Nach einem Urteil des 14. Zivilsenates des Kammergerichtes können Beschlüsse der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft anfechtbar sein, wenn den Aktionären gestützt auf die Ordnungsbefugnis des Versammlungsleiters beim Mitführen von zu Bild- und Tonaufnahmen geeigneten Geräten die Teilnahme an der Versammlung verwehrt wird (KG (14. Zivilsenat), Urteil v. 26.01.2024 – 14 U 22/22).
Der Fall
In dem der Gerichtsentscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Aktiengesellschaft es den Aktionären untersagt, entsprechende Geräte in den Versammlungssaal mitzubringen und dies durch bereits in der Einladung angekündigte Einlasskontrollen sichergestellt. In dem davor liegenden, allgemein zugänglichen Präsenzbereich konnten die Geräte genutzt und in dafür vorgesehenen Spinden eingeschlossen werden. Zudem wurde der Ton aus dem Versammlungssaal in den Präsenzbereich übertragen. In dem Versammlungssaal waren Computer mit Internetanschluss aufgestellt, welche von den Aktionären kostenlos genutzt werden konnten. Weiter bot ein Dienstleister an, Anrufe für Aktionäre entgegenzunehmen, die sich gerade im Versammlungssaal aufhielten und daher Telefonate nicht selbst entgegennehmen konnten.
Gegen mehrere in der Hauptversammlung gefasste Beschlüsse erhoben sowohl Aktionäre Klage, die an der Einlasskontrolle umkehrten, als auch solche, die an der Hauptversammlung teilnahmen, aber Widerspruch zu Protokoll erklärten.
Die Entscheidung
Das Landgericht Berlin als Vorinstanz und das Kammergericht gaben den Klägern Recht. Zur Begründung führte das Kammergericht aus, dass die Aktiengesellschaft das Teilnahmerecht ihrer Aktionäre aus § 118 AktG verletzt habe.
Der Versammlungsleiter habe bei der Ausübung seiner Leitungs- und Ordnungsbefugnisse zwar ein weites Ermessen, dürfe hierbei jedoch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. Im vorliegenden Fall sei das Verbot, den Versammlungsraum mit aufnahmefähigen Geräten zu betreten, jedenfalls deshalb nicht verhältnismäßig gewesen, weil das Verbot keine angemessene Abwägung zwischen vor allem dem (verfassungsrechtlich durch Art. 14 GG geschützten) Teilnahmerecht und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht der jeweils anderen Aktionäre darstelle. Das Verbot habe dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht der anderen Aktionäre zum Beispiel deshalb keinen weitreichenden Schutz bieten können, weil ihre Wortbeiträge noch in dem Präsenzbereich aufgenommen werden konnten.
Auf der anderen Seite habe das Verbot die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre aus ihren Aktien konkret und erheblich eingeschränkt, weil die Aktionäre durch das Verbot für Rücksprachen mit Prinzipalen den Saal verlassen mussten. Außerdem sei nach Auffassung des Kammergerichts eine effektive Teilnahme an einer Hauptversammlung nicht mehr ohne Notebooks, Mobiltelefone und Tablets sinnvoll möglich, da diese einen schnellen Zugriff auf Unterlagen und eine Volltextsuche ermöglichen.
Ausblick und Auswirkungen auf die Praxis
Das Urteil des Kammergerichts stellt auf eine Vielzahl von Umständen des entschiedenen Einzelfalles ab. Es kann daher daraus nicht verallgemeinernd geschlossen werden, dass jedes Zutrittsverbot mit aufnahmefähigen Geräten durch Versammlungsleiter unzulässig ist. Dem Urteil lässt sich jedoch entnehmen, dass entsprechende Verbote allenfalls unter sehr hohen Anforderungen rechtlich möglich sein dürften.
Für die Praxis ist Aktiengesellschaften daher zu raten, auf vergleichbare Zugangsbeschränkungen im Zweifel ganz zu verzichten. Das Verfahren ist aktuell beim Bundesgerichtshof unter der Aktennummer II ZR 24/24 anhängig.