Der Entwurf eines neuen BMF-Schreibens, dessen Neuregelungen bereits ab 01.01.2022 greifen sollen, wird dringenden Handlungsbedarf für alle Beteiligten nach sich ziehen.
In der aktuell vorgesehenen Fassung weicht das BMF maßgeblich von der bisher üblichen Handhabung von Umsätzen im Tankkartengeschäft ab – statt wie bisher regelmäßig als Reihengeschäft durchgeführt zu werden, soll es sich zukünftig hierbei um Kreditgewährungsleistungen handeln. Branchenverbänden wurde nun die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Entwurf des BMF-Schreibens gegeben. In unserem Blog-Beitrag geben wir einen ersten Überblick über die zu erwartenden Neuerungen und die kritische Auseinandersetzung des IDW mit den erwarteten Auswirkungen für die Steuerpflichtigen.
Hintergrund
Basierend auf dem ursprünglichen BMF-Schreiben vom 15.06.2004 werden Tankkartenumsätze unter Beachtung des dort enthaltenen Voraussetzungskatalogs in den meisten Fällen als umsatzsteuerliche Reihengeschäfte abgewickelt. Tankstellen (TS) rechnen Warenbezüge an die Tankkartenemittenten (TKE) ab. Diese rechnen wiederum eigene Lieferungen an die Tankkartennutzer (TKN) ab, welche ihre Fahrzeuge unter Benutzung der Tankkarte betanken:

Dieses Vorgehen bietet für Unternehmen, die in ihrer Rolle als TKN von der Tankkartennutzung Gebrauch machen, gemeinhin den Vorteil, dass sie ihren Vorsteuerabzug bequem aus monatlichen Sammelrechnungen geltend machen können, anstatt Einzelbelege für jeden Tankvorgang nachhalten zu müssen.
Zwar entschied der EuGH bereits mit Urteil vom 06.02.2003 in der Rs. Auto Lease Holland (C-185/01), dass bei Tankkartenumsätzen nicht wie oben dargestellt Reihengeschäfte vorliegen, sondern die TS die Verfügungsmacht am getankten Treibstoff direkt an den TKN übertragen und nicht erst an den TKE verkaufen. Stattdessen qualifizierte der EuGH die Leistungen des TKE an den TKN als steuerfreie Finanzierungsdienstleistung in Form einer Kreditgewährung.

Die Anwendbarkeit dieses Urteils wurde seinerzeit jedoch vom BMF weitreichend eingeschränkt, was dazu führte, dass sich die vertragliche Ausgestaltung von Tankkartenmodellen als umsatzsteuerliche Reihengeschäfte in der Praxis bis heute als Regelfall etablierte.
Mit Urteil vom 15.05.2019 (C-235/18, Rs. Vega International) bestätigte der EuGH unter Verweis auf eingangs zitiertes Urteil aus dem Jahr 2003 eine direkte Kraftstofflieferung der TS an den TKN sowie eine Kreditgewährung des TKE an den TKN.
Wie die Verwaltungsorgane anderer europäischer Länder sah sich unlängst das BMF gefordert, die durch das Urteil aus 2019 erneut entstandene Rechtsunsicherheit auf dem Gebiet der umsatzsteuerlichen Behandlung von Tankkartenumsätzen durch die Formulierung einer aktualisierten Verwaltungsanweisung zu beseitigen.
Grundlegende Änderung der Rechtsauffassung durch Entwurf des neuen BMF-Schreibens
Das neue BMF-Schreiben, welches bereits ab dem 01.01.2022 anwendbar sein und das bisherige ersetzen soll, ordnet die Leistung des TKE als steuerbefreite Kreditgewährungsleistung als umsatzsteuerlichen Regelfall ein – ungeachtet der tatsächlichen vertraglichen Ausgestaltung des jeweiligen Geschäftsmodells. Tankkarten werden pauschal als Zahlungsmittel definiert und damit herkömmlichen Kreditkartenumsätzen gleichgestellt. Hierin ist eine grundlegende Abkehr des BMF von seiner bisherigen Rechtsauffassung erkennbar.
Reihengeschäfte sollen bei Kraftstofflieferungen nur noch in Ausnahmefällen möglich sein. Der Entwurf des neuen BMF-Schreibens enthält ebenfalls einen Katalog von Voraussetzungen, welche für die Annahme dieses Tatbestands kumulativ erfüllt sein müssen. Entgegen der bisherigen Fassung wurden diese Voraussetzungen in Anknüpfung an das Vega-Urteil jedoch deutlich verschärft. Es dürfte in vielen Fällen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein, diese verschärften Anforderungen daran Tankkartengeschäfte weiterhin als Reihengeschäfte behandeln zu können, rechtssicher vertraglich umzusetzen.
Kritische Stellungnahme des IDW
Mit Schreiben vom 04.11.2021 äußerte sich das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) zu dem Entwurf des BMF. Seiner Auffassung nach bringe der Entwurf des BMF-Schreibens eine (unnötige) Verschärfung der Rechtslage für den Steuerpflichtigen mit sich. Das BMF ginge mit seinen Ausführungen weit über die relevante Rechtsprechung hinaus. Den zitierten Urteilsfällen lägen besondere Fallgestaltungen zugrunde – es ging um Verträge über die Kraftstoffverwaltung, nicht jedoch über die übliche -lieferung, welche von der Fachliteratur bereits als Einzelentscheidungen klassifiziert wurden – die Übertragbarkeit der Entscheidungsgrundsätze sei somit grundsätzlich zu hinterfragen. Schon den Urteilsbegründungen des EuGHs ließe sich entnehmen, dass die Anwendbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze auf den Streitfall (oder vergleichbare Fälle) beschränkt sei und es sich nicht um eine Grundsatzentscheidung handele.
Das vom BMF nunmehr als Ausnahmefall deklarierte Reihengeschäft sei in der unternehmerischen Praxis der langjährig etablierte Regelfall – schließlich ermöglichte die bisherige Verwaltungsanweisung die dahingehende vertragliche Ausgestaltung ausdrücklich unter Beachtung des Katalogs an Voraussetzungen. Das IDW fordert daher, dass die jeweilige vertragliche Ausgestaltung eines Tankkartengeschäftsmodells maßgeblich für dessen umsatzsteuerliche Einordnung sein müsse.
Auch die avisierte Übergangsfrist (Nichtbeanstandungsregelung für bisher als Reihengeschäft abgebildete Sachverhalte) bis zum 01.01.2022 sei zu knapp bemessen, um erforderliche Anpassungen ihrer IT-Systeme, Prozesse und Verträge mit der gebotenen Sorgfalt vornehmen zu können. Das IDW schlägt eine Verlängerung der Übergangsfrist mindestens bis zum 01.01.2023 vor.
Fazit
Es bleibt abzuwarten, ob das BMF den Entwurf des Schreibens aufgrund der kritischen Stellungnahmen aus den Branchenverbänden noch einmal überarbeiten wird. Andere EU-Mitgliedsstaaten kommen durchaus zu abweichenden Auslegungen der EuGH-Entscheidungen mit dem Ergebnis, dass den Besonderheiten des Tankkartengeschäfts besser Rechnung getragen wird. Die entsprechende Formulierung in der österreichischen Verwaltungsanweisung eigne sich laut IDW besser für eine sachgerechte umsatzsteuerliche Einordnung der Geschäftsmodelle, da sie auf die jeweilige Vertragsausgestaltung abstellt und solle daher übernommen werden.
Auch in Hinblick auf die notwendige Harmonisierung im europäischem Mehrwertsteuerraum bleibt zu hoffen, dass das BMF der Kritik seitens der Verbände in einem aktualisierten Entwurf angemessen Rechnung trägt und auch die Gelegenheit nutzt, zu relevanten Randthemen – wie beispielsweise der Beurteilung grenzüberschreitender Vorgänge bezüglich der Kartennutzung oder sonstiger über die Tankkarte beziehbarer fahrzeugbezogener Leistungen – Stellung zu nehmen.
Dennoch besteht die Möglichkeit, dass das neue BMF-Schreiben in der jetzigen Form ohne wünschenswerte Änderungen ab 01.01.2022 für alle Steuerpflichtigen verpflichtend kommt. Wir halten Sie natürlich an dieser Stelle mit einem Update informiert.
Handlungsbedarf ergibt sich voraussichtlich für alle Beteiligten. Daher sollten die Emittenten von Tankkarten so schnell wie möglich prüfen, ob in ihrem konkreten Fall die neuen Voraussetzungen für die Beibehaltung von Reihengeschäften bereits vorliegen oder umgesetzt werden können. Andernfalls können umfangreiche Umstrukturierungsmaßnahmen in sämtlichen betroffenen Geschäftsbereichen erforderlich sein. Tankkartennutzer müssen zukünftig besonderes Augenmerk auf die formellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs legen, um diesen aufgrund des potentiellen Wegfalls einer vom Kartenemittenten ausgestellten Sammelrechnung nach der Neuregelung nicht zu gefährden.
Gern unterstützen wir unsere Mandanten dabei, die potentiell nötigen Anpassungen im Bereich der Tankkartenumsätze entsprechend umzusetzen.
Autoren: Denise Bunning, StBin Rebecca Haß, StBin Melanie Weist
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