Zivilrechtlich sind im Rahmen einer Erbschaft zahlreiche gesetzliche Vorgaben einzuhalten. Geht die Aktionärsstellung eines Erblassers auf einen oder mehrere Erben über und werden Aktien eines börsennotierten Unternehmens vererbt, ergeben sich überdies kapitalmarktrechtliche Fragestellungen.
Stirbt ein Aktionär, geht seine Aktionärsstellung regelmäßig im Wege gesetzlicher Rechtsfolge oder durch Testament auf einen oder mehrere Erben über. In solchen Fällen werden, wenn es sich um Aktien einer börsennotierten Gesellschaft (Emittentin) bzw. zum Börsenhandel zugelassene Aktien handelt, in der Folge häufig auch kapitalmarktrechtliche Pflichten ausgelöst, die erbenseitig zu erfüllen sind. Besondere Konstellationen können sich dabei für Fälle mit einem oder mehreren Erben sowie je nach Aktiengattung ergeben.
Hat man es mit lediglich einem Erben zu tun, bestehen ggf. schon ab Kenntnis von der Erbschaft, jedoch spätestens mit Annahme der Erbschaft etwaige kapitalmarktrechtliche Pflichten – wobei die Ausübung von Rechten bei Namensaktien zusätzlich noch der Eintragung ins Aktienregister und bei Inhaberaktien einer Übertragung bzw. Umbuchung der Stücke bedarf. Ob kapitalmarktrechtliche Pflichten des Erben bestehen, wie sie sich namentlich aus der gemeinschaftsrechtlichen Marktmissbrauchsverordnung (MAR) und dem hiesigen Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) ergeben, hängt wiederum von den Umständen des Einzelfalls ab. Von einem Insiderhandelsverbot oder einer Ad-hoc-Publizitätspflicht (wie sie ohnehin nur für das börsennotierte Unternehmen bzw. die Emittentin gelten würde, um deren Aktien es geht) dürfte anlässlich des Anfalls einer Erbschaft bei einem Aktionär regelmäßig nicht auszugehen sein. In Betracht kommt jedoch das Erfordernis einer sog. Directors‘-Dealings-Mitteilung („Eigengeschäfte von Führungskräften“), wie sie gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungswesen (BaFin) und der Emittentin abzugeben wäre, wenn der Erbe Organmitglied oder mit besonderen Führungsaufgaben bei der Emittentin versehen oder eine diesen nahestehende natürliche oder juristische Person ist und das Volumen der vererbten Aktien EUR 20.000 übersteigt (sog. Bagatellgrenze). Für eine solche nach Auffassung der BaFin mit Annahme der Erbschaft ausgelöste Mitteilungspflicht ist es auch unerheblich, wenn es lediglich eine börsennotierte Aktiengattung der Emittentin (beispielsweise Stammaktien) gibt und die Erbschaft sich ausschließlich auf eine andere nicht börsennotierte Aktiengattung (Vorzugsaktien) bezieht.
Weiterhin in Betracht kommt eine entsprechende Mitteilungspflicht des Erben wegen Erreichung oder Überschreitung sog. Stimmrechtsschwellen, wobei die niedrigste Stimmrechtsschwelle bei 3 % der stimmberechtigten Aktien der Emittentin liegt; dabei müssten die ererbten Aktien ggf. mit bereits zuvor vorhandenen Beständen des Erben addiert und mit den verschiedenen im Gesetz normierten Stimmrechtsschwellen abgeglichen werden. Eine Schwellenberührung findet hier bereits mit Eintritt des Erbfalls statt, und die Frist für die Mitteilung (vier Handelstage) entsteht mit dem Zeitpunkt der „Kenntnisnahme(möglichkeit) des Erbanfalls“ (so die BaFin). Eine solche Mitteilungspflicht wäre nicht ausgelöst, wenn bzw. soweit die Erbschaft sich lediglich auf Vorzugsaktien erstreckt, die kein Stimmrecht vermitteln. Zu beachten sind im Rahmen der Mitteilungspflicht zudem etwaige Stimmrechtsbindungsverträge bzw. Poolvereinbarungen mit anderen Aktionären (sog. acting in concert): Werden die ererbten Aktien in einen solchen Pool einbezogen, können sich veränderte Stimmrechtsschwellen und Mitteilungserfordernisse bei sämtlichen Poolmitgliedern ergeben, da die Stimmrechte der einzelnen Poolmitglieder einander gegenseitig zugerechnet werden.
Findet eine Vererbung von Aktien gemeinschaftlich auf mehrere Erben statt, kommt es zivilrechtlich nach einer entsprechenden Annahmeerklärung der Erben und Ausstellung eines Erbscheins regelmäßig zur einer Erbauseinandersetzung innerhalb der Erbengemeinschaft, die dann zu einer konkreten Zurechnung bzw. Verteilung der Aktien auf die einzelnen Erben führt. Daneben besteht bis zur feststehenden Erbauseinandersetzung eine Rechtsgemeinschaft an ungeteilter Mitgliedschaft und der Umstand, dass die Erben hier aus Gründen der Rechtssicherheit ihre Rechte an den Aktien nur einheitlich ausüben dürfen. In diesem Zusammenhang sieht § 69 Abs. 1 AktG vor, dass Rechte aus Aktien, die mehreren Berechtigten zustehen, nur durch einen gemeinsamen Vertreter (hierunter fällt vorrangig auch ein eingesetzter Testamentsvollstrecker) ausgeübt werden können; die Vorschrift ist nicht disponibel, erlangt aber praktische Relevanz nur im Falle von Namensaktien, da bei Inhaberaktien für die Legitimation gegenüber der Emittentin allein der Besitz an den Aktien entscheidend ist. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Erben die Rechte an den Namensaktien erst nach Eintragung im Aktienregister und bis zur endgültigen Erbauseinandersetzung mittels nur eines gemeinschaftlichen Vertreters ausüben können, andererseits mitgliedschaftliche Pflichten jedoch bereits mit dem Erbfall bzw. der Annahme der Erbschaft eintreten. (Die Parallelvorschrift zur Eintragung von Erben in die Gesellschafterliste einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist weniger streng gefasst: hier können mehrere Erben ihre Rechte aus gemeinsam ererbten Gesellschaftsanteilen auch vor Durchführung der Erbauseinandersetzung grundsätzlich selbst ausüben, wenn sie insoweit gemeinschaftlich handeln.)
Kapitalmarktrechtlich sind auch bei mehreren Erben die obigen Pflichtenbereiche einschlägig: Im Bereich der Directors‘ Dealings allerdings mit der Besonderheit, dass ein Mitteilungsverpflichteter (Organmitglied, Person mit besonderen Führungsaufgaben sowie nahestehende Person), der mit anderen Personen eine Erbengemeinschaft bildet, mit Annahme der Erbschaft den Erwerb der Aktien in vollem Umfang der BaFin und der Emittentin mitteilen muss („Annahme einer Erbschaft in Erbengemeinschaft“); hat dann später die Erbauseinandersetzung stattgefunden, hat der Mitteilungspflichtige noch einmal den Umfang an Aktien mitzuteilen, der ihm in diesem Zuge dann endgültig zugewachsen ist („Erlangung der Aktien im Rahmen einer Erbauseinandersetzung“). Im Bereich der Stimmrechtsmitteilungen gelten die obigen Hinweise mit der Besonderheit, dass hier bei Eintritt des Erbfalls zunächst seitens der Erbengemeinschaft (jeder für sich oder in einer gemeinsamen Mitteilung) eine entsprechende Schwellenmitteilung hinsichtlich der insgesamt vererbten Aktien abzugeben ist. Kommt es dann später im Rahmen der Erbauseinandersetzung zu „Verschiebungen“– namentlich zu einer Aufteilung der Aktien oder der alleinigen Übertragung auf einen der Erben – müssten entsprechende weitere Mitteilungen (hier regelmäßig wegen Schwellenunterschreitungen) für die einzelnen Personen abgegeben werden, die den neuen Gegebenheiten entsprechen.
Sind Mitteilungspflichten wie die vorstehend genannten (Directors‘-Dealings und Stimmrechtsmitteilungen) begründet und erbenseitig erfüllt, besteht gleichsam eine entsprechende Veröffentlichungspflicht der betreffenden Emittentin.
Zu beachten ist weiterhin, dass die vorstehend genannten Maßgaben des Director‘-Dealings-Regimes nicht nur für Emittenten gelten, deren Aktien zu einem geregelten Markt zugelassen sind, sondern darüber hinaus auch für Unternehmen, die ihre Aktien in den Freiverkehr einer Börse bzw. einer sog. Multilateral Trading Facility (MTF) einbezogen oder an einer solchen Einbeziehung aktiv mitgewirkt haben.
Praxistipp
Nicht zuletzt auf Anregung der BaFin empfiehlt es sich, in einem konkreten Erbfall, in dem kapitalmarktrechtliche Pflichten ausgelöst sein könnten (Indiz: Vererbung börsennotierte Aktien), frühzeitig die rechtlichen Rahmenbedingungen zu ermitteln und direkten Kontakt zur Aufsichtsbehörde aufzunehmen, um das Bestehen entsprechender Anforderungen und deren Umsetzung (insbesondere Erfüllung von Mitteilungspflichten) bereits im Vorfeld abzustimmen.