Nach einer aktuellen Entscheidung des OLG Hamburg gilt die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nur in Fallkonstellationen, in denen eine besondere Missbrauchsgefahr in Form eines massenhaften Vorgehens besteht.

Worum geht es?
Der Beklagte hat bei YouTube ein Video veröffentlicht, in dem er sich mit Aussagen der Klägerin auseinandersetzt und diese kommentiert. Die Klägerin hat den Beklagten aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) auf Unterlassung bestimmter Äußerungen in Anspruch genommen.
Das OLG Hamburg konnte nur nach § 14 Abs. 2 S. 2 UWG örtlich zuständig sein (Verletzungsort). Denn der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten lag nicht in Hamburg. Das YouTube Video war allerdings bundesweit abrufbar und die Äußerungen daher auch im Bezirk des LG Hamburg „begangen“.

Fliegender Gerichtsstand
Nach § 14 Abs. 2 S. 2 UWG ist für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund des UWG geltend gemacht wird, neben dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde. Für im Internet begangene UWG-Verstöße ergibt sich damit regelmäßig eine bundesweite Zuständigkeit, da die Rechtsgutsverletzung bundesweit abrufbar ist. Der Kläger kann sich also ein besonders sachkundiges oder (vermeintlich) klägerfreundliches Gericht aussuchen.

Der fliegende Gerichtsstand bestünde grundsätzlich auch für diejenigen UWG-Verstöße, die besonders oft aus sachfremden Erwägungen missbräuchlich abgemahnt werden, da sie sich gut für massenhaftes Vorgehen handeln. Dies sind in erster Linie Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten – etwa Impressumspflichten.

Um das massenhafte missbräuchliche Abmahnen einzudämmen, schränkte der Gesetzgeber unter anderem den fliegenden Gerichtsstand ein. Nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gilt diese Zuständigkeit nicht mehr für „Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“. Hieraus ergab sich ein Streit, ob sämtliche Verstöße im Internet nicht mehr unter den fliegenden Gerichtsstand fallen, oder ob dies nur für bestimmte missbrauchsanfällige Verstöße mit einem besonderen Internetbezug gelten solle. In letzterem Fall wäre die Vorschrift entsprechend einschränkend auszulegen.

Die Entscheidung des OLG Hamburg
Das OLG Hamburg (5 U 65/22) legt § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG so aus, dass von der Beschränkung des Wahlrechts aus § 14 Abs. 2 S. 2 UWG im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien jedenfalls diejenigen Fälle ausgenommen sind, in denen nicht von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist.

Dies sei zwar im Wortlaut nicht unmittelbar zu erkennen. Allerdings ergebe sich aus der Gesetzesentstehung und Sinn und Zweck der Vorschrift eine solche Auslegung. Denn der Gesetzgeber wollte missbräuchliche Abmahnungen einschränken, den fliegenden Gerichtsstand aber grundsätzlich beibehalten. Eine Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands auf reine Offline-Sachverhalte würde aber einer weitgehenden Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands insgesamt gleichkommen.

Die Missbrauchsgefahr bestehe bei den streitgegenständlichen Äußerungen nicht. Denn hier sei stets eine Bewertung und unter Umständen auch eine Abwägung im Einzelfall erforderlich, weswegen derartige Fälle für massenhaftes Vorgehen ungeeignet seien.

Fazit
Nach der Entscheidung des OLG Hamburg lebt der fliegende Gerichtsstand auch bei UWG-Verstößen im Internet fort. Wo keine Missbrauchsgefahr zu erkennen ist, kann daher grundsätzlich nach wie vor eine Klage beim Gericht der Wahl erhoben werden, jedenfalls bei dem in lauterkeitsrechtlichen Angelegenheiten besonders erfahrenen Landgericht Hamburg.
 

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