Die Aufregung in mitbestimmten Betrieben und unter Arbeitsrechtlern war groß, nachdem der BGH am 10.01.2023 sein Urteil zur richtigen Bemessung der Vergütung von Betriebsräten verkündet hatte. Der BGH hatte die Messlatte, um sich als Organ, Prokurist oder Betriebsratsmitglied aufgrund einer unangemessen hohen Vergütung von Betriebsratsmitgliedern wegen Untreue strafbar zu machen, niedriger gelegt (Blogbeitrag vom 17.03.2023). Die Regierung hatte zügig reagiert und eine Expertenkommission damit beauftragt, einen Regelungsvorschlag zu unterbreiten, um das Gesetz klarstellend zu ändern.Der darauf basierende Gesetzesentwurf wurde bereits am 15.12.2023 vom Bundesrat verabschiedet und dürfte bald in Kraft treten.

Bei dem Stichwort „Strafbarkeit“ klingeln die Alarmglocken eines jeden Geschäftsführers, Vorstandsmitglieds oder Prokuristen. Der BGH entschied im Januar 2023, dass sich die VW-Manager bei der Vereinbarung der hohen Vergütung mit Betriebsratsmitgliedern nicht auf fehlenden Vorsatz berufen könnten, sofern ihnen der rechtliche Grenzbereich bewusst war. Auch rechtliche Gutachten sollten keinen absoluten Flankenschutz mehr bieten. In der Folge stellten viele mitbestimmte Unternehmen das Thema auf den Prüfstand. Viele Arbeitgeber, darunter VW, kürzten vorsorglich die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern und forderten überzahlte Vergütung zurück, um eine Strafbarkeit wegen Untreue zumindest für die Zukunft zu verhindern (§ 266 StGB Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe). 

Arbeitsgerichte als einziger Weg der Rechtssicherheit
Die Betriebsratsmitglieder, die bei VW von einer Kürzung betroffen waren, machten daraufhin gerichtlich eine höhere Vergütung geltend. Die Arbeitsgerichte gaben ihnen weit überwiegend Recht und setzten teilweise sogar eine höhere Vergütung als zuvor fest. Am 08.02.2024 wurde im ersten Berufungsverfahren das Urteil gefällt, die höhere Vergütung für zulässig erklärt und die Revision zum BAG zugelassen. VW dürfte erfreut gewesen sein, nun eine rechtssichere Entscheidung in der Hand zu haben, die eine Strafbarkeit verhindert. Dies gilt vorbehaltlich dessen, dass der Sachverhalt von den Parteien richtig und vollständig vorgetragen wurde. Die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen sprechen dafür, dass die BGH-Entscheidung an der arbeitsrechtlichen Einordnung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern nichts geändert hat. Letztlich aber kann es keine Lösung sein, dass Arbeitgeber zur Vermeidung der Strafbarkeit den Gerichtsweg beschreiten müssen, oder den Betriebsratsmitgliedern gemessen am Gesetz vorzugsweise „zu wenig“ als „zu viel“ Vergütung zahlen. Letztlich ist auch eine Benachteiligung aufgrund einer zu geringen Vergütung strafbar, jedoch lediglich auf Antrag des Betriebsrats, des Unternehmers oder einer Gewerkschaft (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe).

Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot als Maßstab
Die Grundlagen für die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern ergeben sich aus dem Gesetz. Das Betriebsratsamt wird grundsätzlich als Ehrenamt und damit unentgeltlich geführt (§ 37 Abs. 1 BetrVG). Soweit für die Betriebsratsarbeit erforderlich, werden die Betriebsratsmitglieder unter Fortzahlung und ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt (§ 37 Abs. 2 BetrVG). Grundsätzlich darf ein Betriebsratsmitglied nicht wegen seiner Tätigkeit benachteiligt oder begünstigt werden, was auch für seine berufliche Entwicklung gilt (§ 78 S. 2 BetrVG). Ein Betriebsratsmitglied kann den Anspruch auf eine höhere Vergütung auf § 78 S. 2 BetrVG i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB stützen, muss aber dafür eine konkrete Benachteiligung nachweisen, nämlich dass er ohne Betriebsratstätigkeit eine höhere Vergütung erzielen würde (sog. „hypothetischer Karriereverlauf“). § 37 Abs. 4 BetrVG enthält dem gegenüber einfachere Anspruchsvoraussetzungen und setzt einen Mindeststandard fest. Danach darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung (§ 37 Abs. 4 BetrVG).

Vergleichsgruppe gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG durch Betriebsvereinbarung
Der Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 03.11.2023 sieht vor, dass § 37 Abs. 4 BetrVG um folgende Sätze ergänzt wird:

Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.

Eine spätere Neubestimmung für die Vergleichsgruppe kann laut der Gesetzesbegründung darin liegen, dass mit dem Betriebsratsmitglied eine arbeitsvertragliche Änderung abgeschlossen wird (z.B. eine höher oder niedriger dotierte Stelle). Denkbar ist auch, dass sich die vergleichbaren Arbeitnehmer durch eine Umstrukturierung oder grundlegende Umschulung (z.B. vom Schweißer zum Programmierer) verändern. Die Festlegung der Vergleichsgruppe durch Betriebsvereinbarung soll nur dann unwirksam sein, wenn sie grob fehlerhaft ist. Grob fehlerhaft ist die Konkretisierung der jeweiligen Vergleichbarkeitsmerkmale in der Betriebsvereinbarung laut der Gesetzesbegründung, wenn sie sich nicht an diesen Kriterien orientiert, sachwidrige weitere Kriterien benennt, wesentliche Kriterien unberücksichtigt lässt oder diese Kriterien im Verhältnis zueinander eindeutig unzureichend oder mit eindeutig verfehlter Gewichtung berücksichtigt. Die eingeschränkte Überprüfbarkeit, die der Gesetzesentwurf vorsieht, ist damit gegenüber der Rechtsprechung eine echte Änderung.

Keine Benachteiligung oder Begünstigung gemäß § 78 S. 2 BetrVG
Der Gesetzesentwurf sieht weiter vor, dass § 78 BetrVG um den folgenden Satz ergänzt wird:

Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied einer in Satz 1 genannten Vertretung in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.

Arbeitgeber können somit guten Gewissens das Betriebsratsmitglied befördern, soweit der Amtsträger über die Qualifikationsanforderungen einer solchen Stelle verfügt und ein anderer Bewerber aus Sicht des Arbeitgebers aus sachlichen Gründen nicht vorzugswürdig ist. Umgekehrt benachteiligen sie das Betriebsratsmitglied nicht, wenn sie die Stelle mit einem anderen Bewerber vorziehen, sofern dieser vorzugswürdig ist. Die Gesetzesbegründung meint, dass eine Vereinbarung erst dann ermessensfehlerhaft und damit als Begünstigung unwirksam ist, wenn die Vertragsparteien nicht vernünftigerweise davon ausgehen konnten, eine zutreffende Bewertung hypothetischer Gehalts- oder Karriereentwicklung vorgenommen zu haben. Soweit der Arbeitgeber eine plausible, nachvollziehbare Eingruppierung mit dem Mitglied des Betriebsrats in Bezug auf eine konkrete Stelle im Betrieb vereinbart, ist eine darauf gerichtete Änderungsvereinbarung keine Benachteiligung oder Begünstigung.

Durch und während der Betriebsratstätigkeit erworbene Kenntnisse
Die Gesetzesbegründung meint, dass durch und während der Amtstätigkeitstätigkeit erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen im Stellenbesetzungsverfahren zu berücksichtigen sind, soweit sie im Unternehmen auch außerhalb des Betriebsratsamts für die jeweilige Stelle karriere- und vergütungsrelevant sind. Entscheidend sei, dass es sich um Ergebnisse des individuellen Lernprozesses handelt. Es reicht daher nach wie vor nicht, dass ein Betriebsratsmitglied mit Vorständen und Managern „auf Augenhöhe verhandelt“ oder „komplexe Aufgaben“ wahrnimmt oder in „unternehmerische Entscheidungskomplexe eingebunden“ ist. Diese Begründungen hatte der BGH im Januar 2023 als untauglich zurückgewiesen. Wichtig ist, dass die Beförderungsentscheidung sich auf eine konkrete, freie Stelle im Betrieb oder in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens bezieht. Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung die Ansicht der Gesetzesbegründung übernehmen wird, was durch und während der Betriebsratstätigkeit erworbene Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen anbetrifft.

Handlungsempfehlung und Praxistipps
Der Gesetzesentwurf bildet im Wesentlichen die Rechtsprechung ab und bringt insbesondere keine Neuerungen, die eine Rechtsunsicherheit ausschließen. Es bedarf weiterhin einer Klarstellung durch den Gesetzgeber oder die Rechtsprechung, was die strafrechtliche Verantwortung angeht. Dabei ist zu beachten, dass der Staat für eine Strafbarkeit dem Beschuldigten nachweisen muss, dass ein Verstoß gegen das Begünstigungs- oder Benachteiligungsverbot vorliegt. Solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich nicht um eine Benachteiligung oder Begünstigung wegen der Betriebsratstätigkeit handelt, ist ein Verstoß gegen § 78 S. 2 BetrVG nicht nachgewiesen.

Arbeitgeber und Betriebsratsmitglieder sind daher weiterhin gut beraten, sich eingehend mit der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern zu beschäftigen, die rechtlichen Anforderungen sorgfältig abzuarbeiten und ggf. arbeitsgerichtlich eine angemessene Vergütung feststellen zu lassen. Die Gesetzesbegründung bietet einen guten Überblick für die Festlegung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern. Die Betriebsparteien sollten – sofern der Gesetzentwurf Realität wird – zukünftig die Möglichkeit zu nutzen, eine Betriebsvereinbarung und Namensliste zu vereinbaren, damit lediglich noch auf grobe Fehlerhaftigkeit geprüft werden kann. Bei jeder Stellenbesetzung in einem Betrieb desselben Unternehmens ist zu prüfen, ob sich diese auf die Vergütung der Betriebsratsmitglieder auswirkt.

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