhebung der Sonderabschreibung gem. § 7g Abs. 5 EStG wurde mit der Änderung einer Anhebung auf lediglich 40 % statt 50 % zugestimmt.
Die Erweiterung des Forschungszulagengesetzes, auch Forschungszulagen für erforderliche und unerlässliche abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zu gewähren, wurde weitestgehend angenommen. Die einzige Änderung liegt in der Höhe der Bemessungsgrundlage der Forschungszulage. Diese soll auf maximal EUR 10 Mio. statt EUR 12 Mio. angehoben werden. Gestrichen wurde hingegen die geplante Klimaschutz-Investitionsprämie.
Modifiziert angenommen wurde die Erhöhung des Verlustabzugs nach § 10d Abs. 2 EStG. Der über dem Sockelbetrag i.H.v. EUR 1 Mio. liegende Verlustvortrag soll nun auf 70 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres erhöht werden (vorher 60 Prozent, ursprünglich 75 Prozent nach Bundestagsbeschluss und 80 Prozent laut Regierungsentwurf). Dies soll laut Vermittlungsausschuss nicht für die Gewerbesteuer gelten und ist zeitlich beschränkt auf die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027. Die Änderungen zu einem erhöhten Verlustrücktrag wurden gestrichen. Die Höchstgrenzen von EUR 1 Mio. bzw. EUR 2 Mio. bei Zusammenveranlagung gelten somit wieder ab dem Veranlagungszeitraum 2024.
Zudem wurde die Thesaurierungsbegünstigung gem. § 34a EStG insofern angepasst, dass der zu entnehmende begünstigungsfähige Gewinn um die gezahlte Gewerbesteuer sowie die Beträge zur Zahlung der Einkommensteuer erhöht wurde. Des Weiteren wurde der § 34a Abs. 2 EStG angepasst und erweitert. Ab dem Veranlagungszeitraum 2024 dürfen vorrangig Entnahmen bis zur Höhe der Einkommensteuer (zzgl. Solidaritätszuschlag) verwendet werden. Verschärft wurde die Thesaurierungsbegünstigung jedoch im Hinblick auf mögliche Nachversteuerungstatbestände, um Gestaltungsmodelle weitestgehend zu vermeiden.
In § 49 Abs. 1 Nr. 4 lit. a) EStG wurde zudem eine Regelung über die beschränkte Steuerpflicht in Bezug auf Homeoffice-Tätigkeiten bei sog. Grenzgängern ergänzt. Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, die nach dem 31. Dezember 2023 erwirtschaftet wurden, gelten als im Inland ausgeübt, sofern ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) oder eine bilaterale Vereinbarung mit dem Ansässigkeitsstaat vorliegt und Deutschland laut dieser das Besteuerungsrecht zugewiesen wird (spezielle Homeoffice-Regelung, wie z.B. im DBA Luxemburg). Dies ist derzeit nur relevant für Fälle im Zusammenhang mit einer Homeoffice-Tätigkeit mit Staaten, mit denen eine solche Spezialregelung im DBA vereinbart wurde. Bisher enthalten nur wenige deutsche DBA eine solche Regelung. Es ist zu erwarten, dass in Zukunft weitere DBA in ähnlicher Weise angepasst werden.
Weitere Gesetzesänderungen und Regelungen
Mit dem Wachstumschancengesetz wurden neben den bereits genannten Anpassungen noch weitere Modifizierungen und Einführungen vorgenommen. Darunter z.B. auch die obligatorische Verwendung der eRechnung im B2B-Breich ab dem Veranlagungszeitraum 2025. So muss eine Rechnung in einem strukturierten, elektronischen Format ausgestellt werden. Rechnungen, welche den Anforderungen einer eRechnung nicht genügen, werden künftig als „sonstige Rechnungen“ deklariert. Eine ausführliche Erläuterungen über eRechnung finden Sie auf der Internetseite des Bundesministeriums.
Unter Mitwirkung von Vera Schwabe