In einer vielbeachteten und praxisrelevanten Entscheidung hatte das OLG Zweibrücken über die Haftung einer GmbH-Geschäftsführerin zu entscheiden (Urteil vom 18.08.2022, 4 U 198/21). Die Ablehnung der Haftung begründete das OLG insbesondere damit, dass im zu beurteilenden Sachverhalt trotz fahrlässigen Handelns keine spezifisch organschaftliche Pflicht verletzt worden war und zudem die (eigentlich für Arbeitnehmer entwickelten) Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich bei betrieblich veranlasster Tätigkeit auch zugunsten der Geschäftsführerin angewendet werden konnten. Das Urteil ist zwar in Rechtskraft erwachsen, aber im Ergebnis nicht unumstritten.
Worum ging es in der Entscheidung?
In dem streitigen Gerichtsverfahren machte eine GmbH Schadensersatzansprüche gegen ihre frühere Geschäftsführerin geltend, die auf sog. „Phishing-Mails“ eines vermeintlichen Geschäftspartners hereingefallen war und in der Folge verschiedene Überweisungen zu Lasten der GmbH getätigt hatte, die den Urheber der Phishing-Mails bzw. den falschen Empfänger erreichten. Der Geschäftsführerin war hier nicht aufgefallen, dass die Phishing-Mail-Adresse minimal von der echten Mail Adresse des wirklichen Geschäftspartners abwich; zudem war in den Phishing-Mails auch der weitere Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter der GmbH in „Cc“ gesetzt worden. Weitgehend unstreitig war vorliegend, dass das in Rede stehende Verhalten der Geschäftsführerin vom Verschuldensgrad her als einfache Fahrlässigkeit einzustufen sei. Materiell-rechtlich ging es dabei um die Frage, ob der GmbH gegen die Geschäftsführerin ein Anspruch gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG zustand oder ob sich ein solcher Anspruch aus sonstigen Rechtsnormen (namentlich aus §§ 280 Abs. 1, 276 BGB i.V.m. dem Anstellungsvertrag oder aus § 823 Abs. 1 BGB) ergab. In der Sache verneinte das OLG einen Schadensersatzanspruch der GmbH gegen ihre frühere Geschäftsführerin.
Wie begründete das OLG seine Entscheidung?
In Bezug auf § 43 Abs. 2 GmbHG – hier würde zur Begründung des Anspruchs eine einfache Fahrlässigkeit genügen – lehnte das OLG den Anspruch mit dem Hinweis ab, dass hier keine spezifisch organschaftliche Pflicht der Geschäftsführerin verletzt worden sei. Vielmehr gehe es bei den in Rede stehenden Überweisungen um die Bewertung einer Tätigkeit, die üblicherweise vom Rechnungswesen bzw. der Buchhaltung der GmbH ausgeführt und mithin von „unterhalb“ der Geschäftsführung tätigen Dritten vorgenommen werde. Werden solche Tätigkeiten seitens der Geschäftsführung des Unternehmens „bei Gelegenheit“ (mit)erledigt, handele es sich um eine sonstige Rechtspflicht, aber nicht um eine spezifisch organschaftliche Pflicht aus der Stellung/Funktion als Geschäftsführer, wie sie § 43 Abs. 2 GmbHG aber tatbestandlich erfordere. – Und was andere Ansprüche der GmbH gegen die Geschäftsführerin betraf, verwies das OLG auf die Haftungsmilderung bzw. den Ausschluss einer Inanspruchnahme wegen einfach fahrlässigen Verhaltens in Anlehnung an die Grundsätze über die Haftung von Arbeitnehmern im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs – hieran ändere auch die Organstellung der beklagten Geschäftsführerin nichts. Ergänzend zog das OLG auch noch den Umstand heran, dass der Alleingesellschafter und Mitgeschäftsführer der GmbH bei den Phishing-Mails in Cc gesetzt worden war und die hierdurch vermittelte Kenntnis letztlich zu einer Art stillschweigendem Einverständnis geführt habe. Ob dieser Aspekt in der vorliegenden Sache letztlich „kriegsentscheidend“ war, ist dem Urteil nicht eindeutig zu entnehmen. Jedenfalls sind sowohl die Annahme des OLG, dass § 43 Abs. 2 GmbHG nicht jegliches sorgfaltswidriges Verhalten von Geschäftsführern tatbestandlich erfasse, als auch die Anwendung der für Arbeitnehmer entwickelten Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs auf gesetzliche Vertreter bzw. Personen mit Organfunktionen alles andere als unumstritten. So gesehen, bleibt die Rechtslage hinsichtlich einer Inanspruchnahme von Geschäftsführern einer GmbH auch nach der vorliegenden Entscheidung des OLG in diesen Punkten weiterhin „unübersichtlich“. Dennoch finden sich in der Entscheidung durchaus valide Überlegungen, einer weitgehend konturlosen Inanspruchnahme von Geschäftsführern für sämtliche Tätigkeiten und jegliche Verschuldensform mit Augenmaß zu begegnen.
Praxistipp
Will man das Urteil des OLG Zweibrücken bewerten, so erscheint es durchaus zweckmäßig, im Rahmen des § 43 Abs. 2 GmbHG danach zu differenzieren, ob ein Geschäftsführer im Rahmen seines originären Pflichtenkreises als gesetzlicher Vertreter handelt und spezifisch organschaftliche Pflichten wahrnimmt oder lediglich „bei Gelegenheit“ Tätigkeiten vornimmt, die auch andere Mitarbeiter im Unternehmen erbringen „dürfen“. In diesem Zusammenhang bleibt es der GmbH ja auch unbenommen, den allgemeinen Pflichtenkreis eines Geschäftsführers einzugrenzen bzw. genauer zu konkretisieren. Sind dabei beispielsweise Überweisungsvorgänge nicht vorgesehen und es besteht eine ausschließliche Zuständigkeit der Buchhaltung hierfür, sähe es bei einem abredewidrigen Tätigwerden des Geschäftsführers durchaus anders aus und es wäre insbesondere auch nicht von einer lediglich einfachen Fahrlässigkeit auszugehen, so dass ein Schadensersatzanspruch der GmbH wohl bestehen würde. Auch was die materielle Anwendung der für Arbeitnehmer entwickelten Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs auf Gesellschaftsorgane bzw. Geschäftsführer betrifft, dürfte das „Ende der Fahnenstange“ noch nicht erreicht sein. Da gegen das Urteil des OLG – trotz Zulassung (sic!) – keine Revision eingelegt worden ist, fehlt es insoweit bislang an einer gesicherten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Eine Entscheidung in dieser weitreichenden Frage sollte möglichst der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorbehalten bleiben. Bis eine solche Entscheidung vorliegt, verbleibt es hier – trotz der recht eindeutigen Einlassung des OLG – bei einer gewissen Rechtsunsicherheit.
Was den vorliegenden Fall betrifft, hatte die Geschäftsführerin letztlich das „Glück“, nicht grob fahrlässig gehandelt zu haben; sähe dies anders aus, würde ein entsprechender Schadensersatzanspruch der GmbH bestehen und wäre stichhaltig.