Am 17. Juli 2023 veröffentlichte das BMF den Referentenentwurf für das sog. „Wachstumschancengesetz“, welches mittels einer Vielzahl an Änderungen Wachstumschancen von Unternehmen stärken sowie das Steuersystem einfacher und fairer machen soll. Nachdem der Referentenentwurf in einer Kabinettssitzung abgelehnt wurde, wurde nun am 29. August 2023 der Regierungsentwurf zum Wachstumschancengesetz veröffentlicht. Die meisten Änderungen sollen zu Beginn des VZ 2024 in Kraft treten.
Steuerfairness und Umsetzung der EU-Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD)
Ab dem 01. Januar 2025 soll eine Anzeigepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen in Kraft treten, die sich an der bereits bestehenden Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen orientiert. Eine Steuergestaltung im Sinne dieses Gesetzes ist die bewusste Herbeiführung oder Veränderung eines realen oder rechtlichen Sachverhalts, wodurch Steuervorteile bezüglich der Einkommenssteuer, Gewerbesteuer, Erbschaftssteuer, Schenkungssteuer oder der Grunderwerbsteuer erlangt werden.
Ferner soll die Zinsabzugsbeschränkung nach § 4h EStG und § 8a KStG an die Vorgaben der EU-Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD) angepasst werden. Neben der Anpassung des Zinsbegriffs soll die Einführung einer „Anti-Fragmentierungsregel“ dazu führen, dass die Freigrenze von EUR 3 Mio. beim Vorliegen mehrerer gleichartiger Betriebe, die unter einer einheitlichen Leitung stehen, nicht mehr pro Gesellschaft, sondern nur noch einmal genutzt werden kann. Außerdem soll die sog. „stand-alone“-Klausel nur anwendbar sein, wenn der Steuerpflichtige keiner Person i. S. d. § 1 Absatz 2 AStG nahesteht und über keine Betriebsstätte außerhalb des Ansässigkeitsstaates verfügt. Daneben soll auch die Eigenkapital-Escape-Klausel an die Vorgaben der ATAD angepasst werden.
Mit dem Ziel, Gewinnverlagerungen in niedrig besteuertes Ausland zu verhindern, soll zudem eine Zinshöhenschranke eingeführt werden. Ab 2024 sollen demnach Zinsaufwendungen nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden können, soweit diese über einem gesetzlich definierten Höchstzinssatz liegen. Als Höchstzinssatz soll der um zwei Prozentpunkte erhöhte Basiszinssatz nach 247 BGB dienen (Bsp: Höchstzinssatz Stand Juli 2023: 5,12%). Dies gilt allerdings nur für Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG. Der Referentenentwurf sieht eine sog. „Substanzausnahme“ für Fälle vor, in denen der Gläubiger in dem Staat, in dem er seinen Sitz oder seine Geschäftsleitung hat, einer „wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit“ nachgeht. Es bleibt abzuwarten, ob an der in der Gesetzesbegründung genannten Definition der wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit festgehalten wird.
Stärkung von Wachstumschancen
Eines der erklärten Ziele des Gesetzesentwurfes ist es, das Steuersystem zu vereinfachen und den Bürokratieaufwand insbesondere für kleinere Betrieben zu vermindern. Dies soll unter anderem durch die Anhebung von diversen Freibeträgen und -grenzen erreicht werden, z.B:
- Die Grenze für die Anwendung der umsatzsteuerlichen Ist-Besteuerung soll von EUR 600.000 auf EUR 800.000 angehoben werden
- Die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter, welche sofort abgeschrieben werden können, soll von EUR 800 auf EUR 1.000 angehoben werden
- Die Regelung des § 6 Abs. 2a EStG wird dahingehend modifiziert, dass zukünftig für Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- und Herstellungskosten EUR 250, aber nicht EUR 5.000 (vorher EUR 1.000) übersteigen, ein Sammelposten gebildet und der Aufwand über das Jahr der Anschaffung und Herstellung und die zwei folgenden Wirtschaftsjahre (vorher vier) verteilt werden kann.
- Daneben finden sich viele weitere Erhöhungen von Freibeträgen und Freigrenzen.
Der Referentenentwurf sieht zusätzlich die Wiedereinführung der zum 31. Dezember 2022 ausgelaufenen degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens vor. Dies gilt allerdings erst für nach dem 30. September 2023 und vor dem 01. Januar 2025 angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter. Das bedeutet, dass die degressive Abschreibung nicht für Wirtschaftsgüter angewendet werden kann, die zwischen dem 01. Januar 2023 und dem 30. September 2023 angeschafft wurden.
Des Weiteren ist im Referentenentwurf eine degressive AfA für Wohngebäude, die in einem EU/EWR-Staat gelegen sind, geplant. Dies gilt für Wohngebäude, mit deren Herstellung nach dem 30. September 2023 und vor dem 01. Oktober 2029 begonnen wurde. Der AfA-Satz beträgt 6% vom jeweiligen Restwert. Außerdem soll die Sonderabschreibung gem. § 7g Abs. 5 EStG für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31. Dezember 2023 angeschafft wurden, auf bis zu 50% angehoben werden.
Darüber hinaus soll die steuerliche Forschungsförderung verbessert werden. Nach dem Forschungszulagengesetz bezieht sich die Förderung bisher nur auf die dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Arbeitslöhne von im Forschungs- und Entwicklungsvorhaben beschäftigten Arbeitnehmern. Ab 2024 sollen auch Teil der Anschaffungs- und Herstellungskosten eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts zu den förderfähigen Aufwendungen gehören können. Außerdem soll eine steuerliche Investitionsförderung für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen unabhängig von der Unternehmensgröße, ihrer Rechtsform und der wirtschaftlichen Tätigkeit eingeführt werden. Der Entwurf sieht eine Förderung i. H. v. 15% der getätigten (begünstigten) Investitionen in den Jahren 2024 bis 2027 mit einer maximalen Bemessungsgrundlage von insgesamt EUR 200 Mio. vor.
Verlustabzug
Auch sind Änderungen des steuerlichen Verlustabzugs geplant. Für die VZ 2024 bis 2027 soll der über dem Sockelbetrag i. H. v. EUR 1 Mio. liegende Verlustvortrag auf 80 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres erhöht werden (vorher 60%). Eine Erhöhung des Sockelbetrags oder eine temporäre Aussetzung der Mindestgewinnbesteuerung, so wie es im Referentenentwurf vorgesehen war, soll es laut dem Regierungsentwurf nicht geben. Darüber hinaus soll der steuerliche Verlustrücktrag in der Höhe von EUR 10 Mio. (bzw. EUR 20 Mio. für Zusammenveranlagte) über die VZ 2022 und 2023 hinaus dauerhaft verankert werden (statt EUR 1 Mio bzw. EUR 2 Mio.) und ab dem VZ 2024 nochmals um ein Jahr auf drei Jahre erweitert werden. Diese Änderungen gelten auch für die Körperschaftsteuer. Für die Gewerbesteuer hingegen wird weiterhin kein Verlustrücktrag vorgesehen.
Weiterer Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens
Das Wachstumschancengesetz befindet sich noch im Entwurfsstadium, sodass sich bis zur Verabschiedung des Gesetzes noch (wesentliche) Änderungen ergeben können. Es haben sich bereits mehrere Bundesländer kritisch zu dem aktuellen Gesetzesentwurf geäußert und angekündigt, dem Entwurf zum jetzigen Zeitpunkt nicht zuzustimmen. Aus diesem Grund wurde für den 20. Oktober 2023 eine zusätzliche Beratung im Bundesrat einberufen. Die Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundestag ist für den 10. November 2023 vorgesehen und die Verabschiedung durch den Bundesrat ist für den 15. Dezember angesetzt. Es bleibt abzuwarten, ob das Gesetzgebungsverfahren noch wie geplant in diesem Jahr abgeschlossen werden kann.
Unter Mitarbeit von Linus Strauch