Das Oberlandesgericht München hat in seinem Beschluss vom 16. Januar 2025 (Az. 7 W 55/25e) konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen ein Gesellschafter die Entscheidung der Gesellschafterversammlung einer GmbH über die Einziehung seiner Geschäftsanteile im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verhindern kann. Hierzu muss der betroffene Gesellschafter konkret nachweisen, dass ihm aufgrund einer offensichtlichen Unwirksamkeit der Einziehungsentscheidung ein irreparabler Nachteil droht, der ohne die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte.
Die Ausgangslage
Im zur Entscheidung vorliegenden Fall war der Gesellschafter (zugleich der spätere Antragssteller im gerichtlichen Verfahren) an einer GmbH mit insgesamt 50% des Stammkapitals beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH sah vor, dass die Gesellschafterversammlung die Geschäftsanteile ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters einziehen kann, wenn ein Gesellschafter die Interessen der Gesellschaft in schuldhafter Weise grob verletzt, den übrigen Gesellschaftern eine weitere Zusammenarbeit nicht zuzumuten ist und ein Verbleiben des betroffenen Gesellschafters den Bestand der Gesellschaft ernstlich gefährden würde. Dem Betroffene sollte bei der Entscheidung über seinen Ausschluss kein Stimmrecht zukommen.
Nachdem die Geschäftsführung der GmbH eine außerordentliche Gesellschafterversammlung mit dem Ziel der Entscheidung über die Ausschließung wegen pflichtwidrigen Verhaltens des späteren Antragsstellers einberufen hatte, begehrte dieser per einstweiliger Verfügung die Untersagung der Beschlussfassung. Er führte an, dass ein Ausschließungsgrund nicht vorliege, da er sich stets rechtstreu verhalten habe.
Die Entscheidung
Vor dem Landgericht blieb der Antrag erfolglos. Das OLG hat dieses Ergebnis nun auch im Rechtsmittelverfahren bestätigt.
Das OLG stellte dabei klar, dass in Fällen, in denen schon die Entscheidung über die Einziehung der Geschäftsanteile einen schwerwiegenden und irreparablen Nachteil für den betroffenen Gesellschafter bedeute, der einstweilige Rechtsschutz grundsätzlich möglich sei. Dabei müsse aber berücksichtigt werden, dass auch die gerichtliche Untersagung der Beschlussfas-sung eine erhebliche Benachteiligung der übrigen Gesellschafter bedeuten könne. Vorbeugen-der Rechtsschutz sei daher nur in Ausnahmefällen zu gewähren. Hierzu müsse der Antragsteller insbesondere einen dringenden Rechtsschutzbedarf nachweisen, der ein Abwarten der Beschlussfassung unzumutbar erscheinen lasse.
Das OLG ließ sich dabei von dem zutreffenden Gedanken leiten, dass grundsätzlich erst durch die Einreichung einer – in Umsetzung des Einziehungsbeschlusses – aktualisierten Gesellschafterliste ein unmittelbarer Nachteil für den betroffenen Gesellschafter entsteht. Hiergegen lässt sich, bei Fehlen hinreichender Gründe für die Einziehung der Anteile, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Untersagungsverfügung erwirken.
Auch besteht zwischen der Gesellschaft und dem betroffenen Gesellschafter kein Informationsdefizit, das eine gerichtliche Entscheidung vor der Beschlussfassung rechtfertigen kann. Denn selbst im Fall eines Stimmverbots kann ein Gesellschafter stets an der Versammlung teilnehmen und kann somit im Moment der Beschlussfassung Kenntnis vom Einziehungsbeschluss erhalten. Unmittelbar im Anschluss an die Beschlussfassung ist damit rechtlich und faktisch die Möglichkeit zur Untersagung der Einreichung der Gesellschafterliste im Wege der einstweiligen Verfügung eröffnet.
Auswirkungen auf die Praxis
Im Zusammenhang mit einer drohenden Einziehung von Geschäftsanteilen muss daher trenn-scharf zwischen einem Vorgehen gegen die Entscheidungsfindung innerhalb der Gesellschaft und deren Vollzug durch die Einreichung der aktualisierten Gesellschafterliste unterschieden werden. Während ein Gesellschafter im Vorfeld der Beschlussfassung über die Einziehung zumeist keinen einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, bleibt ihm der Schutz gegen die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste regelmäßig unbenommen. Hierzu muss der Betroffene allerdings nachweisen, dass der Vollzug der Einziehungsentscheidung für ihn eine unzumutbare Rechtsverletzung darstellen würde. Dieser Beweis dürfte bei Fehlen materiell-rechtlicher Ausschlussgründe oder Verfahrensmängeln bei der Beschlussfassung gelingen.
Die Entscheidung des OLG München verdeutlicht die strengen Anforderungen an den einstweiligen Rechtsschutz im Vorfeld der Einziehung von Geschäftsanteilen. Das OLG stellte klar, dass ein vorbeugender Rechtsschutz im Zusammenhang der Einziehungsentscheidung zwar grundsätzlich möglich bleibt, die Gerichte ihre Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschlussfassung innerhalb der Gesellschaft aber nur in Ausnahmefällen an die Stelle der übrigen Gesellschafter stellen werden.
Zur Verhinderung von Entscheidungen in der Gesellschafterversammlung muss der betroffene Gesellschafter folglich darlegen, warum schon eine – gesellschaftsinterne – Debatte und Entscheidung über seinen Verbleib im Gesellschafterkreis für ihn einen unzumutbaren Nachteil begründet. Dieser Nachweis dürfte in der Praxis kaum gelingen. Inwieweit die Entscheidung Auswirkungen auf die Abwägungsentscheidung bezüglich der Untersagung der Einreichung einer neuen Gesellschafterliste hat, bleibt abzuwarten.
OLG München - Beschluss vom 16. Januar 2025 - Az. 7 W 55/25e